Politik

Der „König von Europa“: Martin Schulz will als EU-Präsident nicht weichen

Lesezeit: 2 min
23.01.2016 01:51
Bei der EU-Wahl einigten sich die Sozialdemokraten und Konservative auf einen Pakt: Martin Schulz soll befristet auf zweieinhalb Jahre Parlaments-Präsident sein, danach kommt ein Konservativer dran. Doch plötzlich wollen die Sozialdemokraten von der Vereinbarung nichts mehr wissen.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Am 1. Juli 2014 schien alles besiegelt. Der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz wurde von den Europaabgeordneten als Präsident der EU-Volksvertretung bestätigt - für zweieinhalb Jahre. Anschließend, also im Januar 2017, sollte er seinen Platz einem Konservativen überlassen. So steht es in einer Vereinbarung, die Schulz mit dem Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) Manfred Weber (CSU) getroffen hatte.

Nun sorgt das Dokument für böses Blut im Straßburger Parlament. Denn was viele schon länger ahnten, ist jetzt sozusagen offiziell: Die Sozialdemokraten stellen die Vereinbarung in Frage. Sie verlangen für Schulz ein drittes Mandat - bis zur Europawahl Mitte 2019. Ihr Vorsitzender Gianni Pittella preschte mit dieser Forderung vor: Schulz sei der „beste Präsident“, den das Parlament „je gehabt“ habe, sagte der Italiener kürzlich in einem Zeitungsinterview.

Der SPD-Politiker war es auch, der das Prinzip des „Spitzenkandidaten“ der europäischen Parteien erfand, der nunmehr zugleich deren Anwärter auf das Amt des Kommissionspräsidenten in Brüssel ist. Bei der Europawahl 2014 ging er mit diesem Anspruch für die europäischen Sozialdemokraten ins Rennen, unterlag aber seinem Rivalen Jean-Claude Juncker, der für die EVP das beste Ergebnis eingefahren hatte.

Aber nicht zuletzt dank der energischen Unterstützung von Schulz wurde Juncker schließlich zum EU-Kommissionspräsidenten ernannt. Der SPD-Politiker erhielt im Gegenzug eine Verlängerung seiner Amtszeit an der Spitze des Europaparlaments - als erster Präsident überhaupt. Denn bis dato war es üblich, dass sich die beiden großen Fraktionen das Spitzenamt jeweils für die Hälfte der Legislaturperiode teilten.

Schon deshalb stößt die Forderung nach einem abermaligen Zuschlag für Schulz vielen Parlamentariern sauer auf. „Dann können wir ihn ja gleich zum König küren“, schimpft der CDU-Abgeordnete Herbert Reul.

Noch ist der Machtkampf nicht offen entbrannt, doch in den Kulissen des Parlaments rumort es gewaltig. Ohne Kompensationen werden die Konservativen wohl kaum auf das Spitzenamt verzichten. Dass aber die Sozialdemokraten im Gegenzug andere einflussreiche Posten räumen - etwa an der Spitze von Ausschüssen - sei unwahrscheinlich, sagt der SPD-Abgeordnete Jo Leinen.

Auch gebe es in der Fraktion durchaus Stimmen für einen Wechsel. Ein Dorn im Auge ist nicht wenigen Sozialdemokraten, dass Schulz und sein konservativer Duz-Freund Juncker gemeinsam an einem Strang ziehen, um im Europaparlament Bündnisse zwischen den beiden größten Fraktionen zu schmieden.

Dem Chef der EVP-Fraktion kommt die Debatte wenig gelegen. „Personalfragen stellen sich derzeit nicht“, lautet Webers knapper Kommentar. Der CSU-Politiker weiß, dass er bei vielen Gesetzesvorhaben auf die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten angewiesen ist. Er muss aber Rücksicht auf Fraktionsfreunde nehmen, die Schulz gerne ablösen würden.

Das ist vor allem der 62-jährige Italiener Antonio Tajani, dem Ambitionen nachgesagt werden. Dass der enge Weggefährte von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi ein würdiger Nachfolger sein könnte, bezweifeln im Parlament aber viele. Er wäre wohl kaum mehr als ein „Grüß-Gott-Onkel“, sagt Leinen.

Schulz selbst will zu seinen Zukunftsplänen nichts sagen. Im Parlament ist es aber ein offenes Geheimnis, dass der 60-Jährige bei der Wahl 2019 wieder als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten antreten will - in der Hoffnung, dann den Sprung an die Spitze der EU-Kommission zu schaffen. Und dafür wäre eine dritte Amtszeit als Parlamentspräsident das ideale Sprungbrett.

DWN
Technologie
Technologie Elektrifizierung: Wind und Solar boomen, doch Kohle bleibt der weltweit bedeutendste Energieträger
23.11.2024

Der Ausbau emissionsfreier Energieerzeugungskapazitäten schreitet in Rekordtempo voran. Doch auch die Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung...

DWN
Panorama
Panorama Plastikmüll bekämpfen: UN-Abkommen soll globale Umweltverschmutzung eindämmen
23.11.2024

Plastikmüll ist eine wachsende Gefahr für Umwelt und Meere. Forschende aus den USA zeigen, wie vier Maßnahmen den falsch entsorgten...

DWN
Politik
Politik Deutschland prüft Vorgehen nach Haftbefehl für Netanjahu
23.11.2024

Die Bundesregierung steht nach dem Haftbefehl gegen Israels Regierungschef vor einem Dilemma. Noch ist offen, wie sie sich positioniert....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft US-Regierung: Google muss Chrome-Browser verkaufen
23.11.2024

Die US-Regierung will vor Gericht durchsetzen, dass Google sich vom weltweit meistbenutzten Webbrowser Chrome trennen muss. Das...

DWN
Panorama
Panorama Corona-Maßnahmen führen zur Ausrottung eines Grippe-Stamms: Umstellung auf Dreifach-Impfstoff
23.11.2024

Die Grippeschutzimpfung hat sich für die aktuelle Saison verändert: Statt eines Vierfach-Impfstoffs wird nun ein Dreifach-Impfstoff...

DWN
Politik
Politik Tiefpunkt der Brandenburger Politik: Ministerin entlassen - Minister tritt zurück
23.11.2024

Machtprobe im Streit um die Klinikreform: Regierungschef Dietmar Woidke entlässt in der Bundesratssitzung die grüne Gesundheitsministerin...

DWN
Politik
Politik Rocketman: Putin kündigt Serienproduktion neuer Mittelstreckenwaffe an
23.11.2024

Der Westen verurteilt den Einsatz der neuen russischen Mittelstreckenrakete gegen die Ukraine als neuerliche Eskalation - Moskau feiert...

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung vor Engpässen: DRV fordert Maßnahmen zur Stabilisierung
23.11.2024

Die Deutsche Rentenversicherung warnt vor einer möglichen Finanzierungslücke bis 2027. Trotz stabiler Einnahmen erfordert die Rentenkasse...