Politik

Ein Jahr Zelle ohne Fenster: So behandelt die Türkei Flüchtling aus Syrien

Lesezeit: 1 min
17.03.2016 14:54
Die Türkei schwört der EU, sie werde nach Zahlung einer angemessenen Summe für die Flüchtlinge auch an Menschenrechte achten. Weil Angela Merkel Druck macht, begnügt sich die EU mit dem Versprechen. Die Realität kann man am Fall eines syrischen Flüchtlings sehen, der in Istanbul unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten wird.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Türkei  
Syrien  

Der Pakt mit der Türkei soll den Durchbruch in der Flüchtlingskrise bringen - doch müssen beim EU-Gipfel noch hohe Hürden überwunden werden. Die EU verlangt von der Türkei die Garantie, dass zurückgenommene Flüchtlinge nicht in Gefahrenzonen abgeschoben werden.

Doch viele Staaten äußern Bedenken, die Türkei könne gegen Flüchtlingskonventionen verstoßen. So hatte Regierungschef Ahmet Davutoglu laut türkischen Medien erklärt, alle zurückgenommenen Nicht-Syrer würden unterschiedslos in ihre Herkunftsländer abgeschoben. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zeigte sich am Donnerstag immerhin "einigermaßen zuversichtlich", dass bis Freitag ein rechtlich sauberer Deal zustande komme.

Im Entwurf für eine gemeinsame EU-Türkei-Erklärung reicht der EU die Selbstverpflichtung Ankaras, alle Migranten "gemäß internationaler Standards zu schützen" und das Prinzip der Nichtabschiebung in gefährliche Regionen zu respektieren. Auch der Europarat befand die Vorschläge für gut.

Doch in der Praxis sieht die Realität ziemlich hart aus - und vom Geist der Menschenrechte oder der Menschenwürde ist etwa in einem konkreten Fall nichts zu bemerken, den Amnesty öffentlich gemacht hat.

Ein syrischer Flüchtling, dem die türkischen Behörden die Einreise verweigern, sitzt seit einem Jahr am internationalen Flughafen Istanbul fest. Die Menschenrechtsorganisation  Amnesty International sprach von "willkürlicher Inhaftierung" und forderte die türkische Regierung auf, Fadi Mansur "vorübergehend Schutz" zu gewähren und einreisen zu lassen.

Amnesty zufolge floh Mansur 2012 vor dem Krieg in Syrien in den Libanon, bevor er sich in der Türkei niederließ. Im vergangenen Jahr wurde ihm die Einreise nach Malaysia verwehrt. Bei seiner Rückkehr nach Istanbul am 15. März 2015 strandete er am Atatürk-Flughafen in einem "problematischen Passagieren" vorbehaltenen Raum.

Im vergangenen November konnte Mansur den fensterlosen und ständig beleuchteten Raum kurzfristig verlassen, um nach Libanon zu reisen. Doch auch dort wurde ihm die Einreise verweigert, und er kehrte wieder nach Istanbul zurück.

In einem Video der Menschenrechtsorganisation spricht der Mittzwanziger von einer "grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden" Behandlung. Er träume davon, einmal wieder ohne Licht schlafen zu können. Am Mittwoch veröffentlichte der syrische Gefangene über den Kurzbotschaftendienst Twitter ein Foto mit einem Hamburger und der Bildunterzeile: "Teilen Sie meine tägliche Mahlzeit mit mir".

Mansurs Fall erinnert an den des Iraners Merhan Karimi Nasseri, von dem sich Steven Spielberg zu seinem Film "The Terminal" aus dem Jahr 2004 inspirieren ließ. Der Mann, der keine ordentlichen Ausweispapiere hatte, saß 18 Jahre lang im Terminal 1 des Pariser Flughafen Charles de Gaulle fest.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...