Politik

Vor EU-Gipfel: Merkel will Projektbonds und mehr Europa

Lesezeit: 3 min
18.10.2012 10:35
Anlässlich des EU-Gipfels hat Angela Merkel eine Regierungserklärung abgegeben, in der sie noch einmal die Idee der Projektbonds aufnimmt und deutlich macht, welche Fortschritte bisher aufgrund der Sparpolitik erreicht worden sind. Vieles sei gerade Deutschland zu verdanken. Und dennoch: „Wir brauchen mehr Europa“ fordert sie.
Vor EU-Gipfel: Merkel will Projektbonds und mehr Europa

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Aktuell: Liveblog: Merkel oder Hollande – Wer setzt sich beim EU-Gipfel durch?

Herbstlich gekleidet trat Angela Merkel heute vor den Deutschen Bundestag, um bezüglich des EU-Gipfels die übliche Regierungserklärung abzugeben. Die Bundeskanzlerin war bei ihrer Grundsatzrede deutlich durchsetzungsfähiger und bestimmter als in den vergangenen Reden dieser Art und sie sprach sogar dem Bundestag ein Dankeschön aus. Dafür, dass bei EU-Fragen über die Parteien hinweg zusammengearbeitet wurde.

„Die Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben, sind nicht über Nacht entstanden und können deshalb nicht über Nacht gelöst werden“, betonte Angela Merkel. Es gebe nicht den einen Befreiungsschlag und auch „der Gipfel heute und morgen wird nicht der letzte sein“, sagte sie. „Die Stärkung des Euro ist ein Prozess aufeinander folgender Schritte und Maßanhmen“ und „wir können die Konturen einer Stabilitätsunion bereits erkennen.“

Dennoch sei die Rezession beispielsweise in Griechenland stärker als erwartet und Betrug und Korruption seien noch nicht vollständig eingedämmt worden, einige Reformen verlaufen im Schneckentempo. Dennoch gebe es einen ernsten Willen zur Veränderung. „Wir sollten den Bericht abwarten und nicht vorher richten“, so Merkel. Und sobald der Bericht vorliege, werde der Bundestag über die Auszahlung der nächsten Tranche entscheiden. Bezüglich Spanien verwies Angela Merkel noch einmal darauf, dass es die Entscheidung des Landes selbst sei (in den vergangenen Tagen sah das anders aus – hier).

Trotz der vielen Schwierigkeiten in Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal könne man Ergebnisse sehen. Die Lohnstückkosten seien gesunken, die Industrie beginne zum Teil wieder zu wachsen und auch die Defizite gingen zurück, so Merkel. Die Länder würden sich in vielen Punkten in die richtige Richtung bewegen. „Es ist ein Anfang gemacht, wir dürfen nicht auf halben Wege stehenbleiben“, betonte Merkel.

Die Worte Francois Hollandes sind an Angela Merkel jedoch auch nicht vorüber gegangen. Hollande, der kritisierte, Deutschland sei nicht das einzige Land, das zahle, nutzte seine Gelegenheit vor dem Gipfel zum offenen Schlagabtausch mit der Bundeskanzlerin auszuholen. Und Angela Merkel reagierte entsprechend heute auf Hollandes Kritikpunkte. So verwies sie darauf, das nur durch Reformen und stabile Haushalte Beschäftigung überhaupt entstehen könne. Und „nur, weil Deutschland an vielen Stellen vorangegangen ist, sind wir (die EU und die Eurozone, Anm. D. Red.) heute dort, wo wir sind“, unterstrich die Kanzlerin und führte den ESM als Beispiel an.

