Politik

Erdogan übernimmt kritische Zeitung und dreht die Berichterstattung

Lesezeit: 2 min
06.03.2016 16:30
Der türkische Präsident Erdogan hat die Berichterstattung in der zwangsverstaatlichten Zeitung Zaman gedreht: Die bisher kritische Zeitung musste am Sonntag Artikel veröffentlichen, die Erdogan in einem guten Licht erscheinen lassen. Die Linkspartei warnt die EU, sich in der Flüchtlingsfrage auf den von Bundeskanzlerin Merkel vorgeschlagenen Deal mit Erdogan einzulassen.
Erdogan übernimmt kritische Zeitung und dreht die Berichterstattung

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In der Türkei musste die unter staatliche Aufsicht gestellte Zeitung Zaman einen radikalen Kurswechsel vollziehen. Das bisher als regierungskritisch eingestufte Blatt veröffentlichte am Sonntag eine Reihe von Beiträgen, in denen wohlwollend über Präsident Recep Tayyip Erdogan berichtet wurde. Über die Proteste gegen die Erstürmung der Redaktion am Wochenende gab es dagegen keine Artikel. Die Redaktion war am Freitagabend von der Polizei gestürmt worden, es gab tumultartige Szenen. 

Die Zaman-Website war offline, den Lesern wurde in Kürze eine „bessere und objektivere“ Berichterstattung in Aussicht gestellt. Bis zu der jüngsten Razzia stand die größte Zeitung des Landes dem in den USA lebenden Geistlichen und Erdogan-Rivalen Fethullah Gülen nahe. Er wird von der Regierung in Ankara beschuldigt, einen Putsch vorzubereiten.

Die Ereignisse vom Wochenende sind eine weitere Wendung im Machtkampf zwischen Erdogan und Gülen. Die „Zaman“-Redaktion stand früher schon einmal weitgehend hinter Präsident Erdogan, der von 2003 bis 2014 als Ministerpräsident die Politik des Landes geprägt hatte. Doch Differenzen über die Außenpolitik führten zu einer Abkehr des Blattes von Erdogan. Vor allem Pläne der Regierung, von Gülen-Anhängern finanzierte Schulen zu schließen, lösten Widerstand aus. Erdogan wirft Gülen vor, ein Unterstützernetz in verschiedenen Bereichen des Staates aufzubauen und damit den Sturz seiner Regierung zu betreiben.

Am Samstag wurde der „Zaman“-Chefredakteur Abdulhami Bilici entlassen. Die Zeitung vom Sonntag war mit zwölf Seiten deutlich dünner als üblich. Die ebenfalls unter staatliche Aufsicht gestellte englische Ausgabe „Today's Zaman“ berichtete im Internet über die jüngste Entwicklung und auch über die Kritik der EU an der türkischen Regierung. Die Website wurde aber seit Samstag nicht mehr aktualisiert. Am Sonntag versammelten sich rund 50 „Zaman“-Unterstützer vor dem Istanbuler Büro der Zeitung. Dabei blieb es ruhig, nachdem die Polizei an den zwei Tagen zuvor massiv gegen Demonstranten vorgegangen war.

Während sich die Bundesregierung zu dem Skandal bisher öffentlich nicht geäußert hat und lediglich darauf verwies, dass man sich zu innenpolitischen Angelegenheiten der Türkei nicht äußert, warnt die Linkspartei vor einem Deal mit Erdogan in der Flüchtlingsfrage: „Nichts weiter als die Existenz der EU als Rechts- und Wertegemeinschaft steht auf dem Spiel. Für die Verwandlung der Türkei in ein Flüchtlingsgefängnis, schweigt die EU zu den Verbrechen Erdogans“, erklärt Sevim Dagdelen, Beauftragte für Migration und Integration der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag vor dem EU-Türkei-Gipfel.

Dagdelen weiter: „Es kommt dem Aufgeben jeden menschenrechtlichen Anspruchs gleich, wenn Bundeskanzlerin Merkel bereit ist, Erdogans Türkei zum Wächter der EU-Außengrenzen zu machen. Erdogan ist selbst eine personifizierte Fluchtursache. Hunderttausende fliehen vor seinem Krieg gegen die Kurden in der Türkei und den von ihm unterstützten islamistischen Terrormilizen in Syrien. Der deutsche Innenminister de Maziere ist in seinen Reden über die sich weiter verschlechternde Menschenrechtslage in der Türkei kaum noch von denen des türkischen Innenministers zu unterscheiden. Die EU und Deutschland sind dabei, ihre Außenpolitik in die Hände Erdogans zu legen. Die Zeche für diese Kapitulation werden die Flüchtlinge und die Bevölkerungen in der EU und Deutschland bezahlen. Der schmutzige Pakt mit Erdogan muss verhindert werden.“


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...