Politik

Schäuble-Berater: Deutsche sollen Sonder-Steuer für Griechenland bezahlen

Wolfgang Schäuble forciert weiter den Rauswurf Griechenlands aus dem Euro. Nun schlägt einer seiner Vertrauten vor, die Deutschen sollten eine Sondersteuer zahlen, um „die Griechen“ zu retten. Viel effizienter kann man die Zustimmung zu einem Grexit in Deutschland nicht in die Höhe treiben. Der Umbau der Euro-Zone wird konkret.
16.07.2015 14:58
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, fordert die Anhebung des Solidaritätszuschlags, um die Griechenland-Rettung zu finanzieren. «Ehrlichkeit gegenüber den Wählern und Steuerzahlern und das Gebot der Generationengerechtigkeit erforderten es, zur Finanzierung des Griechenland-Programms die Steuern in Deutschland zu erhöhen oder Ausgabenkürzungen zu verabschieden», schreibt er in einem Beitrag für die FAZ.

Der «Präsident», wie ihn die dpa ehrfürchtig nennt, ist natürlich nicht irgendein unabhängiger wissenschaftlicher Spinner: Fuest ist als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium einer der engsten Vertrauten von Wolfgang Schäuble. Fuest führt mit Hans-Werner Sinn die Grexit-Fraktion in Deutschland an.

Fuests Argumentation ist sehr grundsätzlich und in sich absolut schlüssig: Wenn der Bundestag über das neue Hilfsprogramm für Griechenland entscheide, gehe es anders als bei vorangegangenen Rettungsprogrammen nicht um Kredite, sondern um Transfers - «also um Geld, das nicht zurückkommt», argumentiert der Mannheimer Ökonom. Dies ergibt sich aus der Einschätzung des IWF, dass die Schulden Griechenlands nicht tragfähig sind. Schäuble teilt diese Einschätzung, wie er am Donnerstag im DLF bestätigte:

«Sehr viele Ökonomen, übrigens auch in Griechenland zunehmend, zweifeln ja daran, dass Griechenland – hören Sie auf das, was der Internationale Währungsfonds sagt – ohne einen wirklichen Schuldenschnitt auf seine Probleme gelöst werden können. Ein wirklicher Schuldenschnitt, das ist aber völlig unstreitig, das muss man nur zur Kenntnis nehmen, oder man muss es auch wissen und zur Kenntnis nehmen, ein wirklicher Schuldenschnitt ist mit einer Mitgliedschaft in der Währungsunion unvereinbar

Damit schließt sich der Kreis. Fuest kommt zu dem Ergebnis: «Das Auflegen eines Transferprogramms für Griechenland bedeutet für die Eurozone einen grundlegenden Wandel: den Einstieg in die Transferunion.»

Genau gegen diesen Wandel ist Schäuble - und zwar seit langem und aus grundsätzlichen Gründen: Er hält eine Transferunion für nur möglich, wenn sie unter wirtschaftlich einigermaßen gleich starken Staaten geschlossen wird. Deshalb hat Schäuble den Grexit vorgeschlagen. Deshalb fährt die Bild-Zeitung seit Monaten eine beispiellose Kampagne gegen «die Griechen». Und deshalb beharrt Schäuble auch nach der angeblichen Einigung in Brüssel weiter auf dem Grexit.

Fuest, der in zahlreichen Artikeln in den vergangenen Monaten darauf hingewiesen hat, dass das Griechenland-Fiasko nicht mehr beherrschbar ist, sagte, es sei wichtig, dass die stillschweigende Einführung einer Transferunion gegenüber den Wählern und Steuerzahlern in Europa offengelegt werde. Die neuen Zahlungen an Griechenland seien keine Kredite, sondern hätten «Transfercharakter» hätten, welche die Staatshaushalte der anderen Eurostaaten belasten würden.

Wenn man von einem Gesamtvolumen der Hilfen von 84 Milliarden Euro ausgehe und annehme, dass etwa ein Viertel auf Deutschland entfalle, bedeute das eine Belastung von 22 Milliarden Euro über drei Jahre. «Das könnte beispielsweise durch die Erhöhung des Solidaritätszuschlags von 5,5 auf 8 Prozent für drei Jahre finanziert werden,» schlägt Fuest vor.