Zugleich dämpfte sie aber auch die Erwartungen für den EU-Gipfel, in dem sie sagte, dass keine konkreten Entscheidungen getroffen werden würden. Vielmehr sei der Gipfel eine Vorbereitung den kommenden Gipfel. Allerdings stellt sich die Frage, ob ihre europäischen Partner das ähnlich sehen. Den Vorschlag Schäubles, den EU-Währungskommissar zu stärken (hier) unterstützte sie noch einmal: „Ich wundere mich, dass kaum, dass wir einen neuen Vorschlag gemacht haben, schon wieder die Proteste kommen, Deutschland isoliere die Partner.“

Nicht vom Tisch scheinen auch die Projektbonds zu sein. Ein neues Element der Solidarität, so Merkel, solle ein Fonds sein, aus dem zeitlich befristete, projektbezogene Gelder in Anspruch genommen werden können. Denn nicht alle Länder würden gleichzeitig eine Haushaltskonsolidierung und notwendige Investitionen in die Zukunft schaffen. „Wir brauchen Solidarität, aber in einer neuen Form“. Gemeinsame Haftung sei die falsche Antwort, bekräftigte sie mit Blick auf Frankreichs andauernder Forderung nach Eurobonds. „Ein solcher Fonds könnte zum Beispiel aus Einnahmen einer neuen Transaktionssteuer gespeist werden" (mehr hier). „Wir brauchen mehr Europa“, fügte Merkel hinzu. Das führe zu einer Stärkung des europäischen Rates, des europäischen Parlaments und Gerichtshofs. „Hand in Hand mit mehr Integration muss es aber auch mehr demokratische Legitimität und Kontrolle geben.“

Zum Ende ihrer Erklärung würdigte Angela Merkel noch einmal den Friedensnobelpreis für die EU (der von den drei Präsidenten entgegen genommen wird – hier). Seit Bestehen der EU ging es auch immer darum, dass die europäische Einigung eine Friedensidee war, erklärte Merkel. Toleranz, Rechtstaatlichkeit, Menschrechte und Demokratie seien die bedeutenden Werte. In Europa könne auch jemand gegen eine Regierung demonstrieren, ohne das er verhaftet wird, wenn er nicht gewaltätig ist, so Merkel – sicher auch mit Blick auf ihre Griechenland-Reise vergangener Woche und ihren Antrittsbesuch in Portugal (hier). „Wenn alles richtig gemacht werde, gehe Europa gestärkt aus der Krise hervor. Es gehe darum, die Errungenschaften der Nachkriegszeit zu sichern.“

Weitere Themen

Zypern: Ratingagentur stuft Kreditwürdigkeit um drei Stufen herab

Wegen Krise: Mercedes lockt mit Abwrackprämie

Wirtschaftswachstum bedroht: USA und EU hoffen auf neues Handelsabkommen


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Finanzen
Finanzen Dispozinsen: Wie sie funktionieren und wie man sie vermeidet
05.05.2024

Dispozinsen können eine teure Überraschung für Bankkunden sein, die ihr Konto überziehen. Dieser Artikel erklärt, wie Dispozinsen...

DWN
Technologie
Technologie EU-China-Beziehung: Droht ein Handelskrieg um Elektroautos?
05.05.2024

Vor Xi Jinpings Besuch in Paris bekräftigt Deutschland seine Haltung im EU-China-Streit um E-Autos. Doch wie wird die EU reagieren?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Europameisterschaft 2024 am Arbeitsplatz streamen: Wie weit geht Arbeitgeber-Toleranz?
05.05.2024

Die Spiele der Europameisterschaft 2024 finden zu Zeiten statt, die nicht ideal für Arbeitnehmer sind. Einige Spiele starten bereits um 15...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handwerksbetriebe in Not: Geschäftslage trübt sich ein
05.05.2024

Die aktuelle Lage im Handwerk bleibt düster, mit einer spürbaren Verschlechterung der Geschäftslage im ersten Quartal 2024 aufgrund...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Politik
Politik Angriff auf SPD-Europapolitiker: Matthias Ecke in Dresden schwer verletzt
04.05.2024

Schockierende Gewalt: SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke wurde brutal angegriffen. Politiker verurteilen den Angriff als Attacke auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.