Politik

Wagenknecht: Der Westen hat den Nahen Osten destabilisiert

Lesezeit: 3 min
11.09.2015 22:29
In einem Positionspapier fordern Sarah Wagenknecht und Dietmar Bartsch, der Westen müsse sofort alle Maßnahmen ergreifen, um die totale Anarchie im Nahen Osten zu stoppen. Die Linke ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die sich konkret mit dem Krieg in Syrien und im Irak als Ursache für Flucht und Vertreibung auseinandersetzt.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In einem Positionspapier fordert die Linkspartei, Deutschland müsse endlich tätig werden, um den Krieg im Nahen Osten zu stoppen. Wir dokumentieren die Stellungnahme im Wortlaut:

Die aktuelle Zahl der Flüchtlinge ist weltweit mit knapp 60 Millionen so hoch wie seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Die meisten von ihnen sind in ihren Heimatländern oder innerhalb von Krisenregionen auf der Flucht. Nach Deutschland kamen bis Ende August über 400.000 Flüchtlinge, doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2014. Westliche Staaten unter der Führung der USA haben ganze Regionen destabilisiert, indem sie unter anderem Terrororganisationen möglich gemacht und instrumentalisiert haben. Mörderbanden, wie z.B. der Islamische Staat (IS), wurden indirekt unterstützt und auch von mit Deutschland verbündeten Ländern ungehindert mit Geld und Waffen beliefert. Millionen Menschen wurden so brutalen Kriegen und Bürgerkriegen ausgesetzt. Aus Syrien, aber auch aus anderen Kriegs- und Krisengebieten werden viele weitere Flüchtlinge erwartet. Um die Situation der Menschen in den Herkunftsländern zu verbessern und Fluchtursachen zu beseitigen, ist eine Kurswende in der herrschenden Politik notwendig. Bundesregierungen unter Beteiligung von CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEN haben sich an Interventionskriegen und Regime- Change-Politik direkt beteiligt oder sie indirekt unterstützt. Waffenexporte wurden und werden ausgeweitet. Zusätzlich wird aus Profitgier durch Freihandelsabkommen, unfaire Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und subventionierte Nahrungsmittelexporte die Herausbildung tragfähiger wirtschaftlicher Strukturen in den betroffenen Ländern unterbunden. Diese unverantwortliche Politik muss sofort beendet werden.

Klar ist: Mit der Integration von Hundertausenden von Flüchtlingen stehen der deutsche Staat und die Zivilgesellschaft vor einer großen Herausforderung, die es zu meistern gilt. Doch bislang entzieht sich der Bund seiner Verantwortung und bürdet die Aufgabe und die Kosten der Flüchtlingsaufnahme und Unterbringung vor allem den Ländern und Kommunen auf. Dies und eine völlig unzureichende Planung haben mit zu inakzeptablen Notunterbringungen geführt, die eines reichen Landes unwürdig sind. Die Überforderung einzelner Städte und Kommunen bildet auch einen Nährboden für gefährlich erstarkte rassistische Proteste und Übergriffe gegen Flüchtlingsheime sowie ablehnende Haltungen in Teilen der Bevölkerung.

Die Bundesregierung hat versagt. Vor allem dem Engagement vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer, Kommunalpolitikerinnen und -politiker ist es zu danken, dass es bislang nicht zu noch größeren Katastrophen gekommen ist. Die große Offenheit und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung dürfen nicht dadurch gefährdet werden, dass ‚gute‘ gegen ‚schlechte‘ Flüchtlinge ausgespielt werden. Dem Gerede über einen angeblich verbreiteten Asylmissbrauch muss sofort Einhalt geboten werden. Wir brauchen faire und schnelle Asylverfahren und wirksamen Schutz für alle, keine weiteren Gesetzesverschärfungen. Europa darf nicht zur Festung ausgebaut werden. Das überwältigend große Engagement vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer bei der Flüchtlingsaufnahme müssen wir stärken und mit guten staatlichen Aufnahmestrukturen vor Ort verbinden. Dies ist ohne weitere Belastung von 99 Prozent der Bevölkerung durch höhere Steuern für Millionäre und große Konzerne im Rahmen einer sozial gerechten Steuerreform oder kurzfristig durch Verwendung der Haushaltsüberschüsse finanzierbar.

