Politik

Trotz Bedenken: US-Forscher arbeiten am künstlichen menschlichen Genom

Lesezeit: 2 min
15.05.2016 03:28
Die Genforschung will neue Wege gehen. In einem neuen Projekt soll mittels Chemikalien versucht werden, das menschliche Genom synthetisch herzustellen. Dabei geht es um 2,3 Milliarden Basenpaare. Zehn Jahre setzen die Wissenschaftler dafür an.
Trotz Bedenken: US-Forscher arbeiten am künstlichen menschlichen Genom

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Auf einer geschlossenen Veranstaltung der Harvard Medical School in Boston wurde ein neues Genprojekt den 150 Teilnehmern vorgestellt: HGP-Write. Testing Large Synthetic Genomes in Cells“. Aufbauend auf dem Humangenprojekt (HGP), das sich mit der Entschlüsselung der gesamten genetischen Information der menschlichen DNA beschäftigt,  soll nun ein komplett synthetisches, menschliches Genom geschaffen werden. Chemikalien sollen genutzt werden, um die komplette DNA, die in den menschlichen Chromosomen ist, in zehn Jahren herzustellen, berichtet die New York Times. Die Veranstaltung war nicht öffentlich und die Teilnehmer wurden dazu angehalten, während der Konferenz nicht mit Medien in Kontakt zu treten oder auf Twitter zu posten.

Noch ist das Projekt nur eine Idee. Doch schon jetzt wird das Projekt nicht ganz ohne Kritik in der Wissenschaftswelt diskutiert. Gelänge die Schaffung eines solchen Genoms, wäre es theoretisch möglich, einen Menschen ohne biologische Eltern zu schaffen. Die Initiatoren des Projektes berufen sich indes darauf, dass es einen großen wissenschaftlichen Wert hätte. Statt das menschliche Genom zu lesen, wie es beim HGP der Fall war, soll das menschliche Genom nun quasi geschrieben werden: durch die Herstellung aller 3,2 Milliarden Basenpaare mit Chemikalien.

„Wäre es ok, Einsteins Genom zu entschlüsseln und dann zu synthetisieren“, fragt sich Drew Endy von der Stanford University angesichts des neuen Projektes. Er war eingeladen worden, an der geschlossenen Veranstaltung teilzunehmen, entschied sich jedoch dagegen, weil diese seiner Meinung nach nicht ausreichend Menschen zugänglich gemacht worden war, um eine wirklich ethische Diskussion zu ermöglichen.

George Church von der Harvard Medical School ist Mitinitiator des Projektes und sagte, das Projekt ziele nicht darauf, Menschen zu kreieren, sondern vielmehr darauf, Zellen zu schaffen. Außerdem solle es nicht nur um das menschliche Genom gehen. Vielmehr gehe es darum, DNA im Allgemeinen besser synthetisieren zu können. Noch gibt es Church zufolge keine finanziellen Mittel für das Projekt, obwohl bereits einige Stiftungen und Unternehmen kontaktiert wurden. Einige hätten aber bereits ihr Interesse bekundet. Church zufolge war die strenge Handhabe bezüglich der „Geheimhaltung“ während der Konferenz darauf zurückzuführen, dass die Initiatoren einem wissenschaftlichen Journal etwas zur Veröffentlichung gegeben haben. Diese sollten das Projekt als erste publizieren können.

Wie wichtig die Genomforschung sein kann, zeigen die jüngsten Forschungen zur Heilung und Therapie von Krankheiten wie HIV. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die entwickelte Genschere Crispr-Cas9. Ein Team chinesischer Forscher der Guangzhou Medical University hat vor kurzem mit der Genschere nun erstmals einen Embryo mit einer HIV-Immunität ausgestattet. Dafür griffen die Forscher auf eine Mutation namens CCR5 zurück, die bei einigen Menschen zu finden ist – bekannt als CCR5Δ32. Diese können sich nicht mit dem HIV-Virus infizieren.

Der Arzneimittelhersteller AstraZeneca hatte kürzlich angekündigt, die Genome von zwei Millionen Menschen zu sequenzieren. Zusammen mit dem Wissenschaftler Craig Venter, dem finnischen Institut für Molekulare Medizin und dem Welcome Trust Sanger Institute in Cambridge soll dieses Ziel in den kommenden Jahren umgesetzt werden.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...