Politik

„Der Feind ist unbekannt“: USA wollen weltweit Truppen stationieren

Die neue, vom US-Militär ausgearbeitete Verteidigungsdoktrin verabschiedet sich vom klassischen Freund-Feind-Schema. In einem Dokument heißt es: „Der Feind ist unbekannt, die Geographie ist unbekannt und die Koalitionen sind unbekannt“. Die Antwort müsse eine weltweite amerikanische Truppen-Präsenz sein.
29.04.2015 02:44
Lesezeit: 2 min

Die USA wollen künftig eine absolut flexible Freund-Feind-Politik weltweit verfolgen. Die Armee soll auf der ganzen Welt Soldaten und Kriegsmaterial stationieren können, um möglichst schnell auf mögliche Gegner reagieren zu können. Die USA wollen so unter veränderten geopolitischen Bedingungen ihre Position als Weltmacht erhalten.

Zu diesem Zweck arbeitet die US-Militärführung an einer neuen Doktrin, die im Grunde davon ausgeht, dass der 2001 begonnene Krieg gegen den Terror auf unbestimmte Zeit weltweit geführt werden muss. Zuletzt war in den USA eine heftige Kontroverse darüber ausgebrochen, ob der US-Präsident legitimiert sei, mit dem Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang mit 9/11 jeden beliebigen Staat und jede beliebige Gruppierung militärisch zu bekämpfen. 

Mit der Ausdehnung der aktuellen Praxis wird deutlich, dass auch die laufende Ausbildungs-Mission der 173. US-Luftlandebrigade in der Ukraine nicht ein isolierter Einzelfall ist, sondern zu einer umfassenden, neuen Strategie gehört.

Die Eckpunkte der neuen Militär-Doktrin finden sich in dem von der US-Armee erstellten Dokument „Win in an Complex World 2020-2040“ findet. Das Grundkonzept geht von sich ständig ändernden Variablen aus. „Der Feind ist unbekannt, die Geographie ist unbekannt und die Koalitionen sind unbekannt“, heißt es in dem Dokument. Die USA wollen im Zuge des 21. Jahrhunderts nur noch auf Verbündete auf Zeit setzen. Jeder Freund kann zum Feind werden. Freunde und Feinde können beliebig ausgewechselt werden.

„Unterschiedliche Feinde werden traditionelle, unkonventionelle und hybride Strategien umsetzen, um die nationale Sicherheit und die Interessen der USA zu gefährden. Bedrohungen können von Nationen, nicht-staatlichen Akteuren, transnationalen Terroristen, Aufständischen und kriminellen Organisationen ausgehen“, heißt es in dem Dokument. Mehrere Prinzipien seien für künftige militärische Erfolge zu berücksichtigen. Das US-Militär müsse in den Sozialen Medien aktiv werden und die öffentliche Darstellung von Konflikten kontrollieren. Das beinhaltet auch die Fähigkeit, Hacker-Angriffen entgegenzuwirken. Der Verbreitung von Massenvernichtungs-Waffen müsse vorgebeugt werden.

Das Dokument stellt fest, dass bis zum Jahr 2030 die 60 Prozent der Weltbevölkerung in Millionen-Städten leben werde. Der „Feind“ habe es deshalb auf Metropolen abgesehen. Zahlreiche Stadtverwaltungen seien nicht im Stande, die Städte adäquat zu führen. Investitionen in die Infrastrukturen und in die Sicherheit in Verbindung mit hoher Arbeitslosigkeit und einem rapiden Bevölkerungswachstum würden die Städte angreifbar machen. Die US-Sicherheitskräfte hätten in den Städten dezentral zu agieren. Dabei handelt es sich um bewaffnete Teams und Kommando-Einheiten.

Eine besondere Bedrohung sehen die US-Vordenker in China. Schwelende Konflikte mit Taiwan, Japan, den Philippinen, Malaysia, Vietnam und Indien lassen die Chinesen als latent gefährlich erscheinen. Mit all diesen Staaten haben die USA ihre militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen in den vergangenen Jahren erweitert. Dies hat dazu geführt, dass sich die Chinesen ihrerseits von den Amerikanern bedroht fühlen. Denn in der Asien-Pazifik-Region befinden sich aktuell acht US-Militärstützpunkte.

Als zweiter großer Gegner wird Russland eingestuft. Im Ukraine-Konflikt und im Zuge der Krim-Einverleibung hätten die Russen gezeigt, wie wichtig die Bodentruppen für ihr Land seien. Darauf beruhe die Stärke der russischen Armee. Schon seit längerem bewundern die US-Geheimdienste und Nato-Offiziere ganz offen die hybride Kriegsführung von Russlands Präsident Wladimir Putin und wollen dem nun endlich etwas Brauchbares entgegensetzen.

Der Iran und Nordkorea werden als regionale Mächte eingestuft, die den USA ebenfalls schaden könnten.

Das gesamte US-Konzept setzt darauf, schon vor dem möglichen Ausbruch eines Konflikts weltweit mit Truppen präsent zu sein. Das bedeutet, dass die USA ihre Truppen in die gesamte Welt entsenden und Waffen in Verstecken und auf Stützpunkten lagern, um im Kriegsfall möglichst schnell reagieren zu können. Die Stationerung von US-amerikanischen Soldaten und Kriegsmaterial in Osteuropa im Rahmen des Militärprogramms „Atlantic Resolve“ ist in diesem Zusammenhang zu sehen.

Das US-Außenministerium entsandte im vergangenen Jahr 500 militärische Agenten ins Ausland. Die Beamten sollen für den Militär-Geheimdienst Defense Intelligence Agency tätig werden. Bisher hatte die CIA das Privileg für Auslandseinsätze.

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