Politik

Angela Merkel kämpft und will Scheitern des Gipfels verhindern

Bundeskanzlerin Angela Merkel kämpft um ein Ergebnis beim EU-Gipfel mit der Türkei. Ungarn hat ein Veto gegen die Verteilung der Flüchtlinge eingelegt. Italien fordert, dass die Pressefreiheit im Abschluss-Dokument erwähnt wird. Die Dänen rechnen nicht mit einer Einigung, die EU-Kommission spricht dagegen davon, dass man fast am Ziel sei.
07.03.2016 22:49
Lesezeit: 2 min

Die EU-Staats- und Regierungschefs sind am Montagabend bei ihrem Gipfel wieder zusammengekommen, um über den Vorschlag der Türkei zur Flüchtlingsrücknahme zu beraten, wie ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. Das ursprünglich geplante Abendessen wurde gestrichen, „um eine überarbeitete Erklärung zu vereinbaren“.

Im Anschluss solle eine Pressekonferenz zusammen mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu stattfinden, erklärte Tusks Sprecher weiter. Ein Diplomat sagte der AFP, es gehe nun „eher um einen Text, der die Möglichkeit einer Vereinbarung ausdrückt“.

Ein weiterer Diplomat sagte AFP, in der geplanten Erklärung werde der türkische Vorschlag „eher positiv“ bewertet. Der Vorschlag selbst werde aber nicht mehr am Montag verabschiedet.

Um 23 Uhr meldet die EU-Kommission, dass man das Ziel einer Einigung fast erreicht habe: Nun ginge es um die Feinabstimmung, schreibt Junckers Büroleiter Martin Selmayr:

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte dem Gipfel überraschend

vorgeschlagen, alle neu in Griechenland ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Für jeden abgeschobenen Syrer soll sich die EU verpflichten, einen anderen Syrer auf legalem Wege aufzunehmen. Dies käme einer Aushebelung des Asylrechts in der EU gleich. Pro-Asyl warnt die EU, diesen Deal einzugehen. Der Guardian berichtet, dass diese Bedenken auch bei der EU bestehen, weshalb man nun prüfe, ob ein solches Tauschgeschäft rechtlich zulässig wäre.

Zudem fordert Ankara insgesamt sechs Milliarden Euro für 2018 zur Versorgung der 2,7 Millionen syrischen Flüchtlinge im eigenen Land, rasche Visa-Freiheit für ihre Bürger und Fortschritte bei den EU-Beitrittsverhandlungen. Frankreichs Präsident Hollande hat sich gegen die Aufhebung der Visumspflicht ausgesprochen.

Merkel sprach nach den Angaben aus EU-Kreisen mit Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionschef Jean-Claude Juncker und dem amtierenden niederländischen Ratsvorsitzenden Mark Rutte. Erst danach sei das Abendessen vorgesehen, zu dem auch wieder Davutoglu stoßen sollte.

Euractiv berichtet, dass viele Regierungschefs und EU-Präsident Donald Tusk sehr verärgert gewesen seien, weil der Entwurf für das Schlussdokument, dass die 28 Spitzendiplomaten am Wochenende entworfen hatten, einfach durch ein neues Papier ersetzt worden sei, welches die niederländische Ratspräsidentschaft, Merkel und Davutoglu gemeinsam geschrieben hätten und dem Gipfel kurzfristig vorlegten. Vor allem die Visegrad-Staaten seien von diesem Vorgehen vor den Kopf gestoßen worden.

Aus mehreren Ländern gab es aber Widerstand gegen Ankaras Vorschlag. Ein ungarischer Regierungssprecher schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, Regierungschef Viktor Orban werde dem Plan nicht zustimmen, „Asylbewerber direkt aus der Türkei umzusiedeln“. Der Sprecher sprach von einem Veto – was ein Novum bei den Gipfeln wäre:

Zypern machte Diplomaten zufolge Vorbehalte gegen beschleunigte Beitrittsverhandlungen geltend.

Probleme bereitete auch das harte Vorgehen Ankaras gegen regierungskritische Medien. Nach Angaben italienischer Medien erklärte Regierungschef Matteo Renzi, er werde keine Vereinbarung mit der Türkei unterzeichnen, wenn darin nicht auf die Pressefreiheit verwiesen werde.

Der dänische Regierungschef Lars Lökke Rasmussen schrieb auf Twitter, es werde am Montag voraussichtlich keine Einigung geben – „auch wenn wir dem näher kommen“. Der nächste EU-Gipfel findet schon Ende kommender Woche statt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.