Politik

Nato-Schiffe in der Ägäis: Merkel kämpft um die Gunst von Erdogan

Lesezeit: 3 min
11.02.2016 00:59
Deutschland hat eine Nato-Mission für das Mittelmeer beantragt. Damit soll die Türkei im Kampf gegen Schlepper unterstützt werden. Tatsächlich ist die Aktion eine etwas hilflose Geste von Angela Merkel, um es sich mit dem türkischen Präsidenten Erdogan nicht zu verscherzen. Der steht wegen der militärischen Erfolge der Russen, Syrer und Kurden mit dem Rücken zur Wand.
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Angela Merkels größte – und wohl auch letzte – Hoffnung, die Flüchtlingskrise in Europa ohne Schließung der deutschen Grenzen in den Griff zu bekommen, ruht auf dem Wohlwollen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die Türkei soll die Flüchtlinge im Land halten und dafür Milliarden aus europäischen Steuergeldern erhalten.

Erdogan will allerdings vor allem die Unterstützung des Westens für seine Syrien-Politik. Doch hier hat der türkische Präsident schlechte Karten: Russen und Amerikaner bestehen auf einer Einbindung der Kurden, namentlich der YPG. Erdogan betrachtet die Gruppe als „Terroristen“ und ist empört, dass die USA in dieser Frage eine andere Position vertreten.

Angela Merkel hatte bei ihrem Besuch in Ankara versprochen, die Nato zu mobilisieren, um in türkischen Gewässern Präsenz zu zeigen. Merkel spricht von einer Unterstützung der Türkei gegen Schlepper. Das Problem: Die Nato ist ein Militärverband und keine Heilsarmee. Sie sieht zwar ihre Felle wegen der russischen und syrischen Militärerfolge davonschwimmen. Doch ohne das ausdrückliche Mandat aus Washington sind auch die Generäle machtlos. Daher hat die Nato am Mittwoch signalisiert, dass für sie ein Einsatz kurzfristig nicht in Frage komme.

Merkel will Erdogan nun mit einer Geste besänftigen: Deutschland, Griechenland und die Türkei haben bei der Nato eine Marinemission beantragt, um gegen Schlepper in der Flüchtlingskrise vorzugehen. Die drei Länder schlugen dem Bündnis eine Mission zur Seeüberwachung in der Ägäis vor, wie es am Mittwochabend aus deutschen Regierungskreisen hieß. Geführt werden soll diese von Deutschland. Tatsächlich ist die Mission ein alter Hut: Seit 2001 hat die Nato im Rahmen der Überwachungsmission Operation Active Endeavor ein Schiff im Mittelmeer - was auch von Russland akzeptiert ist.

Ob Griechenland, das mit der Türkei trotz der gemeinsamen Nato-Mitgliedschaft ein gespanntes Verhältnis unterhält, von Merkel Zusagen in der Euro-Schuldenkrise erhalten hat, ist unklar. Athen befindet sich in einem vorchaotischen Zustand, weil die Syriza-Regierung bisher keine Forderungen der Troika erfüllt hat. Ein Deal ist jedoch denkbar, weil Merkel bereits mit dem italienischen Premier Renzi ein Tauschgeschäft vereinbart hat und daher ein Muster zu erkennen wäre: Italien hat seinen Widerstand gegen die Milliarden-Zahlungen an die Türkei aufgegeben, nachdem die EU eine durchaus fragwürdige Bad Bank akzeptiert hatte und Bundesfinanzminister Schäuble außerdem die europäische Einlagensicherung mit deutscher Beteiligung als Faktum amtlich gemacht hat. Dadurch können italienische Banken die deutschen Spareinlagen als Sicherheiten für neue Kredite bei der EZB hinterlegen.

