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Konkurrenz aus China: Stahlindustrie sendet Hilferuf an die EU

Die Stahlindustrie in Deutschland und in Europa fordert mehr Unterstützung von der EU gegen die Konkurrenz aus China. Die EU brauche für die Verhängung von Strafen und Zöllen etwa gegen Dumpinglöhne viel zu lange. Zudem gehe eine zu engagierte CO2-Politik zu Lasten der Stahlbranche.
19.11.2015 00:32
Lesezeit: 2 min
Konkurrenz aus China: Stahlindustrie sendet Hilferuf an die EU
Seit 2011 sind die Umsatzerlöse in der deutschen Stahlindustrie rückläufig. (Grafik: Wirtschaftsvereinigung Stahl)

„Über die Stahlindustrie sind weltweit dunkle Wolken aufgezogen. Auch die wettbewerbsstarke Stahlindustrie in Deutschland kann sich davon nicht vollständig entkoppeln“, sagte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, anlässlich der Jahrestagung „STAHL 2015“. Grund dafür sei vor allem die Konkurrenz aus China. Kerkhoff rechnet damit, dass das Land im nächsten Jahr trotz der schon seit Jahren herrschenden Überkapazitäten die 400-Millionen-Tonnen-Grenze überschreiten werde. „Die EU Handelsschutz-Verfahren müssen deshalb konsequenter angewendet und schneller durchgeführt werden“, so Kerkhoff.

Zuvor hatte sich bereits der Branchenverband Eurofer in einem Brief an die EU-Kommission gewandt. Darin beklagten der Verband und mit ihm zahlreiche Stahlunternehmen wie ArcelorMittal, Tata Steel, ThyssenKrupp Steel, SSAB, Voestalpine  sowie die Salzgitter AG die Trägheit der Kommission. „Europa benötigt eine schnelle Modernisierung der handelspolitischen Schutzinstrumente“, heißt es in dem Brief. Derzeit könne es bis zu eineinhalb Jahre von einer Beschwerde hin zu einer Anti-Dumping-Entscheidung der Kommission dauern. Das sei zu langsam. „Unsere Partner können Werkzeuge für den Schutz des Handels mit Stahl wesentlich schneller und effektiver einsetzen.“

So würden die niedrigen Preise für Produkte aus China und Weißrussland etc., die den EU-Markt überschwemmten, die Stahlindustrie stark treffen und den Jobverlust Tausender verantworten. Seit 2008 habe der Stahlsektor mindestens 85.000 Arbeitsplätze verloren. Das entspricht 20 Prozent der Belegschaft. Allein im vergangenen Quartal gingen 5.000 Arbeitsplätze verloren. „Um unmittelbar bevorstehende, irreparable Schäden an der europäischen Stahlindustrie zu vermeiden, müssen die politischen Entscheidungsträger unverzüglich Maßnahmen ergreifen.“

Sorgen bereiten der Stahlindustrie aber auch die klimapolitischen Ziele. So weisen der Wirtschaftsvereinigung Stahl zufolge die Stahlimporte aus China mehr CO2-Emissionen auf, als es die Produktion derselben Menge in der EU haben würde. „Das zeigt, dass einseitige Klimaschutzbemühungen zu nichts führen“, sagt Kerkhoff. „Die Konferenz in Paris wird nur dann ein Erfolg sein, wenn es zu messbaren und vergleichbar ambitionierten Beiträgen aller Staaten mit unmittelbarer Wirkung auch für die jeweilige Stahlproduktion kommt.“ Vor dem aktuellen Hintergrund könnte die europäische Stahlindustrie keine weiteren Belastungen durch die Energie- und Klimapolitik verkraften.

In den vergangenen 15 Jahren hat die europäische Stahlindustrie immer mehr Marktanteile verloren. So liegt der Anteil der EU an der weltweiten Produktion der EU-Kommission zufolge nur noch bei 10 Prozent. 2001 waren es noch 22 Prozent. Chinas Anteil liegt bei etwa 50 Prozent. „Die Überkapazitäten der Stahlindustrie in China betrug 2014 etwa 340 Mio. Tonnen, d. h. mehr als das Doppelte der Rohstahlproduktion der EU im gleichen Jahr (169 Mio. Tonnen).“

Aufgrund der weltweiten Überproduktion hat der österreichische Konzern Voestalpine Anfang November seine Gewinnziele deutlich herabsetzen müssen. ThyssenKrupp kündigte neue Sparmaßnahmen im Umfang von 100 Millionen Euro jährlich an. Die 31-Stunden-Woche soll bis 2018 weiterlaufen, um zusätzliche Stellenstreichungen zu vermeiden. Und der Stahlhändler KlöCo gab Ende Oktober Verluste im Umfang von 75 Millionen Euro bekannt. In Deutschland lag 2014 die Rohstahlerzeugung bei 42,9 Millionen Tonnen. Seit 2011 sind die Umsatzerlöse rückläufig. Lagen diese 2008 noch bei 51,5 Milliarden Euro, waren es im vergangenen Jahr noch 40,1 Milliarden Euro.

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