Politik

Gegen Migranten: Nahles will Sozialhilfe für EU-Ausländer begrenzen

Lesezeit: 2 min
28.04.2016 17:42
Die Bundesregierung will staatliche Zuwendungen für EU-Ausländer drastisch kürzen: Sie sollen Hartz IV und Sozialhilfe nur noch erhalten, wenn sie zuvor in Deutschland gearbeitet haben. Die Maßnahme dient ausdrücklich zur Abschreckung von Migranten.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

«Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme unterbinden, auch aus Selbstschutz» - diesem Kurs folgt SPD-Sozialministerin Nahles jetzt konsequent. Ihr Ressort legt einen Gesetzentwurf vor, der auf viele Migranten abschreckend wirken dürfte.

EU-Bürger sollen in Deutschland frühestens nach fünf Jahren Hartz IV oder Sozialhilfe bekommen können, wenn sie hier nicht arbeiten. Sobald sie einen Job haben, sollen sie nach dem Willen von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles auch Sozialleistungen erhalten. Einen entsprechenden Gesetzentwurf verteidigte die SPD-Politikerin am Donnerstag in Berlin. Dies sei keine Schlechterstellung im Vergleich zur derzeitigen Praxis, doch einige Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) hätten zuvor für Unklarheiten gesorgt.

Grundsätzlich soll damit eine Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem unterbunden werden, unter anderem aus osteuropäischen EU-Staaten. CSU-Chef Horst Seehofer begrüßte den Vorstoß von Nahles. Nach ihren Worten vermeidet eine solche Reform auch «Verschiebebahnhöfe» zwischen Bund und Kommunen. Insgesamt handele es sich nur um wenige Fälle, die von dem Gesetz betroffen seien. Sie habe dieses Schlupfloch aber rechtzeitig schließen wollen, sagte Nahles. Ansonsten laufe man Gefahr, die Akzeptanz der Freizügigkeit in Europa, etwa auf dem Arbeitsmarkt, zu untergraben.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezogen im Januar hierzulande knapp 440 000 Menschen aus anderen EU-Staaten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Polnische Staatsangehörige bildeten mit rund 92 000 Leistungsbeziehern die größte Gruppe, es folgten Italiener (71 000), Bulgaren (70 000), Rumänen (57 000) und Griechen (46 000). Nicht alle dieser Menschen sind arbeitslos. Viele von ihnen sind Niedrigverdiener, die Lohn mit Sozialleistungen aufstockten. Mit 42 Prozent auffallend hoch ist der Anteil an «Aufstockern» bei Bulgaren und Rumänen.

Nahles hatte schon Ende Dezember auf eine BSG-Entscheidung zu Sozialleistungen für arbeitsuchende Zuwanderer aus EU-Staaten reagiert. Das Urteil schreibt vor, dass EU-Bürger bei einem Aufenthalt ab sechs Monaten in Deutschland Hilfen zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe beantragen können. Die Kommunen befürchteten erhebliche Mehrbelastungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich damals grundsätzlich hinter die Nahles-Pläne gestellt.

Seehofer sagte dazu der «Süddeutschen Zeitung» (Freitag), Nahles handele richtig. Es sei «erfreulich, dass Berlin jahrelange Forderungen der Bayern übernimmt», lobte der Ministerpräsident. Hamburgs Bürgermeister, der stellvertretende SPD-Chef Olaf Scholz, begrüßte die Nahles-Pläne ebenfalls. Die Freizügigkeit der EU-Arbeitnehmer beinhalte zwar das Recht, überall in der EU eine Arbeit aufzunehmen, sagte Scholz. «Sie beinhaltet aber nicht das Recht, den Ort der Sozialhilfe frei zu wählen.»

Der Linke-Bundestagsabgeordnete Jan Korte kritisierte hingegen: «Wenn man meint, die SPD sei schon ganz unten angekommen, kommt die Ex-Parteilinke Nahles und sortiert EU-Bürger in gute und schlechte.» Er fügte hinzu: «Wer Europa positiv denkt, muss europäische Lösungen entwickeln, statt sich national abzuschotten.»

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sagte: «Es ist gut und die Städte sind erleichtert, dass die Bundesregierung den Anspruch von EU-Bürgern auf Sozialleistungen in Deutschland neu regeln will. Das neue Gesetz wird nach dem, was bisher bekannt ist, Rechtssicherheit schaffen und erhebliche finanzielle Belastungen der Städte durch zusätzliche Sozialleistungen abwenden.» Das Gesetz sei auch nötig, um Fehlanreize für Zuwanderer aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten zu vermeiden.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Finanzen
Finanzen Boom-Segment aktive ETFs: BlackRock startet fünf neue Fonds
07.09.2024

Blackrocks ETF-Tochter iShares erweitert ihr Angebot in Europa um fünf neue aktive ETFs. Ziel der Fonds ist es, Anlegern kostengünstige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Flexible Arbeitszeiten: Sind Vollzeitjobs ein Auslaufmodell?
07.09.2024

Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur noch eine Minderheit eine Stelle mit festen Arbeitszeiten...

DWN
Finanzen
Finanzen Derivate Erklärung: So funktionieren Zertifikate, CFDs und Optionsscheine
07.09.2024

Derivate wie Futures, Optionen, Zertifikate, Optionsscheine, Swaps und CFDs sind heftig umstritten. Einige sehen darin notwendige...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoffprojekt in Namibia könnte KZ-Gedenkstätte gefährden
07.09.2024

Deutschland unterstützt ein Großprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Lüderitz. An diesem Ort befand sich einst das erste...

DWN
Immobilien
Immobilien Tag des offenen Denkmals: 7 ungewöhnliche Monumente in Deutschland
07.09.2024

Ob Schloss Neuschwanstein oder Siegessäule: Viele Denkmäler in Deutschland sind international bekannt. Hier werfen wir einen Blick auf...

DWN
Technologie
Technologie Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab
07.09.2024

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine...

DWN
Politik
Politik Trump-Erfolg im Schweigegeld-Prozess: Urteil erst nach US-Wahl
07.09.2024

Im New Yorker Prozess wegen Schweigegeldzahlungen von Ex-Präsident Donald Trump wird das Strafmaß erst nach der Präsidentschaftswahl...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Ungesunde Ernährung bereits bei Kleinkindern weit verbreitet
07.09.2024

Laut einer aktuellen Studie ernähren sich bereits Kleinkinder zu süß und ungesund. Wie das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, ein...