Politik

Protest gegen Euro-Rettung: Gauweiler legt Bundestagsmandat und CSU-Amt nieder

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler legt sein Bundestags-Mandat nieder und tritt als Partei-Vize zurück. Auslöser dieser Entscheidung sind innerparteiliche Streitigkeiten um die Euro-Rettung. Die CSU-Spitze wirft ihm Verstoß gegen die CSU-Parteidisziplin vor. Entgegen der Forderung von CSU-Chef Horst Seehofer hatte Gauweiler zuvor im Bundestag gegen die Verlängerung des griechischen Kredit-Pakets gestimmt.
31.03.2015 11:31
Lesezeit: 3 min

Der stellvertretende CSU-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler teilte am Dienstag mit:

„Als ich in das CSU-Präsidium berufen wurde, war meine politische Position in Europafragen völlig klar. Ich habe sie durch mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und in vielen öffentlichen Äußerungen zum Ausdruck gebracht. Wer Peter Gauweiler zum stellvertretenden CSU-Vorsitzenden wählte, wusste genau, welche Positionen in Sachen Euro und Rettungspolitik damit gewählt wurden. Von mir ist öffentlich verlangt worden, dass ich - weil CSU-Vize - im Bundestag so abstimme, dass ich mich für das Gegenteil dessen entscheide, was ich seit Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht und vor meinen Wählern vertrete und was ich als geltenden Inhalt der CSU-Programme verstehe. Dies ist mit meinem Verständnis der Aufgaben eines Abgeordneten unvereinbar.

Um das, was ich soeben etwas abstrakt gesagt habe, an einigen Beispielen zu erläutern:

- Die CSU sagt in ihren Programmen, es dürfe keine Vergemeinschaftung von Staatsschulden, keine „Eurobonds“, geben. Jetzt führt die EZB mit ihrem neuen Staatsanleihenankaufprogramm de facto Eurobonds ein – eine direkte Vergemeinschaftung von Staatsschulden in Höhe von 20% des Ankaufsvolumens, eine indirekte, verschleierte Vergemeinschaftung in Höhe der restlichen 80%.

-„Die Finanzierung von Krisenstaaten über die Notenpresse lehnen wir ab“ (Europaplan der CSU vom 10. Mai 2014). Genau das macht die EZB aber jetzt, zum einen mit dem Staatsanleihenankaufprogramm, zum anderen mit den ELA-Krediten an griechische Banken.

- „Einen stabilen Euro kann es dauerhaft nur geben, wenn alle Länder eine konsequente Haushaltsdisziplin einhalten“ (Bayernplan der CSU vom 19. Juli 2013). Die EZB aber nimmt mit ihrer Politik, die Zinsen für Staatsanleihen auf Null Prozent zu drücken, den Eurostaaten jeden Anreiz zur Haushaltsdisziplin.

- Und jetzt zu Griechenland, unserem aktuellen Streitpunkt: „Krisenstaaten dürfen auch künftig nur Hilfen bekommen, wenn sie im Gegenzug Reformen durchführen und ihre Verschuldung bekämpfen. Wenn ein Staat den Auflagen nicht nachkommt, müssen die Hilfen entsprechend gekürzt oder ganz gestrichen werden.“ „Für überschuldete Staaten soll eine geordnete Staateninsolvenz möglich sein. Dazu soll auch die Möglichkeit gehören, die Eurozone vorübergehend zu verlassen und wieder eine eigene Währung einzuführen. Dieser Prozess soll durch gezielte Wirtschaftshilfe und die Möglichkeit zum Wiedereintritt in die Eurozone begleitet werden“ (Europaplan der CSU vom 10. Mai 2014). Die Staatsverschuldung Griechenlands ist, wie der griechische Ministerpräsident und der neue Finanzminister ehrlicherweise erklärt haben, nicht tragfähig. Griechenland – so beide ausdrücklich – „ist seit 2010 ein bankrotter Staat.“ Warum angesichts dessen meine Gegenstimme gegen eine Verlängerung des aktuellen (offensichtlich völlig wirkungslosenund möglicherweise kontraproduktiven) Programms meinerseits ein Verstoß gegen die CSUParteidisziplin gewesen sein soll, ist mir unklar.

