Politik

Deutsche Wirtschaft protestiert scharf gegen neue Russland-Sanktionen

Lesezeit: 2 min
17.12.2015 11:10
In ungewöhnlich scharfen Worten protestiert der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft gegen die Verlängerung der Russland-Sanktionen durch die EU. Der Ausschuss lobt Russland ausdrücklich und räumt mit der Legende auf, der Handel mit der Ukraine könne die Verluste mit Russland kompensieren.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die bemerkenswerte Stellungnahme des Ost-Ausschuss-Vorsitzenden Eckhard Cordes zur Verlängerung der Russland-Sanktionen im Wortlaut:

Heute und morgen kommen in Brüssel Vertreter der 28 EU-Mitgliedsländer zusammen, um unter anderem über die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland um sechs weitere Monate zu entscheiden. Zu diesem Thema und zu der für den 1. Januar geplanten Umsetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine finden Sie hier eine Stellungnahme des Ost-Ausschuss-Vorsitzenden Eckhard Cordes.

„Nach einem Verlust von 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2014 werden die deutschen Exporte nach Russland 2015 voraussichtlich um weitere 8,5 Milliarden Euro zurückgehen. Auch im Handel mit der Ukraine und weiteren Ländern der Region beobachten wir weiterhin massive Verluste.

Auch wenn die gegenseitigen Sanktionen diese dramatische Entwicklung nur zum Teil verursacht haben, ist doch offensichtlich, dass wir im Interesse aller Seiten dringend einen Einstieg in den Ausstieg aus den Sanktionen brauchen.

Nachdem die russische Regierung in den vergangenen Monaten Signale der Deeskalation ausgesandt hat, hätten wir uns von den EU-Regierungschefs deutlich mehr Mut gewünscht, auf Russland zuzugehen. Die Art und Weise, wie die Sanktionen von der EU nun ohne große Debatte um sechs Monate verlängert werden, ist enttäuschend. Damit wird erneut die Chance verpasst, ein Stück auf Russland zuzugehen und so wieder zu einer positiven Dynamik in den gegenseitigen Beziehungen zu kommen. Die bestehenden Sanktionen schwächen liberale Positionen in Russland und versammeln trotz bestehender Reformdefizite die Bevölkerung hinter der Politik des Kreml, wie sich an aktuellen Umfragen zeigt.

Übersehen wird völlig, dass zur Umsetzung des Minsk-Abkommens auch Kiew entscheidende Beiträge, wie etwa eine Verfassungsreform leisten muss. Hier waren zuletzt leider kaum noch Fortschritte zu beobachten.

Es läge nicht zuletzt im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung in der Ukraine, wenn sich das Verhältnis zwischen Russland und der EU wieder bessern würde. Dass ein stärkerer Handel mit der EU die massiven Verluste, die der Ukraine im Russland-Handel entstehen, kompensieren könnte, ist auf Jahre nicht absehbar. Im Export mit Deutschland erreichte die Ukraine bis September 2015 nur ein schwaches Plus von 50 Millionen Euro (+3 Prozent). Die ukrainischen Exporte in die EU insgesamt werden auch 2015 weiter zurückgehen, trotz einseitig eingeräumter Handelsprivilegien.

Derzeit steht zu befürchten, dass die vollständige Einführung des EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine zum 1. Januar 2016 die Handelskonflikte mit Russland weiter verschärft. Die trilateralen Verhandlungsrunden zwischen der Ukraine, Russland und der EU in Brüssel, in denen technische Lösungen für die russischen Kritikpunkte entwickelt werden sollen, stehen vor dem Scheitern.

Wir begrüßen deshalb die Initiative von Bundesaußenminister Steinmeier, der Angebote für eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland und der Eurasischen Wirtschaftsunion in die trilateralen Verhandlungen einbringen möchte. Die Bundesregierung muss alles dafür tun, den offensichtlich noch fehlenden Rückhalt der EU-Partner und der Kommission in dieser Frage zu gewinnen.

Eine erneute Eskalation des Ukraine-Konflikts nach Umsetzung des Assoziierungsabkommens zum 1. Januar muss unbedingt verhindert werden, damit die ohnehin schon bestehende Verunsicherung von Investoren in der Region nicht noch weiter zunimmt. Die Ukraine braucht den Zugang sowohl zur EU, wie auch zum russischen Markt, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.“

Dr. Eckhard Cordes ist noch bis zum 31. Dezember 2015 Vorsitzender des Ost-Ausschusses. Zum 1. Januar 2016 wird dieses Amt von Dr. Wolfgang Büchele, dem Vorsitzender des Vorstands der Linde AG übernommen.

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft wurde 1952 als erste Regionalinitiative der deutschen Wirtschaft gegründet. Der Ost-Ausschuss vertritt die deutsche Wirtschaft in bilateralen Gremien und führt jährlich eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen, Unternehmerreisen und Konferenzen in und über 21 Länder durch. Die Organisation mit Sitz in Berlin versteht sich als Kompetenzcenter der deutschen Wirtschaft für die osteuropäischen und zentralasiatischen Zukunftsmärkte. Der Ost-Ausschuss wird von fünf großen Wirtschaftsverbänden sowie 220 Mitgliedsunternehmen getragen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...

DWN
Politik
Politik Neue EU-Kommission: Nach heftigen Streit auf „umstrittenes“ Personal geeinigt
21.11.2024

Nach erbittertem Streit haben sich die Fraktionen im EU-Parlament auf die künftige Besetzung der Europäischen Kommission geeinigt. Warum...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit neuem Rekordhoch - geht es jetzt Richtung 100.000 US-Dollar?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag legt die wichtigste Kryptowährung direkt nach. Seit dem Sieg von Donald Trump bei...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirecard-Zivilprozess: Ein Musterkläger für 8500 Aktionäre - Kommt eine Entschädigung für Aktionäre?
21.11.2024

Holen sich Wirecard-Aktionäre jetzt eine Milliarden-Entschädigung von EY? Viereinhalb Jahre nach der Wirecard-Pleite geht es vor dem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ifo-Umfrage: Industrie bewertet Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit miserabel
21.11.2024

Seit 1994 hat die Industrie ihre Lage nicht mehr so schlecht eingeschätzt, sagt das ifo Institut. Im EU-Vergleich stehen deutsche...

DWN
Panorama
Panorama Finnland startet Ermittlungen zum Kabelschaden in der Ostsee
21.11.2024

Nachdem die schwedischen Behörden bereits tätig wurden, hat nun auch die finnische Kriminalpolizei Ermittlungen zu einem Kabelschaden in...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...