Schäuble, dessen Sprachrohr Fuest in diesem Falle ist, weiß natürlich genau, dass dies in Deutschland politisch nicht durchzusetzen ist. Wollte er es wirklich durchsetzen, hätte er gefordert, die Spitzenvermögen zu besteuern, die eine solche Transferleistung vermutlich auch stemmen können. Aber man kann sich vorstellen, dass sich die Bild-Schlagzeilen mit solch einer Expterten-Meinung faktisch wie von selbst schreiben.

Doch Schäuble Ziel ist es, den Druck auf die Euro-Retter so zu erhöhen, dass der Grexit tatsächlich erzwungen wird. In der Koalition steigt der Druck schon gewaltig. Der neue Vorschlag wird die Debatte entsprechend befeuern. Schäubles größter Trumpf ist, dass diese Entscheidung heute tatsächlich erzwungen werden kann. Nicht aus rationalen ökonomischen Erwägungen - die Euro-Politik war nie rational, sondern von allen Seiten höchst emotional. Angesichts des zu erwartenden Total-Verlusts von etwa 100 Milliarden Euro für die deutschen Steuerzahler ist die Debatte längst völlig auf die hässlich-nationalistische Ebene entgleist.

Ressentiments und Demütigungen sind längst Teil der politische Rhetorik. Eine solche Verschärfung der Tonlage, wie neulich in einer Hassrede eines CSU-Mannes im EU-Parlament, deutet auf reale Veränderungen hin, die anstehen. Nach der Einigung von Brüssel gab der Schäuble-Schwiegersohn Thomas Strobl, einer der führenden CDU-Politiker, die neue Parole für Europa aus: «Der Grieche hat jetzt lang genug genervt!» (Video am Anfang des Artikels).

Schäuble will keine Sondersteuer. Er will «den Griechen» aus dem Euro haben. Und er ist weitblickend genug, um zu wissen: Es wird nicht beim «Griechen» bleiben, der fliegt.

Die Zustimmungsraten für Schäuble und diesen Kurs liegen aktuell bei 70 Prozent. Die CDU nähert sich der 50 Prozent Marke. Sie hat die historische Chance, wieder eine Alleinregierung zu bilden. Diese Dynamik will Schäuble nutzen, um seine Vision von Europa durchzusetzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Arbeitsmarkt: Top-Berufe, die es vor 20 Jahren noch nicht gab
31.03.2025

Eine Studie von LinkedIn zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) neue Jobs und Fähigkeiten schafft, Karrieren und Arbeitswelt verändert:...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Kurs knickt nach Orcel-Aussage deutlich ein
31.03.2025

Die Commerzbank-Aktie muss nach einer starken Rallye einen Rückschlag hinnehmen. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte zuvor einen möglichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU vor Herausforderungen: Handelskriege könnten die Wirtschaft belasten – der Ausweg heißt Binnenmarkt
31.03.2025

Die protektionistischen Maßnahmen der USA und mögliche Handelskonflikte belasten die EU-Wirtschaft. Experten wie Mario Draghi fordern...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betonblock: Lego verklagt Hersteller von Anti-Terror-Betonklötzen
31.03.2025

Lego verklagt das niederländische Unternehmen Betonblock. Die Anti-Terror-Blöcke des Herstellers erinnerten zu sehr an die...

DWN
Technologie
Technologie Neue EU-Vorschriften: Plug-in-Hybriden drohen deutlich höhere CO2-Emissionen
31.03.2025

Mit der Einführung neuer, verschärfter Emissionsmessungen für Plug-in-Hybride (PHEVs) wird die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge erheblich...

DWN
Politik
Politik Marine Le Pen wegen Veruntreuung zu Fußfesseln verurteilt - FN-Chef Bardella: "Hinrichtung der französischen Demokratie"
31.03.2025

Marine Le Pen wurde in Paris wegen der mutmaßlichen Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen - das...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerk mit Speicher: Für wen sich die Investition wirklich lohnt
31.03.2025

Balkonkraftwerk mit Speicher: eigenen Strom gewinnen, speichern und so Geld sparen. Doch so einfach ist es leider nicht, zumindest nicht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Der Handelskrieg gefährdet die US-Ausnahmestellung
31.03.2025

Da Investitionen nach neuen Möglichkeiten abseits der zuletzt florierenden US-Finanzmärkte suchen, wird an der Wall Street diskutiert, ob...