Politik

Türkei: EU finanziert Haftzentren für Flüchtlinge

Lesezeit: 1 min
16.12.2015 10:25
Die Türkei hat hunderte Flüchtlinge festgenommen und in Haftzentren gebracht, so der Vorwurf von Amnesty International. Offenbar werden diese Einrichtung mit EU-Geldern betrieben. Die Flüchtlinge hätten die Wahl: Entweder sie bleiben auf unbestimmte Zeit in Haft oder sie kehren in ihre Heimatländer zurück
Türkei: EU finanziert Haftzentren für Flüchtlinge

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty hat der Türkei vorgeworfen, seit September hunderte Flüchtlinge an der Westgrenze der Türkei festgenommen und in Haftzentren im Süden und Osten des Landes gebracht zu haben. Das geht aus einem neuen Bericht unter dem Titel „Europe’s Gatekeeper“ (Europas Türhüter) hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Die Türkei stelle die Menschen „vor eine unmenschliche Wahl: Entweder sie bleiben auf unbestimmte Zeit in Haft, oder sie kehren in ihre Heimatländer Syrien und Irak zurück, wo ihnen Verfolgung, Folter und Tod drohen“, erklärte Wiebke Judith, Asyl-Expertin bei Amnesty in Deutschland.

Damit verstoße die Türkei „eindeutig gegen internationales Recht“ und handele „im starken Kontrast zu ihrer bisherigen sehr humanitären Haltung“, erklärte Judith weiter. Flüchtlinge hätten Amnesty International davon berichtet, dass ihnen in der Haft jeder Kontakt zur Außenwelt verboten worden sei. Deswegen sei von einer hohen Dunkelziffer an ähnlichen Fällen auszugehen, fügte Judith hinzu.

Flüchtlinge zeigten Amnesty Hinweisschilder von Betten und Regalen aus einem Haftzentrum, in dem sie gefangen gehalten wurden. Diese belegen dem Bericht zufolge, dass die Einrichtung mit EU-Geldern betrieben wird. Es sei „schockierend“, dass die Europäische Union Haftzentren für Flüchtlinge in der Türkei finanziere, erklärte Judith. EU-Vertreter in Ankara hätten Amnesty International außerdem bestätigt, dass es sich bei sechs geplanten Aufnahmezentren für Flüchtlinge, die die Türkei im Rahmen des neuen Aktionsplanes mit EU-Mitteln einrichtet, „in Wahrheit um Haftzentren handelt“.

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag forderte Amnesty die EU-Staaten dazu auf, eine unabhängige Überwachung des Aktionsplans der EU und der Türkei einzurichten. Die Türkei müsse aufhören, „Flüchtende unrechtmäßig festzuhalten und sie zu zwingen, dorthin zurückzukehren, wo ihr Leben in Gefahr sei, erklärte Judith. Solange dies nicht der Fall sei, müsse die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Türkei in der Flüchtlingsfrage auf Eis gelegt werden.

Die EU hatte Ende November mit der Türkei einen Aktionsplan in der Flüchtlingskrise vereinbart. Er verlangt von Ankara eine bessere Grenzsicherung, um die ungesteuerte Einwanderung nach Europa zu beenden. Im Gegenzug bekommt die Türkei unter anderem drei Milliarden Euro, um die mehr als zwei Millionen Flüchtlinge im eigenen Land besser zu versorgen. Die türkische Regierung hofft aber auch auf eine verbindliche Zusage der EU zur Aufnahme von Flüchtlingen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...