DIE LINKE im Bundestag fordert außerdem:

I. Fluchtursachen bekämpfen – das erfordert:

deutsche Rüstungsexporte sofort zu stoppen;

keine weitere Beteiligung an Kriegen und NATO-Militärinterventionen;

den USA nicht weiter zu erlauben, auf deutschem Boden Flughäfen und militärische Einrichtungen zur Führung ihrer Kriege zu unterhalten;

eine friedliche Außenpolitik, die nicht weiter auf völkerrechtswidrige Regime-Changes und die Destabilisierung von Staaten mittels Sanktionen, die die Bevölkerung treffen, setzt;

endlich die selbst auferlegte Verpflichtung zu erfüllen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen;

neoliberale Wirtschaftspartnerschaftsabkommen und Freihandelsabkommen auszusetzten und Verhandlungen über weitere Abkommen, wie z.B. TTIP, zu stoppen;

die Ernährungssouveränität der Staaten zu stärken, indem diese das Recht erhalten, ihre heimischen Nahrungsmittelmärkte vor Importen zu schützen;

den deutschen Beitrag für das Welternährungsprogramm in Höhe von rund 162 Millionen Euro im Rahmen der Syrienkrise auf 500 Millionen Euro aufzustocken.

II. Sofortprogramm für Flüchtlinge

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat ein 10-Punkte-Papier zu den aktuellen Herausforderungen in der Asylpolitik ausgearbeitet. Gefordert wird darin insbesondere:

die Flüchtlingsaufnahme in die maßgebliche Verantwortung des Bundes zu legen, der die Kosten für die Dauer des Asylverfahrens und für eine Übergangszeit nach der Anerkennung übernimmt, damit Länder und Kommunen sich auf die Integration vor Ort konzentrieren können;

den Grundsatz der Integration von Beginn an gelten zu lassen, da die Mehrheit der Asylsuchenden dauerhaft in Deutschland bleibt. Sie brauchen Zugang zu Sprachkursen und eine gezielte Arbeitsförderung; ausgrenzende Gesetze wie das Asylbewerberleistungsgesetz, die Residenzpflicht, diverse Arbeitsverbote und dergleichen sind aufzuheben sowie effektive Maßnahmen gegen Lohndumping für alle Arbeitnehmer in Deutschland einzuführen;

Flüchtlinge vorrangig dezentral und in eigenen Wohnungen unterzubringen. Erforderlich ist ein starkes soziales Wohnungsbauprogramm für alle Menschen mit geringem Einkommen;

ein grundlegender Wandel in der EU-Asylpolitik. Das Massensterben an den EU- Außengrenzen, die Errichtung immer neuer Grenzzäune und das unwürdige Hin- und Herschieben von Flüchtlingen müssen gestoppt werden. Schutzsuchende brauchen legale und sichere Einreisewege. Sie sollen ihr Aufnahmeland selbst bestimmen können, nur so können bestehende familiäre Bindungen und vorhandene Sprachkenntnisse positiv genutzt werden.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch kurz vor 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag hat die wichtigste Kryptowährung direkt nachgelegt. Seit dem Sieg von Donald...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Dividenden leben? So erzielen Sie ein passives Einkommen an der Börse
21.11.2024

Dividenden-ETFs schütten jedes Jahr drei bis vier Prozent der angelegten Summe aus. Wäre das auch was für Ihre Anlagestrategie?...

DWN
Politik
Politik Weltstrafgericht erlässt auch Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant - wegen Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen
21.11.2024

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den früheren...

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...