Politik

Eskalation: Ungarn schließt Lager und karrt tausende Flüchtlinge nach Österreich

Die Lage zwischen Österreich und Ungarn scheint zu eskalieren: Die Regierung hat offenbar das Lager Röszke geschlossen und bringt nun die Flüchtlinge mit Zügen an die österreichische Grenze. Österreich hat erst vor wenigen Stunden seine Grenzen geschlossen und die Armee mobilisiert.
14.09.2015 13:47
Lesezeit: 1 min

Die ungarischen Behörden räumen offenbar das Flüchtlingslager Röszke an der serbischen Grenze. Tausende Menschen würden mit Zügen in Richtung österreichische Grenze gebracht, meldet Reuters. Über Röszke gelangten bislang jeden Tag Tausende Flüchtlinge auf dem Weg in die EU nach Ungarn.

Am Montag verstärkte Ministerpräsident Viktor Orban den Grenzschutz im Süden des Landes mit fast 900 Polizisten. Ungarn hat angekündigt, ab Dienstag jeden festzunehmen, der illegal über die Grenze ins Land gelangt. Asylbewerber sollen in Lagern untergebracht werden. Ab Montagmittag bis zum 30. September sollen zudem im ganzen Land die Kontrollen der Polizei verschärft werden. Dies sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Kriminalitätsbekämpfung nötig, teilte die Polizei mit.

Nachdem an der österreichisch-ungarischen Grenze bei Heiligenkreuz die Lage wegen des Flüchtlingsansturms eskaliert war, hatte Österreich die Reißleine gezogen und angesichts des dramatisch gestiegenen Zustroms von Flüchtlingen ebenso wie Deutschland Grenzkontrollen ein. "Deutschland hat ein Signal gesetzt. Wenn Deutschland Grenzkontrollen einführt, muss auch Österreich das tun", sagte Österreichs Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Montag.

Offenbar hat Ungarn die Flüchtlinge gezielt nach Österreich gebracht: „Für uns sah es so aus, als ob die ungarischen Behörden diese Menschen loswerden wollten“, zitiert Die Presse den Polizeisprecher. Statt der sonst üblichen 40 bis 50 Flüchtlinge kamen bis Montagmittag 4500 über die Grenze.

Innenministerin Mikl-Leitner kündigt an, dass die temporären Kontrollen „so schnell als möglich“ beginnen werden. Man werden je nach Lage entscheiden, „an welchen Grenzübertritten wir das schwerpunktmäßig machen.“ Österreich hat weiterhin einen massiven Zustrom an Flüchtlingen. "Es kommen Tausende in Österreich an, zur Stunde sind etwa 18.000 Flüchtlinge in Österreich", sagt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. An der ungarisch-österreichischen Grenze in Nickelsdorf sind nach Polizeiangaben derzeit etwa 9000 Flüchtlinge.

Die Regierung hat angesichts der sich zuspitzenden Lage das Bundesheer mobilisiert: Zweitausend Mann des Bundesheers sollten vor allem humanitäre Hilfe im Inneren leisten, sagte Bundeskanzler Werner Faymann. Die Soldaten sollten jedoch auch an der Grenze eingesetzt werden und die Polizei bei Kontrollen unterstützen. Wenn nun tatsächlich tausende neue Flüchtlinge auf ungarischer Seite an die Grenze gebracht werden, könnte das Bundesheer allerdings mit der Bewachung der Grenze weitgehend ausgelastet sein.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnt vor einer lebensgefährlichen Situation für Flüchtlinge in Ungarn. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr österreichischer Amtskollege Werner Faymann dürften ihre „Menschenrechte zuerst“-Haltung nicht durch überfallartige Grenzschließungen oder Bahnsperren infrage stellen, forderten beide Organisationen.

Doch durch Warnungen wie dieser besteht die Gefahr, dass die Flüchtlinge in Unruhe geraten und so schnell wie möglich Ungarn verlassen wollen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Wenn Märkte überhitzen: Droht der Small-Cap-Rally das Aus?
13.07.2025

US-Anleger stürzen sich auf kleine Firmen – ein alarmierendes Zeichen. Warum Euphorie an der Börse oft das Ende markiert und was das...

DWN
Panorama
Panorama 100 Jahre Rolltreppe: Aufstieg in 30 Sekunden
13.07.2025

Die Rolltreppe ist allgegenwärtig – und doch übersehen wir oft ihre faszinierende Geschichte. Seit 100 Jahren bewegt sie Menschen durch...

DWN
Technologie
Technologie The bright, bright future ahead (AI): Bringt künstliche Intelligenz uns eine bessere Zukunft?
13.07.2025

Es geht Schlag auf Schlag. Bald, so hört man, haben wir die AGI (artificial general intelligence) und danach kommt die Superintelligence....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Geschäftsideen schützen: Mehr Umsatz für Unternehmen mit Patenten und Marken
13.07.2025

Mehr als 50-Prozent mehr Umsatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationen schützen – warum cleverer Schutz der...

DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...