Mit einem Krisentreffen in Brüssel sind die Verhandlungen für die Rettung Griechenlands vor der Staatspleite in der entscheidenden Phase angelangt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der griechische Regierungschef Alexis Tsipras und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem loteten am Mittwochabend gemeinsam Kompromissvorschläge aus, berichteten Diplomaten. „Wir haben noch eine Menge Arbeit zu erledigen“, sagte der Niederländer Dijsselbloem.
Viel Zeit bleibt Athen angesichts leerer Kassen nicht mehr. Schon am Freitag ist eine Zahlung an den IWF in Höhe von 305 Millionen Euro fällig. Im laufenden Monat stehen Zahlungen an den Weltwährungsfonds von insgesamt knapp 1,6 Milliarden Euro an. Athen muss zusätzlich bis Monatsende fällige Staatsanleihen von gut 5 Milliarden Euro bedienen. Experten sehen das Land damit überfordert.
Bei dem als privat bezeichneten Treffen im Brüsseler Europaviertel kamen zunächst Juncker und Tsipras zusammen. Dann wurde Dijsselbloem, der vorher Juncker schon unter vier Augen gesehen hatte, in die Runde dazugebeten, hieß es aus EU-Quellen. Eine endgültige Vereinbarung über das von den Geldgebern geforderte Reformpaket wurde nicht erwartet.
Tsipras betonte vor seinem Abflug nach Brüssel, Griechenland habe im Tauziehen um weitere Milliardenhilfen einen Reformplan vorgelegt, der einen für alle Seiten „ehrenhaften Kompromiss“ ermögliche. Auch die EU-Kommission, die EZB und der IWF haben sich auf ein gemeinsames Angebot an Athen verständigt. Beide Vorschläge sollen nun abgeglichen werden. Ohne einen Kompromiss auf Reformen - dazu gehören auch Privatisierungen - können blockierte Hilfsgelder von insgesamt 7,2 Milliarden Euro nicht fließen.
Zuvor hatte Tsipras von Brüssel aus mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsidenten François Hollande telefoniert. Sie hätten darin übereingestimmt, dass Athen künftig in seinem Staatshaushalt nur niedrige „primäre Überschüsse“(ohne Zinszahlungen für Staatsschulden)erwirtschaften müsse, hieß es aus Athen. Dies war eine der Forderungen Griechenlands.
In EU-Kreisen war davon die Rede, dass angesichts akuter Geldnot in Athen auch Zwischenlösungen erwogen werden. Alle Optionen lägen auf dem Tisch. So könnte es darum gehen, die im Juni fälligen IWF-Kreditraten zusammenzufassen und sie erst am Monatsende von Athen zu fordern. Eine andere Möglichkeit sei eine Verlängerung des Ende Juni endenden Hilfsprogramms über den Sommer hinweg.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz glaubt nicht an einen schnellen Durchbruch. „Es wird weder heute noch morgen eine endgültige Lösung geben“, sagte er dem Tagesspiegel.
Deutschland und Frankreich suchen nach Angaben Merkels mit Hochdruck nach einer Lösung der Griechenland-Krise. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble beurteilt den Kompromissvorschlag Athens allerdings skeptisch. Er könne den Optimismus der griechischen Regierung nach wie vor nicht teilen, sagte er in Berlin.
Die EZB geht fest von einem Verbleib Griechenlands im Euroraum aus. „Es gibt einen großen Willen und eine starke Entschlossenheit, dass wir am Ende ein gutes Ergebnis finden“, sagte Notenbank-Präsident Mario Draghi in Frankfurt. In der Nacht zum Dienstag hatten Merkel und Hollande mit Juncker und IWF-Chefin Christine Lagarde sowie Draghi in Berlin einen Kompromiss ausgelotet. Details ihres „allerletzten Angebots“ wurden nicht genannt.
Nach Informationen der Welt bewegen sich die Gläubiger im Schuldenstreit auf Griechenland zu. So forderten sie bei Renten nur noch Kürzungen von einem Prozent des BIP. Zuvor hatten sie noch Einsparungen in Höhe von 1,5 Prozent verlangt. Hingegen zitierte das Handelsblatt eine gegensätzliche Stimme aus Verhandlungskreisen. „Da liegen Welten dazwischen.“
Tsipras soll nach griechischen Medienberichten bereits ein ganzes Stück von seinen Wahlversprechen abgerückt sein. Unter anderem lehne er Privatisierungen nicht mehr ab. Eine umstrittene Immobiliensteuer solle bleiben. Zudem soll es eine Mehrwertsteuerreform mit mehr als einer Milliarde Euro Mehrbelastungen für die Bürger geben.