Der britische Telegraph berichtet, dass der US-Direktor für die Geheimdienste, James Clepper, vom Kongress beauftragt wurde, eine mögliche russische Unterwanderung der EU-kritischen Parteien in Europa zu untersuchen. Die Amerikaner sehen in einem heimlichen Einfluss Russlands den Versuch, „die Nato zu unterminieren, die Stationierung von US-Raketen zu blockieren und die Straf-Sanktionen gegen Russland zu widerrufen, die nach der Annexion der Krim verhängt wurden“, schreibt die Zeitung. Die EU soll den Untersuchungen, die ein Novum für die europäischen Demokratien sind, laut Telegraph zugestimmt haben.
Betroffen sind EU-skeptische Parteien in Frankreich, den Niederlanden, Ungarn, Österreich und Tschechien. Die Untersuchung soll herausfinden, ob die „politische Kohäsion“ in Europa von den Russen unterminiert wird. Der Telegraph geht davon aus, dass auch noch andere Länder betroffen sind, etwa die Lega Nord in Italien, die rechtsextrem Jobbik in Ungarn, der Front National in Frankreich und die FPÖ in Österreich. Die Amerikaner wollen auch russische Einflussnahme auf das Referendum in den Niederlanden entdeckt haben, bei dem die Niederlande im April über das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine abstimmen sollen. Der Front National ist in das Visier der Ermittler geraten, weil die Partei von Marine Le Pen im Jahr 2014 einen neun Millionen Euro schweren Kredit von einer russischen Bank erhalten hat. Die FPÖ dürfte durchleuchtet werden, weil einige Abgeordnete die Krim besucht hätten und damit die „Annexion“ gutgeheißen hätten.
Eine anonyme Quelle sagte dem Telegraph: „Es herrscht ein Kalter Krieg da draußen. Wir sehen alarmierende Beweise für die russischen Bemühungen, die Struktur der Einheit Europas anhand von einigen lebenswichtigen strategischen Themen zu zerstören.“
Igor Sutyagin vom Royal United Services Institute (RUSI) sagte der Zeitung, dass die Russen ein „cleveres Spiel“ betrieben, weil sie wüssten, dass der Westen die Aktivitäten nicht unterbinden könnte, ohne „seine eigenen Werte der freien Meinungsäußerung zu beschädigen“.
Tatsächlich könnte die Aktion für die betreffenden Parteien brandgefährlich werden: Wenn die US-Dienste zu der Auffassung gelangen, dass es Verbindungen der Parteien zu Russland gibt und damit die Nato gefährdet ist, könnten die USA im Interesse der Nationalen Sicherheit Sanktionen gegen diese Parteien und ihre Repräsentanten verhängen. Michael Maier hat in seinem neuen Buch die Konsequenzen solcher Sanktionen im Detail beschrieben: Die Sanktionen sind Teil einer globalen Kriegsführung, bei denen sich die USA die Stellung des Dollars als Weltwährung zunutze machen. Banken könnte verboten werden, mit diesen Parteien Geschäfte zu machen. Es könnte Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Die Vermögenswerte der Parteien oder mit ihnen kollaborierender Individuen könnten eingefroren werden.
Über das internationale Zahlungssystem SWIFT können solche Sanktionen in kürzester Zeit durchgesetzt werden: Zahlungen der Parteien würden blockiert, wer mit den Parteien kooperiert, macht sich nach US-Recht strafbar und könnte über einen internationalen Haftbefehl überall auf der Welt aufgespürt werden. Ähnlich sind die US-Behörden beim Fifa-Korruptionsskandal vorgegangen.
Ob auch Nato- und EU-Kritiker betroffen sind, die nichts mit den Parteien zu tun haben, ist unklar: Die Untersuchungen laufen selbstverständlich geheim ab, die Betroffenen werden nicht gehört und auch nicht informiert.
Interessant: Die EU-Gegner von Nigel Farages UKIP dürften verschont bleiben. Der Telegraph schreibt zwar, dass man Farage vorwerfe, dass er sich positiv über den russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert habe. Doch Beweise dafür, dass die UKIP vom Kreml finanziert wird, haben die Amerikaner noch nicht gefunden. Es ist denkbar, dass es ein Agreement zwischen London und Washington gibt, dass sich die Amerikaner nicht in die britische Innenpolitik einmischen. Vermutlich nehmen die Amerikaner auch Rücksicht auf das britische EU-Referendum und wollen den EU-Gegnern keine zusätzliche Munition liefern. Für andere EU-Staaten gilt dieses Privileg nicht. Ob auch die deutsche AfD untersucht wird, geht aus dem Bericht nicht hervor.