Der Erfolg der amerikanischen Wirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg zeige, dass Wohlstand möglich ist, „ohne die Arbeiter zu erniedrigen und die Reichen zu verhätscheln“, schrieb Nobelpreisträger Paul Krugman am Sonntag in der New York Times. Er schwärmt von den 50er Jahren. Damals betrug der Spitzensteuersatz 91 Prozent, und die Gewerkschaften waren viel mächtiger als heute. „Das können wir wieder so machen“, fordert der einflussreiche Ökonom. Die Reichen müssten wieder ihren „fairen Anteil“ beitragen und die Arbeiter „anständige Löhne“ bekommen. Nur dies führe zu Wohlstand.
In den 1950er Jahren lag der Spitzensteuersatz bei 91 Prozent, und die Steuereinnahmen aus Unternehmensgewinnen waren gemessen am Bruttoinlandsprodukt doppelt so hoch wie heute. „Auch waren die Steuern nicht die einzige Last, die reiche Unternehmer zu ertragen hatten“, ergänzt Krugman. Starke Gewerkschaften hätten damals über eine Verhandlungsmacht verfügt, die heute schwer vorstellbar sei. Sie verhandelten mit der Unternehmensführung auf Augenhöhe. Diese Umstände hätten zu wirtschaftlichem Wachstum geführt, von dem alle profitiert hätten, schwärmt der Ökonom. Allerdings seien die Führungskräfte der 50-er Jahre im Vergleich mit heute „relativ verarmt“ gewesen.
Das sei heute völlig anders: Die Unternehmer hätten Landhäuser, „Armeen von Dienern“ und große Yachten, kritisiert Krugman. Und wer politisch dagegen vorgehen wolle, dem schlage „‚Sozialismus‘-Geschrei“ entgegen. Die von Barack Obama im Wahlkampf angedrohten „bescheidenen Steuererhöhung auf hohe Einkommen“ wurden von seinem Herausforderer als schädlich für die Wirtschaft bezeichnet. Doch den Befürwortern niedrigerer Steuern wider spricht der Nobelpreisträger vehement. Wer von derartigen Auffassungen „besessen“ sei, den steckt er in eine Schublade mit Nostalgikern, die sich nach einer Zeit sehnen, in der Frauen, Minderheiten und Schwule unterdrückt wurden.
Doch Krugmans Argumentation beruht auf einer inkorrekten Darstellung der Geschichte. Der wirtschaftliche Boom nach dem zweiten Weltkrieg ist nicht auf hohe Steuern zurückzuführen. Der Grund für den Boom ist offensichtlicher. Ressourcen wurden nicht länger für einen langen, unprofitablen und zerstörerischen Krieg verbraucht. Außerdem muss sich Krugman die Frage stellen lassen, ob es tatsächlich „fair“ ist, wenn man nur 10 Prozent seines Einkommens behalten darf.
Der Nobelpreisträger für Ökonomie vertritt offenkundig die Ansicht, dass der Staat das eingenommene Steuergeld wirtschaftlich sinnvoller einsetzt als diejenigen, die es erarbeiten. Doch Politiker können mit Geld nicht umgehen, meint der Steuerexperte Bernd Wehberg: Er warnt vor einer Wiederbelebung der Vermögensteuer in Deutschland (mehr hier).