Politik

USA leiten Untersuchung gegen Nato-kritische Parteien in Europa ein

Der US-Kongress hat die Geheimdienste beauftragt, weitreichende Untersuchungen über EU- und Nato-kritische Parteien in Europa durchzuführen. Die Amerikaner vermuten, dass diese Parteien von Russland unterwandert sind. Sollten die Geheimdienste zur Auffassung gelangen, das sich der Verdacht bestätigt, drohen den Parteien weitreichende Konsequenzen.
21.01.2016 01:25
Lesezeit: 2 min

Der britische Telegraph berichtet, dass der US-Direktor für die Geheimdienste, James Clepper, vom Kongress beauftragt wurde, eine mögliche russische Unterwanderung der EU-kritischen Parteien in Europa zu untersuchen. Die Amerikaner sehen in einem heimlichen Einfluss Russlands den Versuch, „die Nato zu unterminieren, die Stationierung von US-Raketen zu blockieren und die Straf-Sanktionen gegen Russland zu widerrufen, die nach der Annexion der Krim verhängt wurden“, schreibt die Zeitung. Die EU soll den Untersuchungen, die ein Novum für die europäischen Demokratien sind, laut Telegraph zugestimmt haben.

Betroffen sind EU-skeptische Parteien in Frankreich, den Niederlanden, Ungarn, Österreich und Tschechien. Die Untersuchung soll herausfinden, ob die „politische Kohäsion“ in Europa von den Russen unterminiert wird. Der Telegraph geht davon aus, dass auch noch andere Länder betroffen sind, etwa die Lega Nord in Italien, die rechtsextrem Jobbik in Ungarn, der Front National in Frankreich und die FPÖ in Österreich. Die Amerikaner wollen auch russische Einflussnahme auf das Referendum in den Niederlanden entdeckt haben, bei dem die Niederlande im April über das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine abstimmen sollen. Der Front National ist in das Visier der Ermittler geraten, weil die Partei von Marine Le Pen im Jahr 2014 einen neun Millionen Euro schweren Kredit von einer russischen Bank erhalten hat. Die FPÖ dürfte durchleuchtet werden, weil einige Abgeordnete die Krim besucht hätten und damit die „Annexion“ gutgeheißen hätten.

Eine anonyme Quelle sagte dem Telegraph: „Es herrscht ein Kalter Krieg da draußen. Wir sehen alarmierende Beweise für die russischen Bemühungen, die Struktur der Einheit Europas anhand von einigen lebenswichtigen strategischen Themen zu zerstören.“

Igor Sutyagin vom Royal United Services Institute (RUSI) sagte der Zeitung, dass die Russen ein „cleveres Spiel“ betrieben, weil sie wüssten, dass der Westen die Aktivitäten nicht unterbinden könnte, ohne „seine eigenen Werte der freien Meinungsäußerung zu beschädigen“.

Tatsächlich könnte die Aktion für die betreffenden Parteien brandgefährlich werden: Wenn die US-Dienste zu der Auffassung gelangen, dass es Verbindungen der Parteien zu Russland gibt und damit die Nato gefährdet ist, könnten die USA im Interesse der Nationalen Sicherheit Sanktionen gegen diese Parteien und ihre Repräsentanten verhängen. Michael Maier hat in seinem neuen Buch die Konsequenzen solcher Sanktionen im Detail beschrieben: Die Sanktionen sind Teil einer globalen Kriegsführung, bei denen sich die USA die Stellung des Dollars als Weltwährung zunutze machen. Banken könnte verboten werden, mit diesen Parteien Geschäfte zu machen. Es könnte Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Die Vermögenswerte der Parteien oder mit ihnen kollaborierender Individuen könnten eingefroren werden.

Über das internationale Zahlungssystem SWIFT können solche Sanktionen in kürzester Zeit durchgesetzt werden: Zahlungen der Parteien würden blockiert, wer mit den Parteien kooperiert, macht sich nach US-Recht strafbar und könnte über einen internationalen Haftbefehl überall auf der Welt aufgespürt werden. Ähnlich sind die US-Behörden beim Fifa-Korruptionsskandal vorgegangen.

Ob auch Nato- und EU-Kritiker betroffen sind, die nichts mit den Parteien zu tun haben, ist unklar: Die Untersuchungen laufen selbstverständlich geheim ab, die Betroffenen werden nicht gehört und auch nicht informiert.

Interessant: Die EU-Gegner von Nigel Farages UKIP dürften verschont bleiben. Der Telegraph schreibt zwar, dass man Farage vorwerfe, dass er sich positiv über den russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert habe. Doch Beweise dafür, dass die UKIP vom Kreml finanziert wird, haben die Amerikaner noch nicht gefunden. Es ist denkbar, dass es ein Agreement zwischen London und Washington gibt, dass sich die Amerikaner nicht in die britische Innenpolitik einmischen. Vermutlich nehmen die Amerikaner auch Rücksicht auf das britische EU-Referendum und wollen den EU-Gegnern keine zusätzliche Munition liefern. Für andere EU-Staaten gilt dieses Privileg nicht. Ob auch die deutsche AfD untersucht wird, geht aus dem Bericht nicht hervor.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Kunstmarkt: Familienangelegenheiten im Auktionshaus Lempertz - und was Unternehmer davon lernen können
09.05.2025

Lempertz in Köln ist das älteste Auktionshaus der Welt in Familienbesitz. Isabel Apiarius-Hanstein leitet es in sechster Generation. Erst...

DWN
Immobilien
Immobilien Soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung – Wohnquartiere überfordert
09.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie auf Rekordkurs nach starkem Quartalsgewinn – und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag zugelegt – und im Handelsverlauf ein neues Jahreshoch erreicht. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU schlägt zurück: Diese US-Produkte stehen nun im Visier von Brüssel
09.05.2025

Die Europäische Kommission hat eine umfassende Liste von US-Produkten veröffentlicht, auf die im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Daimler-Sparprogramm: Was plant Daimler Truck in Deutschland?
09.05.2025

Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck strebt an, seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhöhen und hat sich mit dem...

DWN
Panorama
Panorama Endlos-Hitze droht im Sommer: Wetterextreme betreffen jüngere Generationen erheblich stärker
09.05.2025

Endlos-Hitze droht im Sommer - diese Schlagzeile geistert an diesem Freitag durch die Medien. Klar ist, dass die Folgen der globalen...

DWN
Technologie
Technologie Datenfalle USA: Warum viele Unternehmen in Gefahr sind - ohne es zu merken
09.05.2025

Viele Unternehmen übertragen täglich Daten in die USA – und merken nicht, dass sie damit in eine rechtliche Falle tappen könnten. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...