Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Motivation steckt hinter den Versenkungs-Aktionen der Deutschen Marine gegen Flüchtlingsboote?
Bastian Fischborn: Die verlassenen Boote werden aus nautischen Gründen versenkt, da sie sonst eine Gefahr für die Schifffahrt darstellen. Sie wären aufgrund ihrer Größe und fehlender Beleuchtung bei Nacht nicht erkennbar, das gilt nicht nur bei schlechtem Wetter. Wenn ein anderes Schiff mit einem dieser Boote kollidiert oder sich einen Schaden an der Ruder- oder Antriebsanlage zuzieht, kann dies erhebliche Schäden zu Folge haben. Dieser Aspekt gilt insbesondere auch für andere Boote, die von Migranten benutzt werden, denn diese Boote sind nicht mit Radaranlagen ausgerüstet und unterliegen keiner ordentlichen Schiffsführung. Eine nächtliche Kollision eines voll besetzten Bootes mit einem verlassenen Boot kann eine Katastrophe auslösen. Ich möchte betonen: Die Deutsche Marine operiert nicht in libyschen Gewässern und auch nicht in libyschen Häfen. Die Entscheidung zur Versenkung fällt nicht aus taktischen Gründen, es handelt sich dabei auch nicht um einen Militäreinsatz im engeren Sinne. Die Deutsche Marine operiert bei der Seenotrettung im Mittelmeer unter Artikel 98 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wer gibt den Befehl zur Zerstörung der Boote?
Bastian Fischborn: Der Kommandant des Schiffes, das die Menschen aus Seenot aufnimmt, entscheidet vor Ort über die Zerstörung der Boote. Die Aktionen im Mittelmeer werden von der Seenotleitstelle in Rom koordiniert, dem Maritime Rescue Coordination Centre. Sie gibt den Kommandanten gegenüber auch an, in welchen italienischen Häfen die geretteten Menschen an Land gebracht werden sollen. Wir haben die Menschen bisher in die Häfen von Reggio Calabria und Pozzallo gebracht. Dort fallen sie dann in den Zuständigkeitsbereich der italienischen Behörden.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie lange wird der Einsatz der Deutschen Marine andauern?
Bastian Fischborn: Zunächst gingen wir von einer Einsatzdauer von 30 Tagen aus, damit würde er Anfang Juni enden. Es gibt aber Planungen, den Einsatz auch noch weiter laufen zu lassen, die abhängig sind von politischen Entscheidungen. Ein genauer Zeitraum kann aus heutiger Sicht noch nicht festgelegt werden.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Länder haben bisher Einsätze gegen Flüchtlings-Boote durchgeführt?
Bastian Fischborn: Außer den Schiffen der Deutschen Marine sind noch die französische, die britische und die italienische Marine an der Seenotrettung beteiligt, außerdem die Einheiten der EU-Grenzschutzmission Triton, die Menschen in Seenot ebenfalls zu Hilfe kommen. Die Versenkung der verlassenen Boote obliegt der Entscheidung eines jeden Schiffsführers vor Ort. Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass es sich nicht um Einsätze gegen Boote handelt. Wir helfen den Menschen, die auf diesen Booten über das Mittelmeer unterwegs sind. Die Versenkung der Boote hat nichts mit dem derzeit politisch diskutierten Vorgehen von Streitkräften an Land oder in den Hoheitsgewässern eines Staates zu tun.
Bastian Fischborn ist Korvettenkapitän und Sprecher der maritimen Einsätze der Bundeswehr/Horn von Afrika.