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Die Geldschwemme der EZB kann Europas Konjunktur nicht beleben

Die Geldschwemme der EZB ist wirkungslos: Sie erreicht die Realwirtschaft nicht, weil Kredite an Unternehmen überreguliert sind, Spekulationen dagegen weiter ungebremst getätigt werden können. Sie EZB sitzt in der Falle - das billige Geld kann die Wirtschaft nicht beleben.
06.12.2015 23:47
Lesezeit: 3 min
Die Geldschwemme der EZB kann Europas Konjunktur nicht beleben
Die Grafik der Bundesbank zeigt, dass kurz- und langfristige Kredite für Unternehmen seit der Finanzkrise nur noch eine Nebenrolle spielen. (Grafik: Bundesbank)

EZB-Präsident Mario Draghi verstärkt in diesen Tagen erneut die Geldschwemme. Der Kauf weiterer Milliarden an Staatsanleihen durch die Zentralbank soll das Finanzierungspotenzial der Banken vergrößern und in der Folge die Konjunktur beleben. Dies kann nicht gelingen und in der EZB wird man sich weiter wundern, wieso „Quantitative Easing“ in den USA genützt hat und in Europa versagt. Dabei liegt die Erklärung auf der Hand.

Die Geldschwemme stößt an die Staumauer Basel III

Die Milliarden kommen in den Unternehmen und in den Privathausalten nicht an, weil die Banken aufgrund der Regeln von Basel III und zahllosen Auflagen der Finanzmarktaufsichtsbehörden kaum Kredite vergeben.

Das in der EU mit der Richtlinie CRD IV und der Verordnung CRR umgesetzte Regelwerk zwingt die Institute eine enorm hohe Eigenkapitalquote vorzuhalten.

In der aktuellen Wirtschaftslage sind hohe Gewinne von den Banken nicht zu erzielen und das Publikum ist nicht bereit, Bankenaktien in großem Stil zu kaufen. Somit können die Kreditinstitute kaum zusätzliches Eigenkapital aufbauen und müssen daher mit dem vorhandenen Kapital das Auslangen finden.

Die Folge: Man reduziert und hält das Kreditvolumen in der Größenordnung, für die das verfügbare Eigenkapital den Basel-III-Regeln gemäß reicht. Dieser Prozess hat bereits vor dem Inkrafttreten der Regeln am 1.Jänner 2014 begonnen und setzt sich nun angesichts der immer strenger werdenden Auflagen verstärkt fort.

Zudem bestimmt Basel III, dass nur Kunden mit hoher Bonität finanziert werden: Man bekommt nur einen Kredit, wenn man ihn nicht unbedingt braucht.

Fazit: Die Geldschwemme der EZB stößt an die Staumauer Basel III.

Die dramatischen Folgen

Für die europäischen Unternehmen und im Besonderen für die dominierende Masse der KMU, der kleinen und mittleren Unternehmen, spielt die Kreditfinanzierung eine entscheidende Rolle. Dies gilt für die laufend zu finanzierenden Betriebsmittel, aber vor allem für die Investitionen, die entscheidend für die Konjunktur und die Beschäftigung sind.

In einer derart strukturierten Wirtschaft hat eine Kreditbremse weit gravierendere Folgen als etwa in den USA, wo der Anteil der Fremdfinanzierung über Banken weit geringer ist. Eine Faustformel besagt, dass in vielen europäischen Unternehmen die Relation 75 Prozent Kreditfinanzierung zu 25 Prozent Eigenkapitalfinanzierung beträgt, in den USA hingegen meist die umgekehrte Relation zugunsten des Eigenkapitals zu beobachten ist.

Man darf sich also nicht wundern, dass Europa die Flaute nicht überwindet, zumal bereits das 2004 beschlossene Vorgänger-Regularium Basel II die Kreditvergabe erschwert hat.

Kaum Alternativen

Die größeren Unternehmen können sich helfen: Die Ausgabe von Aktien, die Begebung von Anleihen und die Umsetzung von Sonderkonstruktionen etwa im Rahmen von Konzernen entschärfen das Problem, der verbleibende Kreditbedarf ist unschwer zu bedecken.

Diese Möglichkeiten haben die KMU nicht, da sie in der Regel nicht kapitalmarktfähig sind. Die verschiedentlich angebotenen Alternativen sind nicht in der Lage, den traditionellen Kreditmarkt zu ersetzen: Mittelstandsanleihen, KMU-Beteiligungsfonds und Leasing-Modelle bilden interessante, aber oft nicht ausgereifte Initiativen, die noch kein ausreichendes Volumen ermöglichen.

Die Konsequenzen

- Notwendig wäre die Entschärfung der Basel-III-Regeln. Stattdessen wird auf europäischer Ebene über noch höhere Kapitalquoten diskutiert.

- Nachdem die Kreditfinanzierung erschwert wurde und eine Erleichterung nicht zur Debatte steht, müsste die Aufnahme von Beteiligungskapital begünstigt werden: Hiefür sind vor allem steuerliche Erleichterungen erforderlich, da in den meisten europäischen Staaten die Verzinsung von Eigenkapital über Ausschüttungen und Dividenden gegenüber der Verzinsung von Fremdkapital diskriminiert wird.

- Die in der EU aktuell geplante Verringerung der Vorschriften bei der Erstellung von Prospekten durch kleinere Unternehmen wird nicht genügen.

- Das Problem kann man auch nicht lösen, indem man die Beteiligung durch viele Anleger „Crowdfunding“ nennt, ohne die steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern.

- Die Geldschwemme von Mario Draghi kann nicht wirken.

Das gefährliche Paradoxon

Ausgelöst wurde der Regulierungseifer durch die Finanzkrise 2008. Diese wurde allerdings durch gewagte Spekulationen und die Bündelung und den Verkauf von Krediten verursacht. Basel III bremst nun die Vergabe von Krediten an die Masse der Unternehmen, unterbindet aber nicht die Spekulation.

Die hohen Kapitalvorschriften stellen vielmehr eine Einladung zur Spekulation dar: Man hofft mit riskanten Geschäften doch hohe Gewinne zu machen, die das Eigenkapital stärken. Vollends paradox wird die Finanzpolitik aber durch die Aufforderung der Aufsichtsbehörden an die Banken, doch Kredite zu bündeln und zu verkaufen, um das Risiko zu verringern.

Man vergisst, dass diese Auslagerungen nicht zuletzt deshalb zu extremen Verlusten geführt haben, weil die Kredite nicht mehr von professionellen Kreditreferenten betreut, sondern von Computern ohne Rücksicht auf die Situation der Kunden bei Problemen fällig gestellt wurden.

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der österreichische Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF. 

 

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