Der am Freitag in Moskau ermordete Oppositionspolitiker Boris Nemzow hatte im Februar 2012 eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Wladimir Putin. Wie die Washington Post damals berichtete, hatte Putin bei einer Wahlveranstaltung gesagt, die Opposition plane einen Mord an einem ihrer eigenen Führer, um ihm, Putin, dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben. Putin sagte auf einer Partei-Veranstaltung: „Sie suchen nach einem Opfer-Tier unter einigen ihrer prominenten Figuren. Sie werden einen, verzeihen Sie den Ausdruck, umlegen, und dann sagen, die Regierung sei schuld daran.“
Nemzow entgegnete Putin in scharfen Worten: „Wenn der Chef der Regierung, der alle Geheimdienste kontrolliert, in einem öffentlichen Statement sagt, dass er Informationen über eine solche Provokation habe, dann muss er alles tun, um so etwas zu verhindern und nicht einfach bloß den Russen öffentlich einen Schrecken einjagen.“ Nemtsow sagte damals, er nehme die Worte Putins sehr ernst und die Opposition solle sie ebenfalls ernstnehmen. Doch die Hauptverantwortung läge bei der Regierung: „Wenn die Behörden darin versagen, ein solches Szenario zu verhindern, werden sie zu Mittätern in einem geplanten Verbrechen.“
Vor dieser Auseinandersetzung hatte die Zeitung Kommersant berichtet, dass der Beschuldigte an dem Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja ausgesagt habe, der Putin-Kritiker Boris Berezovsky habe den Mord gemeinsam mit dem Tschetschenen-Führer Achmed Zakajew in Auftrag gegeben. Politkowskaja war im Jahr 2006 an Putins Geburtstag ermordet worden. Der Fall wurde nie restlos aufgeklärt. Beresowski, der damals schon im Exil in London lebte, bezeichnete die Beschuldigung als blanken Unsinn.
Beresowski wurde ein Jahr später in seinem Haus in London tot im Bad seines Hauses aufgefunden. Er soll sich erhängt haben. Allerdings erklärte ein Gericht nach einer Untersuchung, dass die Todesursache nicht eindeutig festgestellt werden könne. In seinem letzten Interview mit Forbes sagte Beresowski, dass er keinen Sinn mehr in seinem Leben sähe, was eher die These des Selbstmords stützt.
Etwa zur selben Zeit der Auseinandersetzung mit Nemzow ermittelten die Behörden wegen eines angeblich geplanten Mordanschlags auf Putin – der von der Ukraine ausgehen und mit Hilfe von Tschetschenen geplant sei. Wie die Washington Post damals meldete, habe das russische Staatsfernsehen ausführlich über die Pläne berichtet, die Behörden hätten eine Voruntersuchung eingeleitet. Putins politische Gegner wie der Nationalist Wladimir Schirinowski bezeichneten den geplanten Anschlag als Erfindung Putins.
Der damalige Sprecher Putins, Dimiri Peskow, der auch den Mord an Nemzow als erster offizieller Sprecher kommentierte, sagte, die Kritik der politischen Gegner an der Bedrohung von Putins leben grenze angesichts der erdrückenden Beweise an „Blasphemie“.
Putin und Nemzow waren bei der Nachfolge von Boris Jelzin Rivalen gewesen. Nemzow hatte sich jedoch noch im Jahr 2000 in einem Beitrag für die New York Times ausgesprochen positiv über Putin geäußert: Putin sei eine gute Wahl für Russland, wenngleich er keine liberaler Demokrat sei. Doch Nemzow erwartete damals von Putin, dass er das Regime der Oligarchen beenden werde. Wenige Jahre später wurde Nemzow jedoch zu einem der schärfsten Kritiker des Präsidenten. Er warf ihm vor, das Land im wirtschaftlichen Interesse einer kleinen Clique zu führen und forderte die Ablösung Putins an der Spitze des Kreml.
Die Diskussion, wer die Opposition in Russland betreibt, sprach Nemzow in einem Interview mit der Deutschen Welle an: Der Politiker sagte, die Behauptungen des Kreml, dass „Obama und Hillary Clinton“ die Demonstrationen gegen Putin angezettelt hätten, sei Unsinn. Den Westen machte Nemzow jedoch für den damaligen Wirtschafts-Boom verantwortlich: Nicht Putin habe den Boom ausgelöst, sondern „Bush und Saddam Hussein“ - wegen des gestiegenen Ölpreises im Zug des Irak-Kriegs (Video am Anfang des Artikels).