Politik

Merkel entmachtet de Maizière: Kanzleramt übernimmt Koordination der Flüchtlinge

Lesezeit: 2 min
07.10.2015 01:33
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die politische Kompetenz für die Flüchtlingskrise an das Kanzleramt gezogen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière bliebt nur noch die operative Ausführung. De Maizière hatte sich zuletzt indirekt kritisch über die aktuelle Politik von Merkel geäußert.
Merkel entmachtet de Maizière: Kanzleramt übernimmt Koordination der Flüchtlinge

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Bundeskanzlerin Angela Merkel entmachtet in der Flüchtlingskrise Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Wie es am Dienstagabend aus Regierungskreisen in Berlin verlautete, soll die politische Gesamtkoordination künftig im Kanzleramt gebündelt werden. Zuständig dafür solle Kanzleramtschef Peter Altmaier sein, bestätigten mehrere Regierungsvertreter laut Reuters. Einen Beschluss dazu wolle das Kabinett am Mittwoch fassen. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere solle „gestärkt“ und „entlastet“ werden, hieß es.

Das ist freilich nur eine Beschönigung der Tatsache, dass de Maizière faktisch entmachtet wird. Zwischen Merkel und dem Innenminister hatte es in den vergangenen Tagen immer deutlichere Widersprüche gegeben: De Maizière, an den immer mehr Klagen auch aus den Reihen der Behörden über die unhaltbare Situation mit der unkontrollierten Anwesenheit von tausenden Flüchtlingen gedrungen sind, hatte versucht, den Einladungs-Kurs der Kanzlerin in geordnete Bahnen zu leiten. Zuletzt hatte der Innenminister ungewöhnlich offen über die Missstände gesprochen, die sich in Gewalt und einer offenbar weitverbreiteten Nicht-Befolgung der Gesetze durch einzelne Flüchtlinge ausdrückt.

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, wirft der Politik vor, Berichte über Gewalt und sexuelle Übergriffe in Asyl-Unterkünften herunterzuspielen. „Mein Eindruck ist, dass insbesondere in den Ländern viel verharmlost wird“, wiederholte Wendt seine bereits im DWN-Interview geäußerten Vorwürfe. Die Lage- und Ereignisberichte der Polizei sprächen eine eindeutige Sprache, sagte Wendt der Nachrichtenagentur Reuters. Es sei zwar verständlich, dass die Politik versuche, die Lage zu beruhigen. „Aber da ist schon viel Verniedlichung dabei“, monierte Wendt. Wenn Polizisten nachts auf der Straße stünden und beispielsweise Syrer und Afghanen aufeinander einschlügen, habe das „nichts mit Gerüchten zu tun“, sagte Wendt. „Die Innenminister wären gut beraten, mal ihre eigenen Lageberichte zu lesen.“

Angela Merkel möchte jedoch ihren bisherigen Kurs der offenen Grenzen beibehalten und zieht daher nun Kompetenzen vom Innenminister ab.

Während Altmaier politisch die Führung bei dem Thema übernehme, solle sich de Maizière wie bisher um die operative Bewältigung der Flüchtlingskrise kümmern. Dazu übernehme er ebenfalls eine Koordinierungsfunktion zwischen den Ministerien. Die anderen Ressorts seien künftig verpflichtet, daran mitzuarbeiten. Dem Eindruck, der Innenminister werde dadurch geschwächt, wurde in der Regierung naturgemäß widersprochen. Bei anderen Themen liege die Koordination letztlich auch im Kanzleramt, hieß es. Die Vorschläge seien mit dem Innenministerium abgestimmt.

De Maizière hatte in den vergangenen Wochen vor allem in der Union sehr viel Lob für seinen Einsatz und seine realistische Sicht auf die Probleme erhalten. Angela Merkel vertritt dagegen die Auffassung, der „Herrgott“ habe Deutschland das „Problem auf den Tisch gelegt“ - daher müsse man sich weiter anstrengen und dürfe sich nicht „wegducken“.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...