Finanzen

Jürgen Stark: EZB macht sich zum Gefangenen der Politik

Lesezeit: 2 min
23.10.2012 13:31
Der ehemalige Chef-Ökonom der EZB hat die Vorgehensweise der EZB scharf kritisiert. Die EZB mache keine reine Geldpolitik mehr, sondern Fiskalpolitik. Sie habe die „rote Linie“ längst überschritten. Sie mache sich damit zum Gefangenen der Politik.
Jürgen Stark: EZB macht sich zum Gefangenen der Politik

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Aktuell: Ernüchterung: Spaniens Zinsen steigen wieder

Die außergewöhnlichen Maßnahmen, die die EZB bis jetzt ergriffen hat und in Form des unbegrenzten Kaufs weiterer Staatsanleihen fortsetzen wird, haben nichts mehr mit der eigentlichen Aufgabe der EZB zu tun. „Die roten Linien wurden überschritten, wenn es um die Geldpolitik geht“, sagte Jürgen Stark, das ehemalige Direktoriums-Mitglied der EZB in einem Interview mit der CNBC.  Jürgen Stark war von seinem Posten in der EZB zurückgetreten – er soll mit der EZB-Politik nicht mehr einverstanden gewesen sein.

Es sei „offenkundig, dass es nicht mehr um Geldpolitik geht, sondern dass es um Fiskalpolitik geht. Es dürfe nicht sein, „dass sich einzelne Mitgliedsstaaten zu günstigeren Bedingungen als der Markt es im Augenblick hergibt, refinanzieren können“.  Die Regeln für die EZB sind im Maastricht-Vertrag eindeutig festgelegt. Unter anderem heißt es dort in Artikel 104: „Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten  bei der EZB (…) sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken“.

Zudem müsse Mario Draghi in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am Mittwoch genau erklären, wer am Ende die Kosten dafür bezahlt, wenn die Krisenländer ihre Vereinbarungen nicht einhalten können. Am Ende wird es „der europäische Steuerzahler sein“, sagte Stark dem Handelsblatt. Anderenfalls müsse die EZB ihr Versprechen rückgängig machen und den Ländern den Hahn zudrehen, sollten sich diese nicht an getroffene Sparvereinbarungen halten.

Das hält Jürgen Stark für unwahrscheinlich. „Die EZB macht sich zum Gefangenen der Politik (und) kommt aus dieser Falle nicht ohne weiteres heraus“. Die direkte Staatsfinanzierung durch die EZB werde sogar von der Bundesregierung unterstütz, sagt Jürgen Stark und attackiert das Vorgehen der Regierung scharf: „Dahinter steht ein kurzfristiges politisches Kalkül, damit man nicht erneut sofort in den Bundestag gehen und um zusätzliches Geld bitten muss“. Es ist nicht die Aufgabe der EZB, Ländern wie Spanien oder Griechenland mit finanziellen Mitteln zu helfen.

Desweiteren dürfe die EZB ihre Geldpolitik nicht von Forderungen abhängig machen. „Wenn es ein geldpolitisches Problem gibt, dann hat die EZB keine Berechtigung und keinen Grund dazu, ihre Intervention an Bedingungen zu knüpfen“, sagte Stark der CNBC. Nicht zuletzt verringere der Aktionismus der EZB den Reformwillen der Mitgliedstaaten. Der muss aber aufrecht erhalten bleiben. In Kürze wird erwartet, dass Spanien einen formellen Antrag für Geld aus dem ESM bei der EU stellt (mehr hier). Auch Griechenland hängt noch am Tropf der EU (hier).

Jürgen Stark trat im November 2011 von seinem Amt in der EZB zurück. Er kritisiert als einer der wenigen Ökonomen offiziell die Geldpolitik der EZB. Die Einmischung der EZB in nationale Finanzangelegenheiten ist im Maastricht-Vertrag nicht vorgesehen.

Weitere Themen:

Geheime Operation: Bundesbank holt Teile der Goldreserven nach Deutschland zurück

Frankreich: Regierung will Autohersteller Peugeot retten

UN warnt: Internet fördert den Terrorismus


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Boom-Segment aktive ETFs: BlackRock startet fünf neue Fonds
07.09.2024

Blackrocks ETF-Tochter iShares erweitert ihr Angebot in Europa um fünf neue aktive ETFs. Ziel der Fonds ist es, Anlegern kostengünstige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Flexible Arbeitszeiten: Sind Vollzeitjobs ein Auslaufmodell?
07.09.2024

Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur noch eine Minderheit eine Stelle mit festen Arbeitszeiten...

DWN
Finanzen
Finanzen Derivate Erklärung: So funktionieren Zertifikate, CFDs und Optionsscheine
07.09.2024

Derivate wie Futures, Optionen, Zertifikate, Optionsscheine, Swaps und CFDs sind heftig umstritten. Einige sehen darin notwendige...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoffprojekt in Namibia könnte KZ-Gedenkstätte gefährden
07.09.2024

Deutschland unterstützt ein Großprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Lüderitz. An diesem Ort befand sich einst das erste...

DWN
Immobilien
Immobilien Tag des offenen Denkmals: 7 ungewöhnliche Monumente in Deutschland
07.09.2024

Ob Schloss Neuschwanstein oder Siegessäule: Viele Denkmäler in Deutschland sind international bekannt. Hier werfen wir einen Blick auf...

DWN
Technologie
Technologie Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab
07.09.2024

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine...

DWN
Politik
Politik Trump-Erfolg im Schweigegeld-Prozess: Urteil erst nach US-Wahl
07.09.2024

Im New Yorker Prozess wegen Schweigegeldzahlungen von Ex-Präsident Donald Trump wird das Strafmaß erst nach der Präsidentschaftswahl...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Ungesunde Ernährung bereits bei Kleinkindern weit verbreitet
07.09.2024

Laut einer aktuellen Studie ernähren sich bereits Kleinkinder zu süß und ungesund. Wie das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, ein...