Politik

Österreich: Regierung bittet Bevölkerung um Hilfe bei Flüchtlings-Aufnahme

Lesezeit: 2 min
18.08.2015 21:08
Die Flüchtlings-Unterbringung in Österreich ist außer Kontrolle. Amnesty International kritisierte die Zustände als „unmenschliche Behandlung“, die Politik scheint resigniert zu haben. Nun bittet das Innenministerium offiziell um Hilfe und fordert die Österreicher auf, sich an der Quartiersuche zu beteiligen und den „politischen Entscheidungsträgern den notwendigen Mut“ zu geben.
Österreich: Regierung bittet Bevölkerung um Hilfe bei Flüchtlings-Aufnahme

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Sehr geehrte Österreicherinnen, sehr geehrte Österreicher!

Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betreuungsbereiches des Bundesministeriums für Inneres, möchten uns mit diesem Schreiben an Sie wenden, da bei der Suche nach Quartieren für Menschen auf der Flucht die Lösungskompetenz unseres Föderalstaates an seine Grenzen stößt und wir deshalb die Hilfe jeder und jedes Einzelnen benötigen.

Lag die Zahl der zu erwartenden Asylanträge in Österreich zu Jahresbeginn noch bei rund 40.000, müssen wir aus heutiger Sicht mit bis zu 80.000 Asylantragen für 2015 rechnen. Pro Woche suchen 1600 Menschen Schutz in Österreich. Nach geltendem Gesetz wäre der Bund lediglich in den ersten Tagen und danach die Bundesländer für die Unterbringung zuständig - ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland. Dort errichten die deutschen Bundesländer - ohne politische Debatte - neben tausenden Wohncontainern in letzter Konsequenz auch Zelte - mittlerweile für rund 10.000 Flüchtlinge.

In Österreich funktioniert die Übernahme der Asylwerber durch die Bundesländer - trotz enormer Anstrengungen der Länder und Gemeinden -noch nicht ausreichend. Von den wöchentlich 1.600 Menschen werden rund 600 von den Ländern übernommen. Die verbleibenden 1.000 müssen deshalb vom Innenministerium selbst betreut werden. Dies obwohl die Innenministerin bereits vor über einem Jahr vor einem drohenden Unterbringungsengpass gewarnt hat. In einigen Bundesländern hat mittlerweile ein positives Umdenken eingesetzt. Es wurden vereinzelt gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, die die Unterbringung erleichtern. Trotz der zahlreichen geschaffenen Plätze durch die Länder, sind die Übernahmen derzeit aber einfach noch zu wenig. Für die mangelnde Unterbringung der verbleibenden 1.000 Menschen pro Woche wird in Österreich das Innenministerium verantwortlich gemacht.

Trotz anderslautender Rechtslage versuchen wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betreuungsbereiches des Bundesministeriums für Inneres, Quartiere für diese Menschen zu organisieren. Unter Einsatz all unserer Kräfte, versuchen wir das System Grundversorgung am Laufen zu halten und stoßen dabei immer mehr an unsere Grenzen. Leider auch deshalb, da konstruktive Bemühungen, Quartiere zu realisieren und damit Menschen ein festes Dach über den Kopf zu geben, teils auf unterschiedlichen Ebenen auf Widerstand stoßen.

Dabei gibt es in einer Krise im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Man kann zusammenstehen und versuchen durch gemeinsame Anstrengungen die Herausforderung zu meistern. Oder man arbeitet gegeneinander und fokussiert sich auf den politischen Streit. Wir wollen weiter gemeinsam an Lösungen arbeiten, um zusätzliche Quartiere für obdachlose Menschen auf der Flucht zu finden.

Wir appellieren daher eindringlich an die konstruktiven Kräfte in unserem Land, ein Klima zu schaffen, in dem ein seriöser und sachlicher Dialog möglich ist und bitten alle Österreicherinnen und Österreicher, sich an der Quartiersuche aktiv zu beteiligen. Wir wollen Sie ermutigen Überzeugungsarbeit in Ihrem Umfeld zu leisten. Geben Sie Ihren politischen Entscheidungsträgern dazu den notwendigen Mut. Wir benötigen ein Zusammenstehen und Wirken aller unserer gesellschaftlichen Kräfte. In den nächsten Monaten - vor allem vor Einbruch des Winters - muss alles unternommen werden, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.

Mittelfristig ist klar, dass es zu einer Reform der asylrechtlichen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene kommen muss, da die gegenwärtige Aufteilung der Asylwerber in Europa dem Gedanken der Solidarität widerspricht und die steigende Zahl von Asylwerbern von wenigen einzelnen Nationalstaaten nicht bewältigt werden kann. Hier sind alle politischen Entscheidungsträger gefordert, einen effektiven aktiven Beitrag dazu zu leisten.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betreuungsbereiches im Bundesministerium für Inneres

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