Politik

Deutschland deutet Einlenken bei Schulden in Griechenland an

Lesezeit: 2 min
04.04.2016 15:17
Die Bundesregierung bleibt „aktuell“ bei ihrem Nein zu einem Schuldenerlass für Griechenland. Am Wochenende wurde ein internes IWF-Telefonat geleakt. In dem Gespräch ging es darum, Angela Merkel unter Druck zu setzten, um sie zu einem Schuldenschnitt für Griechenland zu drängen. Der Streit zwischen den Gläubigern setzt die griechischen Staatsanleihen unter Druck.
Deutschland deutet Einlenken bei Schulden in Griechenland an

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Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Jäger, nahm am Montag in Berlin zur Diskussion um einen griechischen Schuldenschnitt Stellung - und äußerte sich überraschend vage: „Ein Schuldenschnitt steht im Augenblick nicht zur Debatte.“ Zudem gehe „es jetzt im Augenblick darum, den griechischen Haushalt auf nachhaltige Beine zu stellen.“ Ziel bleibe es, Griechenland die Rückkehr an den Kapitalmarkt zu ermöglichen. Jäger verwies darauf, dass Athens Schuldentilgung ohnehin bis 2020 und länger ausgesetzt sei. Entscheidend sei, dass Griechenland nun einen tragfähigen Haushalt hinbekomme.

Immerhin: Die Aussage, dass der Schuldenschnitt lediglich „aktuell“ nicht zur Debatte stehe, deutet darauf hin, dass Deutschland sehr wohl bereit ist den Schuldenschnitt früher oder später mitzutragen. Tatsächlich hat die Bundesregierung auch keine andere Wahl, weil die Schulden Griechenlands nicht tragfähig sind. Statt einer Reduzierung der Forderungen wäre die Alternative ein Totalverlust von etwa 60 Milliarden Euro an Steuergeldern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel habe am Sonntag mit Tsipras telefoniert, die Haltung der Bundesregierung zum IWF und zu Schuldenerleichterungen sei „unverändert“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Wikileaks hatte am Wochenende die Mitschrift einer Telefonkonferenz von drei hochrangigen IWF-Mitarbeitern veröffentlicht. Der IWF berät dort, wie man Angela Merkel dazu drängen kann, einen Schuldenerlass für Griechenland zuzustimmen. Griechenland zeigt sich verärgert und spricht von einem Erpressungsversuch des IWF gegenüber Deutschlands.

Konkret ging es um ein Gespräch zwischen dem Dänen Poul Thomsen, IWF-Chef für Europa, der rumänischen IWF-Griechenland-Unterhändlerin Delia Velculescu und der bulgarischen IWF-Haushaltsexpertin Iva Petrova. Thomsen beklagt demnach, dass sich Athen bislang nur bei akuter Pleitegefahr im vergangenen Juli auf Sparvorgaben eingelassen habe: „In der Vergangenheit gab es nur ein Mal, bei dem die Entscheidung gemacht wurde; das war, als ihnen ernsthaft das Geld ausging und sie vor dem Zahlungsausfall standen.“ Velculescu erwiderte der Mitschrift zufolge: „Ich stimme überein, dass wir ein Ereignis (event) brauchen.“ Mit der Drohung, dem Kreditpaket nicht zuzustimmen, so die Überlegung, könne Druck auf die EU-Geldgeber und dabei vor allem auf Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgeübt werden, zu einer Einigung noch im April zu kommen.

Die Wikileaks-Veröffentlichung sorgte in Griechenland für großen Unmut und die Regierung rief am Samstag ein Dringlichkeitstreffen ein, um darüber zu beraten. Eine Regierungssprecherin forderte den IWF anschließend auf klarzustellen, ob es seine offizielle Position sei, „Pleite-Bedingungen in Griechenland zu schaffen“.

Der IWF hat daraufhin zurückgewiesen, wonach die Organisation überlege, wie sie Griechenland im Schuldenstreit in die Knie zwingen könne. Solche Spekulationen seien „einfach absurd“, schrieb IWF-Direktorin Christine Lagarde in einem am Sonntag veröffentlichten Brief an den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Gleichzeitig sagte sie, eine Einigung bei den Verhandlungen mit Athen sei noch nicht in Sicht.

Derzeit überprüfen die internationalen Geldgeber die griechischen Reformvorhaben, die Voraussetzung für weitere Mittel aus dem 86 Milliarden Euro schweren Kreditg-Paketsind. Es sei realistisch, bis Ende April oder Anfang Mai zu einem Abschluss zu kommen, heißt es aus dem Finanzministerium. Von einem positiven Befund hängt ab, ob die Gelder tatsächlich nach Athen fließen.

An der jetzigen Prüfmission sind die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB), der Europäische Stabilitätsfonds (ESM) sowie der IWF beteiligt, obwohl sich die Washingtoner Finanzinstitution bisher nicht am dritten Hilfsprogramm beteiligt, weil sie an der Schuldentragfähigkeit Athens zweifelt und einen Schuldenschnitt durch die europäischen Staaten wünscht.

Die neuen Gerüchte über einen Schuldenschnitt für Griechenland haben am Montag die Kurse der Staatsanleihen des Landes unter Druck gesetzt. Im Gegenzug stieg die Rendite der zweijährigen Bonds um zwei Prozentpunkte auf ein Vierwochenhoch von 11,15 Prozent. Die Rendite der zehnjährigen Papiere kletterte etwas weniger stark auf 9,02 von 8,74 Prozent. Dass die Renditen der kürzer laufenden Anleihen deutlich höher sind als die der langfristigen, ist ungewöhnlich und deutet darauf hin, dass sich Investoren zunehmend Sorgen über den Ausfall der Papiere machen.



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