Politik

Was ist ein „Schwarzer Schwan“ in der Wirtschaft?

Ein Schwarzer Schwan (Black Swan) ist ein unvorhergesehenes Ereignis, welches wirtschaftlichen Entwicklungen eine entscheidende Wende gibt. Wie viel davon wirklich unvorhersehbar und wie viel geschickte Tarnung ist, ist oft schwer zu sagen.
09.10.2012 22:50
Lesezeit: 2 min

Schwarze Schwäne sind selten, so sagt und hört man. Doch schon der römische Meister der Satire, Juvenal, kannte sie. Wenn auch mitunter in einem allegorischen Zusammenhang: Rara avis in terris nigroque simillima cygno ("… [er ist wie] ein seltener Vogel in den [in den fremden] Ländern, [ähnlich] wie ein schwarzer Schwan "…).

Die Leute im Mittelalter mögen zwar unwissender in Bezug auf das Faktenwissen und auch Zusammenhänge mögen dem mediavälen Menschen nicht wie heutzutage klar gewesen sein. Und der Alltag war vom Aberglauben bestimmt. Eines konnten die Mittelaltler aber ganz gewiss: sie konnten sehr gut beobachten – und daraus Schlüsse ziehen! Und wenn etwas auftauchte, dass nicht in Ihre (Gedanken)Welt passte, so blieb nur ein Schluss: Das bedeutet nichts Gutes – und wir wollen auch nichts davon wissen.

Jahrhundertelang wurde die Existenz von schwarzen Schwänen massiv bestritten und die Sichter und Erzähler darüber im besten Fall ignoriert. Im schlechtesten Fall wurden sie (zuerst gefoltert) und getötet – ähnlich dem Überbringer von Kriegsniederlagen in antiker Zeit -, da nichts sein kann, was nicht sein darf. Besonders im Mittelalter wurde schwarzen Schwänen gar nichts Gutes nachgesagt und als unmittelbares schlechtes Omen für Unglück, Krankheiten, Krieg und anderes Ungemach gedeutet.

In unserer heutigen – mehr oder minder – aufgeklärten Welt ist ein „Black-Swan-Event“ ein Ereignis, welches nicht vorhersehbar ist, das alle Beteiligten (auch die Beobachter und somit nicht unmittelbar Beteiligten) absolut unvorbereitet trifft, aber auch, dass das Ereignis im Nachhinein rational erklärt und bewiesen werden kann. Nassim Nicholas Taleb (ein ehemaliger Finanzmathematiker und Spezialist für Derivat- und Anlage-Strategien sowie Autor des Buches „The Black Swan“) meint unter anderem, … dass wir viel weniger wissen, als wir glauben und dass die Vergangenheit nicht in naiver Weise dazu benutzt werden sollte, die Zukunft zu prognostizieren … Auch setzt er sich sehr kritisch mit der retrospektiven „Um-Schreibung“ der Vergangenheit auseinander, der generellen Überbewertung der intellektuellen Elite sowie der Illusion, gegenwärtig stattfindende Ereignisse zu verstehen bzw richtig in den Fluss der Zeit einzuordnen. Aber wie heisst es doch so treffend: Geschichte wird nicht gemacht, Geschichte wird geschrieben - und manchmal wird sie auch um-geschrieben.

Interessanter- und kurioserweise wird die „Black-Swan-Theory“ , die ursprünglich aus der Finanz(Derivat)Mathematik kommend auf die Politik und Ökonomie überschwappte, nun auch innerhalb der Geologie als Begriff verwandt (vorgebracht im April 2012 am "European Geosciences Union"-Kongress in Wien) – das nächste Erdbeben ist dann irgendwann auch ein „Schwarzer Schwan“ –… Inflation, wohin man blickt! Dieser „inflationäre“ Gebrauch zeigt aber auch eines ganz deutlich: Die explorative (erkundende) Wissenschaften – auch die naturwissenschaftlichen – sind nicht erst seit gestern kaum mehr in der Lage, die Entwicklungen (auch nur annähernd) vorher zu sagen oder (auch nur annähernd) Alternativen anzubieten und somit zeigt der Terminus des „Black Swan“ nur die Unsicherheiten und Unschärfen in den Wissenschaften schonungslos auf. Der schon erwähnte N. N. Taleb nennt die Wirtschaftswissenschaften in einem Artikel eine „Pseudowissenschaft“ und legt auch – ganz gut und nachvollziehbar dar – wie (klassische) Wirtschaftswissenschaften ganze Ökonomien zerstören können.

Was vom Tage überbleibt, ist wohl nur mehr die – oft, zu oft; und dann im Nachhinein - deskriptive (beschreibende) Wissenschaft, mit deren Arten und Unarten wir uns allerorts herum zu schlagen haben.

Um nochmals auf Taleb zurück zu kommen: Er veröffentlichte 2007 seinen „Schwarzen Schwan“, in dem er auf die massiven Verflechtungen und Abhängigkeiten der internationalen Bankenszene hinwies und einen Bankencrash prophezeite (auch FannyMae wurde namentlich genannt). Andererseits erwiesen sich die von Herrn Taleb entwickelten Derivatpapiere ab dem Jahr 2008 ausgesprochen gut … Wusste Herr Taleb mehr als die anderen? War´s wirklich vielleicht doch nur ein – gewinnträchtiger, neuer -- Algorithmus? Oder war´s nur Zufall?

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