Die Auseinandersetzung der Parteien, aber auch die innerparteiliche Demokratie lebt von dem Respekt der anderen Meinung und dem Wettstreit der Argumente. Wie jeder in der Parteiführung habe ich eine Verantwortung gegenüber meiner Partei, und ich habe eine Verantwortung gegenüber meinen Wählern. Und nach der Verfassung habe ich – wie jeder Abgeordnete - eine Verantwortung gegenüber dem ganzen Volk. Ich habe glücklicherweise zwischen diesen verschiedenen Schichten von Verantwortung nie einen Widerspruch sehen müssen. Denn das, was wir als Partei beschlossen haben, habe ich meinen Wählern als meine Zielsetzung vorgestellt, und ich war zugleich immer überzeugt, dass dies auch im Interesse des Gemeinwohls das ist, was getan werden muss. Wenn dies – wie geschehen – öffentlich in einen kategorischen Gegensatz zur Parteilinie gestellt wird, muss ich die Konsequenzen ziehen. Entsprechende Erklärungen habe ich – in einem persönlichen Gespräch in Sachen meines Parteiamtes – gegenüber dem CSU-Vorsitzenden und in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gegenüber dem Bundestagspräsidenten abgegeben.

Das Schreiben an den Bundestagspräsidenten hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, hiermit verzichte ich gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 4 Bundeswahlgesetz auf mein Bundestagsmandat, da ich den mir vom Wähler erteilten Auftrag nicht mehr so ausführen kann, wie ich es für richtig halte. Auf meine Zeit im Deutschen Bundestag schaue ich dankbar zurück. Es freut mich, wenn ich – auch durch streitige Auseinandersetzungen mit der Parlamentsmehrheit vor dem Bundesverfassungsgericht – einen Beitrag gegen die Ausdünnung des Demokratieprinzips leisten konnte und damit die Volksvertretung gestärkt habe. Die mir im Bundestag anvertraute Aufgabe der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik empfehle ich weiter der gesonderten Aufmerksamkeit des Hauses. Dass Sie selbst, sehr geehrter Herr Präsident Lammert, sich immer wieder für die Rechte des einzelnen Abgeordneten eingesetzt haben – auch gegen den Widerspruch der Fraktionsapparate – war mir immer sympathisch. Dafür meinen persönlichen Dank. Mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen an meine Kolleginnen und Kollegen bin ich Ihr Peter Gauweiler.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Migration: Nancy Faeser sieht eigene Migrationspolitik als Erfolg
01.04.2025

Während SPD und Union über eine mögliche Koalition verhandeln: Die geschäftsführende Innenministerin Faeser präsentierte heute...

DWN
Politik
Politik Handelskonflikt eskaliert: EU prüft bislang ungenutztes Instrument
01.04.2025

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA stehen kurz vor einer Eskalation. US-Präsident Trump plant neue Zölle auf eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trumps Zölle - Warum Hyundai jetzt auf Milliarden-Investitionen in den USA setzt
01.04.2025

Geht sein Plan auf? Trumps Zollerhöhungen erzwingen bereits drastische Reaktionen. Hyundai investiert 21 Milliarden US-Dollar in die USA,...

DWN
Politik
Politik AfD holt in Umfrage auf: Union büßt nach Bundestagswahl stark ein
01.04.2025

Nach der Bundestagswahl verliert die Union in den Umfragen, während die AfD kräftig zulegt. Auch SPD und Grüne verzeichnen Rückgänge,...

DWN
Politik
Politik Bamf-Chef Sommer will radikale Asyl-Wende - Rücktritt gefordert
01.04.2025

Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert eine radikale Wende in der deutschen Asylpolitik. Statt individueller Anträge plädiert er für eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-ETF-Vergleich: Wie Sie mit Europa-fokussierten ETFs Geld verdienen - und welche Europa-ETF sinnvoll sind
01.04.2025

Da die Trump-Administration die Unterstützung für die Ukraine zurückfährt, protektionistische Zölle erlässt und sich von der...

DWN
Politik
Politik Reform Arbeitszeitgesetz: 8-Stunden-Tag nicht mehr zeitgemäß?
01.04.2025

Union und SPD schlagen vor, aus der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu machen. Von der Wirtschaft gibt es Zuspruch, die...

DWN
Politik
Politik Stephan Weil: Niedersachsens Ministerpräsident (SPD) zieht sich aus Politik zurück
01.04.2025

Stephan Weil beendet nach mehr als zwölf Jahren als Ministerpräsident von Niedersachsen seine politische Karriere. Mit einem klaren Kurs...