Die Nato sei bestens ausgerüstet, um in der Ägäis ein „deutlicheres Lagebild“ zu erstellen und Muster im Vorgehen von kriminellen Schlepperbanden zu erkennen, hieß es laut AFP. Die drei Staaten hoffen den Angaben zufolge, dass die Nato-Partner das Vorhaben am Donnerstag beim Treffen der Verteidigungsminister des Bündnisses unterstützen und die Mission dann schnellstmöglich starten kann.

Tatsächlich wird es sich, wenn beschlossen, um eine symbolische Aktion handeln: Eingesetzt werden soll die Stehende Nato-Marinegruppe 2. Diese wird zur Zeit vom deutschen Versorgungsschiff „Bonn“ geführt und hat gerade mit den türkischen Streitkräften Luft- und U-Bootabwehr in der Region geübt. Da der Verband schon in der Region ist, könnte er schnell eingesetzt werden. Deutschland führt diesen noch bis Ende Juni.

Deutschland, Griechenland und die Türkei würden auch andere Nato-Partner bitten, Schiffe bereit zu stellen, hieß es aus den Regierungskreisen. Dänemark habe dies am Mittwochabend schon zugesagt. Ob aus deutscher Sicht ein Bundestagsmandat nötig ist, wird noch geprüft. Die Wahrscheinlichkeit sei wegen des reinen Überwachungsauftrags aber gering, berichtet die AFP aus Regierungskreisen.

Damit ist klar: Militärisch wird die Nato Erdogan zunächst nicht beistehen können. Doch die europäischen Politiker wollen alles tun, um eine Verärgerung von Erdogan zu verhindern. Dieser hatte schon im November gedroht, die Grenzen für die Flüchtlinge nach Europa zu öffnen, wenn die EU auf seine Forderungen nicht eingeht.

In diesem Zusammenhang ist auch Frankreich der Kanzlerin und dem türkischen Präsidenten zur Seite gesprungen – freilich nur verbal: Während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan der Regierung in Washington am Mittwoch vorwarf, für die Gewalt in der Region mitverantwortlich zu sein, stellte der scheidende französische Außenminister Laurent Fabius infrage, ob sich die USA wirklich für ein Ende des jahrelangen Konflikts engagieren. Demnach setzen die Vereinigten Staaten der russischen Intervention aufseiten des syrischen Präsidenten Baschar al Assad zu wenig entgegen.

In Paris erklärte Außenminister Fabius, die US-Politik sei unklar. „Den Worten folgen keine Taten. Offenkundig merken das die Russen und die Iraner.“ Russland und der Iran unterstützen Assad im Kampf gegen die Rebellen. Im Unterschied zu Frankreich, das in diesem Konflikt seinen aus dem Amt scheidenden Außenminister vorschickte und damit nur in Grenzen Heldenmut beweist, bekämpft Russland mit seinen Verbündeten als einzige Weltmacht die Terroristen in der Region mit Entschlossenheit. Dies wurde Moskau zuletzt sogar von der UN-Kommissarin Carla Del Ponte bescheinigt.

Es ist unklar, ob Merkel Erdogan ernsthaft unterstützen will – oder ob ihre Rolle eher darin besteht, Zeit zu gewinnen: Wenn die syrische Armee wirklich in der Lage ist, die verschiedenen Terror-Gruppen zurückzudrängen, könnte in Syrien ein von den USA und Russland vermittelter Waffenstillstand in Kraft treten. Dann wären vor allem die diversen Terroristen und Söldner auf der Flucht. Denn nach Aleppo, das nun von den Syrern zurückerobert werden soll, waren im Zuge des Umsturz-Versuchs gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad Kämpfer aus Tschetschenien, Usbekistan, Jordanien, Saudi-Arabien, dem Irak und Ägypten eingerückt. Sie haben in der Stadt eine Terror-Herrschaft errichtet, wie das Middleeast-Eye berichtet. Vor deren „Invasion“ habe es in der Wirtschafts-Metropole keinen Volksaufstand gegen Assad gegeben.


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