Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat angekündigt, die Panzertruppe der Bundeswehr zu verstärkten. Ein bisher weitgehend nur auf dem Papier bestehendes Bataillon im niedersächsischen Bergen solle aktiviert und mit Panzern und Personal aufgefüllt werden, kündigte die Ministerin in einem am Freitag veröffentlichen Interview mit der hauseigenen Redaktion der Bundeswehr an.
Die Bundeswehr wurde seit 1979 mit 2125 „Leopard 2“-Kampfpanzern ausgerüstet, von denen heute noch etwa 280 im Dienst sind. Die Bundeswehrreform von 2011 sieht eine Reduzierung auf 225 Exemplare vor. Von der Leyen überprüft nun diese und andere Entscheidungen zur Kürzung von großen Waffensystemen und stellt auch das Leitmotiv der Bundeswehrreform „Breite vor Tiefe“ infrage.
Die bestehenden Einheiten, die sich nach der jüngsten Reform einen Teil ihres Großgeräts teilen müssen, sollen wieder mit mehr Material ausgestattet. Die enge Zusammenarbeit besonders mit Frankreich, Polen und den Niederlande soll noch ausgeweitet werden.
„Das Sicherheitsumfeld hat sich seit dem Krisenjahr 2014 deutlich verändert“, so die Ministerin. „Die Frage, was wir wirklich können müssen und was die Truppe dafür braucht und was nicht, müssen wir neu und ehrlich beantworten.“ Beim Material der Bundeswehr habe sich ein enormer Investitionsstau aufgebaut. Es gebe an allen Ecken und Enden Engpässe. „Da müssen wir ran.“ Sonst stehe „über kurz oder lang die Einsatzfähigkeit und unsere Zuverlässigkeit in den Bündnissen infrage.“ Die Anforderungen der Nato an Reaktionsfähigkeit und Flexibilität hätten sich deutlich erhöht.
Als Reaktion auf Russlands Vorgehen in der Ukraine hatte die Militärallianz bei ihrem Gipfeltreffen im September in Wales den Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe beschlossen, in der auch die Bundeswehr eine Rolle spielt.
Einen Zeitrahmen für die bessere Ausstattung der Bundeswehr-Verbände nannte von der Leyen nicht. Dies hänge auch vom finanziellen Spielraum ab. „In einem ersten Schritt wollen wir zum Beispiel mit der Praxis Schluss machen, dass wir überschüssiges gutes Material, beispielsweise Leopard 2, abgeben oder verschrotten“, erklärte die Ministerin. „Deswegen wollen wir am Standort Bergen ein derzeit gekadertes Panzer-Bataillon aktivieren, vorzugsweise mit ergänzender internationaler Komponente.“ Dazu liefen bereits Gespräche mit den Niederlanden. Ein Panzer-Bataillon besteht bei der Bundeswehr derzeit aus bis zu 700 Soldaten und 44 Leopard-Panzern (siehe Video am Anfang des Artikels). Als „gekadert“ wird eine Einheit bezeichnet, wenn sie in Friedenszeiten nur aus einem Rumpf an Personal und Material besteht, aber nicht einsatzfähig ist. Die Bundeswehr verfügt derzeit über vier aktive und zwei gekaderte Panzer-Bataillone.
Die Niederlande sind momentan dabei, ihre Leopard-Kampfpanzer abzuschaffen. Ihre verbliebenen 16 Panzer könnten daher möglicherweise in das Bataillon in Bergen integriert werden, hieß es in Sicherheitskreisen. Das Bataillon werde auch anderen Ländern offen stehen, wenn sie sich beteiligen wollten. Die übrigen Panzer könnten aus Bundeswehr-Restbeständen kommen. Die Aufstellung des Bataillons solle zunächst rein deutsch geschehen und bereits dieses Jahr beginnen. Nach den bisherigen Planungen sollte die Bundeswehr künftig noch über 225 Leopard 2 verfügen. Die Truppe hat darüber hinaus noch einen Restbestand von einigen Dutzend weiteren Kampfpanzern.
Um diese Pläne umzusetzen, geht von der Leyen von einer Erhöhung des Verteidigungsetats aus. „Das letzte Jahr hat der Öffentlichkeit eindrucksvoll vor Augen geführt, dass Sicherheit und eine einsatzfähige Bundeswehr nicht zum Nulltarif zu haben sind.“
Am 17. Februar kündigte von der Leyen bereits an, im Auftrag der Bundesregierung eine neue Militär-Doktrin zu erstellen. Die sogenannte „Sicherheitsstrategie“ soll das Verhältnis zu Russland neu definieren. Russlands Vorgehen in der Ukraine verändere die Sicherheitsarchitektur in Europa grundlegend.
Mit der neuen Militär-Doktrin will die Bundesregierung offenkundig den Vorgaben der Amerikaner folgen, die in der „Annexion“ der Krim die Legitimation für militärische Maßnahmen gegen Russland sehen. In einem kürzlich beschlossenen Gesetz hat US-Präsident Barack Obama alle notwendigen Vorkehrungen beschließen lassen, mit denen die Ukraine gegen Russland aufgerüstet werden kann. Das Gesetz muss sich aus russischer Sicht wie eine Kriegserklärung lesen, wenngleich diese Begriffe natürlich nicht in dem Gesetzestext zu finden sind.