Politik

Griechenland: Schäuble weicht erstmals von strikter Austerität ab

Lesezeit: 2 min
20.04.2016 00:02
Die zähen Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und ihren Gläubigern ziehen sich weiter in die Länge. Bundesfinanzminister Schäuble, der neue Schuldenerleichterungen ablehnte und strikte Austerität fordert, gibt jetzt bei den Sparvorgaben nach und bringt einen „Sparbeschluss auf Vorrat“ ins Gespräch.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Streit um die Griechenland-Schuldenpolitik geht in die nächste Runde. Bundesfinanzminister Schäuble hielt zuletzt Schuldenerleichterungen für Griechenland nicht notwendig. Stattdessen müsse der Kurs der Austerität fortgesetzt werden, wie er vor einigen Tagen am Rande der Frühjahrestagung des IWF in Washington deutlich machte.

Nun vollzieht Schäuble laut politico.eu doch wieder eine Kehrtwendung. Denn die Verhandlungen sind bereits seit geraumer Zeit festgefahren. Schäuble hat offenbar eine neue Idee in einem „Non-Paper“ festgehalten, die einen „Sparbeschluss auf Vorrat“ vorsieht, um den Gesprächen neuen Impuls zu geben.

Allerdings wird auch dieser Vorschlag in Griechenland mit Bedenken betrachtet. Denn Sparbeschlüsse, ob „auf Vorrat“ oder nicht, werden als Sparbeschlüsse wahrgenommen. Ganz gleich, wann sie wirksam werden. Schäuble „Vorrats-Beschlüsse“ sehen nämlich eine Art Notreserve an haushaltswirksamen Neuerungen vor, die das griechische Parlament sogleich beschließen soll. Umgesetzt werden müssten diese Reformen nur dann, wenn quasi „weniger dramatisches Sparen nicht ausreicht, um die Programmziele zu erfüllen“, so politico.eu.

Der Gedanke dahinter: Bei einer solchen „Lösung“ könnten Zerwürfnisse darüber, wie groß der Primärüberschuss zum Zeitpunkt X sein soll und wie dieses Ziel erreichbar wäre, erst einmal in den Hintergrund treten. Und es würde die Differenzen zeitlich nach hinten verschieben. Andererseits hätte man einen Hebel zum jederzeitigen „Nachsteuern“ in der Hand. Der deutsche Vorschlag wurde offenbar am vergangenen Wochenende eingebracht, als Vertreter der EU und der IWF in Washington die Lage berieten. Die EU-Kommission sei überrascht gewesen, sagen Beteiligte.

Jedoch: Die Konflikte um die Schuldenerleichterungen, die der IWF vertritt und womit Berlin nicht übereinstimmt, werden die Idee aus Schäubles „Non-Paper“ nicht schlichten.

Am kommenden Freitag tritt die Euro-Gruppe in Amsterdam zusammen. Die Beratungen seien „wieder einmal zur Bestandsaufnahme da“, erklärte ein EU-Kommissionssprecher. Dagegen ist die griechische Regierungssprecherin Olga Gerovasili optimistischer. Es werde eine „Einigung mit den Gläubigern bis zum 22. April“ geben, erklärte sie. Griechenland werde bis dahin neue Gesetze zur Steuer- und Rentenreform präsentieren. Bisher haben die Vorschläge der Regierung bei den Gläubigern jedoch wenig Enthusiasmus verbreitet. Aller Voraussicht nach wird das Parlament die Gesetze auch nicht mehr in dieser Woche beschließen, so dass eine Einigung noch immer in der Ferne liegt.

Die griechische Regierung muss im Juli 3,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die EZB zurückzahlen. Im Sommer 2015 hatten die Euroländer Griechenland einen weiteren, dritten Kredit in Höhe von 86 Milliarden Euro zugesagt. Nach einer ersten Auszahlung wurde jedoch kein weiteres Geld mehr überwiesen. Bei den derzeitigen Verhandlungen geht es um Einsparungen, die bis zu 5,4 Milliarden Euro betragen sollen. Darunter Rentenkürzungen und Mehreinnahmen durch Steuererhöhungen (direkte und indirekte). Bei den Banken sollen inzwischen mehr als 100 Milliarden Euro an faulen Krediten liegen.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland: ZEW-Konjunkturerwartungen fallen erneut deutlich
17.09.2024

Die wirtschaftlichen Perspektiven für Deutschland haben sich im September weiter verschlechtert. Die ZEW-Konjunkturerwartungen der...

DWN
Politik
Politik Sozialabgaben und Bemessungsgrenzen steigen kräftig: Lauterbach will Beitragszahler blechen lassen
17.09.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat es angedroht: Gutverdiener müssen sich 2025 auf deutlich höhere Kosten einstellen. Neben...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ein neuer China-Schock? Wie neue Exportwellen aus China die deutsche Industrie treffen könnten
17.09.2024

Chinas Wirtschaft scheint dieser Tage unberechenbar. Nun könnte ein neuer China-Schock die Kernindustrie Europas bedrohen. Wie groß ist...

DWN
Finanzen
Finanzen DSV ist ein Börsenwunder: Gewinn von rund 76.100 Prozent
17.09.2024

Keine andere dänische Aktie kann es mit der DSV-Aktie aufnehmen, wenn es um die Rendite geht. Eine Übernehme von DB Schenker baut diese...

DWN
Politik
Politik Merz wird Kanzlerkandidat der Union
17.09.2024

CDU-Chef Merz und CSU-Chef Söder haben sich in der Kanzlerkandidatur für Merz entschieden. Für den Mittag haben sie zu einer...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Intel stoppt Megaprojekt: Zweifel an Staatshilfen wachsen
17.09.2024

Der US-Chiphersteller Intel stoppt den Bau seiner Fabrik in Magdeburg, trotz zugesagter Staatshilfen im Umfang von 9,9 Milliarden Euro....

DWN
Politik
Politik Netzentgelte: Bundesnetzagentur plant vorzeitig steigende Gaspreise – bis zu 40 Prozent Erhöhung möglich
17.09.2024

Preistreiber Energiewende: Erdgasnetze werden überflüssig und sollen schrittweise bis 2045 abgebaut werden, doch die Endnutzer müssen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel: Weg frei für Fachkräfte aus Kenia – eine „Win-win-Situation“?
17.09.2024

Mit der Begründung, dass Deutschland Fachkräfte am Arbeitsmarkt fehlen, hat die Bundesregierung ein Anwerbungsabkommen mit Kenia...