Die Anzeichen mehren sich, dass die Zentralbanken drastische Einschränkungen beim Bargeld planen. Zunächst hatten einige Vordenker die Idee eines Bargeldverbots lanciert. Vor allem Kenneth Rogoff von der Universität Harvard und Willem Buiter, der Chefökonom der Citigroup, haben in viel beachteten Papieren ihre Überlegungen dargelegt, wie man das Bargeld aus dem Geldkreislauf bekommen könnte.
In einzelnen Staaten wurden bereits konkrete Maßnahmen ergriffen - als Testläufe gewissenmaßen. So verschärft Frankreich mit einem neuen Gesetz ab dem Sommer seine Bargeldbestimmungen drastisch. Schweden, seit jeher ein Vorreiter des elektronischen Zahlungsverkehrs, setzt schon seit längerem auf die Reduktion vor Bargeld. Es ist den Bürgern dann nur noch im eingeschränkten Ausmaß möglich, Bargeld zu halten. In Griechenland wird angesichts der Krise ebenfalls eine drastische Einschränkung diskutiert, Rechnungen über 70 Euro sollen nur noch mit Scheck oder Kreditkarte gezahlt werden dürfen. Die Baader-Bank erwartet offiziell die Abschaffung des Bargelds, um zu erwartende, schmerzhafte Strafzinsen auf Sparguthaben durchzusetzen. Die Bundesbank beruhigt noch und verspricht, dass es in Deutschland auch weiterhin Bargeld geben werde.
Ende Mai wird es nun zu dem Thema eine große Tagung in London geben. Die nicht zum Alarmismus neigende Neue Zürcher Zeitung berichtet, dass ausgerechnet jene Ökonomen zu Wort kommen werden, die sich in den vergangenen Monaten als Vordenker der Bargeldabschaffung profiliert haben – nämlich Rogoff und Buiter. Außerdem sollen an der Tagung Vertreter der Notenbanken aus der Schweiz, Dänemark, der Eurozone und den USA teilnehmen. Das Ziel dieser Tagung, so die NZZ, eine „Lösung für den Notfall“ zu finden. Es ist äußerst ungewöhnlich, dass die im Grunde sehr nüchterne NZZ sich mit solchen Planspielen beschäftigt. Die Zeitung schreibt:
„Man hofft auf das Beste und bereitet sich für das Schlimmste vor. Dieses Motto gilt auch für die Geldpolitik der Nationalbank. Manche mögen darauf setzen, dass sich die Wechselkurslage allmählich «normalisiert» oder zumindest nicht mehr verschlechtert, doch eine weitere Zuspitzung dürfte eine mehr als nur marginale Wahrscheinlichkeit haben.“
Diese Erkenntnis führt die NZZ dazu, Maßnahmen zu analysieren wie man auf eine erneute, gegebenenfalls dramatisch zugespitzte Finanzkrise reagieren könnte. Wegen eines möglichen, weltweiten Bank-Runs, aber auch wegen eines weiteren Vertrauensverlust in die globalen Finanzinstitutionen steht die Abschaffung des Bargelds auch in diesem Kontext im Vordergrund. Zwar räumt die Neue Zürcher ein, dass eine vollständige Abschaffung des Bargeld zumindest in der Schweiz kaum realistische Chancen habe, weil damit die Freiheitsrechte der Bürger zu sehr eingeschränkt würden. Doch prüft die Zeitung auch zwei weitere Möglichkeiten wie das Halten von Bargeld bestraft werden könne.
Wie ernst die Lage ist zeigt der Blick in die Zukunft, den die NZZ riskiert - wenngleich auch nur als theoretisches Gedankenspiel. Demnach müsste, um die aufkommende Finanzkrise in den Griff zu bekommen, der Negativzins auf bis zu 5 Prozent erhöht werden. Dies ist eine unvorstellbar hohe Zahl und würde, so die NZZ, zu einer massiven Flucht ins Bargeld führen. Wie sehr die Strafzinsen die Anlieger jetzt schon drücken, zeigte jüngst das Beispiel der Schweizer Pensionskassen. Sie haben im großen Stil ihr Geld von der Bank abgehoben und lagern es mittlerweile in Tresoren in bar, um der finanziellen Repression zu entgehen.
