Politik

Unsinn einer Studie: Das Märchen von Deutschland als Zins-Profiteur

Eine aktuelle Studie will belegen, dass Deutschland aufgrund von Zinseinsparungen auch bei einem kompletten griechischen Zahlungsausfall von der Krise profitieren wird. Auslöser der Zinssenkung für Bundesanleihen war aber die Politik der EZB, die Euro-Wirtschaft mit niedrigen Zinsen anzukurbeln. Griechenland spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle.
21.08.2015 22:46
Lesezeit: 1 min

Mit dem Beitritt zur Eurozone begann in Griechenland eine Wachstumsperiode mit einem jährlichen realen Zuwachs der Wirtschaftsleistung bis zu 6 Prozent und im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2007, dem letzten Jahr vor der Krise, sagenhaften 4,3 Prozent. Die auch für Griechenland stark gefallenen Zinsraten der EZB unterstützten diesen Boom. Damit hätte Griechenland in diesen sehr guten Zeiten sein Haushaltsdefizit einfrieren und dann abbauen müssen, um so einen gefährlichen weiteren Zuwachs der Staatsverschuldung über 100 Prozent zu bremsen bzw. schnellstens umzudrehen.

Doch die griechischen Regierungen taten genau das Gegenteil. Sie verdoppelten bis 2004 das jährliche Haushaltsdefizit von 3,7 Prozent auf 7,4 Prozent des BIP und reduzierten es danach nur sehr wenig, so dass es im Durchschnitt der Vorkrisenjahre seit 2000 bei unhaltbaren 5,5 Prozent des BIP lag. Der Staat gab mit beiden Händen Geld aus, erhöhte den bereits aufgeblasenen Beamtenapparat und schloss die Augen vor der Steuerflucht. Damit stiegen die Staatsschulden immer weiter von 97 Prozent des BIP in 2003 auf 105 Prozent in 2007. Der Crash wurde unvermeidbar und hing nur noch davon ab, wann sich der globale Kreditboom abkühlen würde und private Geldgeber nicht mehr bereit wären, den griechischen Staat zu finanzieren. Die Verantwortung für diesen haushaltspolitischen Amoklauf kann weder Deutschland noch den Europartnern angelastet werden. Die einseitigen Schuldzuweisungen an die Gläubiger, die auch in Deutschland Schule gemacht haben, gehen an den Realitäten vorbei.

Diese Daten sind hier auf einen Blick zusammengestellt (Abb. 18927).

he Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, zuletzt bis Ende 2002 als Mitglied des Vorstands und Stellvertretender Präsident. Seit 2005 Herausgeber des „Infoportals“ mit kritischen Analysen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung (globalisierungskritisch). Autor von 10 Büchern zu diesem Thema, davon zuletzt „Euro – Die unmöglich Währung“, „Ich sage nur China ..“ und „Es war einmal eine Soziale Marktwirtschaft“. Seine gesellschaftskritischen Analysen beruhen auf fundierter und langjähriger Insider-Erfahrung.

Sein Buch über das Ende der sozialen Marktwirtschaft (275 Seiten mit 176 grafischen Darstellungen) kann unter der ISBN 9783735715401 überall im Buch- und Versandhandel für 15,50 Euro bestellt werden, bei Amazon hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...