Um einen solchen globalen Bank-Run zu unterbinden, wäre die radikalste Methode das Verbot von Bargeld. Dies ist sowohl in der Schweiz als auch in den USA eher unwahrscheinlich, weil die Wirtschaftssysteme dort von einem gewissen Liberalismus geprägt sind. Die Tatsache, dass aber die Frage des Bargeldverbots im Kontext mit einer globalen Tagung unter Beteiligung der wichtigen Notenbanken der USA und der EZB diskutiert wird, zeigt, dass das Problem kein regionales Problem ist mit dem sich im speziellen die Schweizer oder die Deutschen herumschlagen müssen, sondern dass es sich offenbar um eine globale Entwicklung handelt, deren Folgen es in den Griff zu bekommen gilt.
Für die NZZ gilt unter der Annahme, dass der Negativzins in den kommenden Monaten tatsächlich noch dramatisch steigen dürfte, eine Variante als möglich - nämlich, dass die Vermögensbestände an Bargeld mit einer Steuer oder einer Gebühr im Umfang des Negativzinses belegt werden sollten. Diese Idee scheint jedoch ebenfalls schwer umzusetzen, weil sie letztlich darauf hinauslaufen würde, dass alle Banknoten jährlich gestempelt werden müssten - ein kaum zu kontrollierendes Unterfangen.
Daher wird zumindest in der Schweiz eine andere Variante favorisiert. Die NZZ schreibt:
„Diese Variante umfasst die Einführung eines Wechselkurses zwischen Buchgeld und Bargeld, wobei der Kurs sich im Ausmass des gewünschten Negativzinses verändert. Würde zum Beispiel ein solches Regime mit einem gewünschten Negativzins von 3% pro Jahr heute starten, bekäme ein Bargeldbesitzer in einem Jahr nur noch 97 Rp., wenn er dann sein Geld auf ein Konto einzahlte.“
Man kann zwar davon ausgehen, dass sich die Überlegungen erst in einem frühen Stadium befinden. Dies sagt jedoch nichts über den Zustand des Finanzsystems aus. Denn in der Regel werden die großen Finanzinstitutionen fast immer auf dem falschen Fuß erwischt, wenn eine Krise erst einmal ausbricht. Die Tatsache, dass nach den ersten praktischen Testläufen nun auch umfassende theoretische Überlegungen angestellt werden, zeigt, dass die wichtigen Finanzinstitutionen die Möglichkeit eines Crashs offenbar doch sehr realistisch betrachten und sich darauf vorbereiten.
Für die Sparer bedeutet dies die Notwendigkeit von erhöhter Wachsamkeit. Es ist nicht zu erwarten, dass diese Maßnahmen über Nacht umgesetzt werden. Aber der Trend einer Besteuerung und Reduktion des Bargelds scheint unaufhaltsam zu sein. Die Möglichkeiten der Sparer und Anleger bestehen nun einerseits in einer größeren Diversifizierung, welche vor allem darauf achten sollte, keine großen Summen in einer Vermögensklasse investiert zu halten.
Dies mag für viele Sparer zwar dazu führen, dass die Verfügbarkeit der Vermögen beschränkt wird, könnte aber bei wirklich radikalen Maßnahmen eine gewisse Flexibilität beim Prozess der Schadensminimierung herstellen. Zugleich empfiehlt sich die genaue Beobachtung der weltweiten Währungsmärkte, weil nicht zu erwarten ist, dass alle Staaten gleichzeitig zur finanziellen Repression übergehen werden. Die rechtzeitige Kenntnis von Ausweichmöglichkeiten, etwa im Devisen-, Edelmetall- oder Rohstoffbereich, scheint dringender denn je.