Politik

Kardinal Lehmann: Ich habe keine Angst vor dem Islam

Der katholische Kardinal Lehmann möchte nicht vom christlichen Abendland sprechen, sondern von Europa. Vor dem Islam fürchtet er sich nicht, und nennt als Grund die Poesie, die sich im Islam findet. Über die „unglaublichen Grausamkeiten“ von islamistischen Strömungen sei er „perplex“.
16.05.2016 01:07
Lesezeit: 2 min

Der scheidende Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, hat keine Angst vor dem Islam. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Lehmann:

„Ich habe keine Angst. Und zwar zunächst einmal aus einem sehr plausiblen Grund. Als ich in Rom mein Studium begann, 1957, habe ich eine Vorlesung gehabt – lateinisch – von drei Stunden in der Woche, in einem langen Semester, über die nicht christlichen Religionen – längst vor dem Konzil. Da waren sechs, acht Stunden über den Islam dabei. Ich habe heute noch meine Mitschrift und ich hatte wenigstens ein bisschen Ahnung davon, deswegen brauchte ich auch keine Angst zu haben. Ich habe nachher, später, als ich zwölf Jahre in Freiburg an der Universität war, einen Kollegen in der Fakultät gehabt, der einen Lehrstuhl für Religionsgeschichte hatte – Pater (Richard) Gramlich, Jesuit –, der ein großartiger Kenner des Islam war, vor allen Dingen auch viele islamische Gedichte, Poesie aus dem Iran und so weiter zum ersten Mal übersetzt hat und wo ich also auch den Islam in dieser Hinsicht von einer Seite kennengelernt habe noch einmal, wie ich das vorher nicht wusste. Angst hat man vor etwas, was man nicht kennt. Und wir haben natürlich in vieler Hinsicht Angst, weil wir perplex sind vor den unglaublichen Grausamkeiten, auf die sich manche Strömungen – IS – in dem Bereich des Islam berufen. Aber die Erwartungen eines neuen europäischen Islam und was da alles so prophezeit wird, daran glaube ich noch nicht. Jedenfalls sehe ich noch nicht, wie man einen lebbaren Islam innerhalb unserer Demokratie in größerem Maße vorfinden wird. Aber ich hoffe, dass es so etwas gibt.“

Auf die Frage des DLF, dass der Pegida gelungen sei, was den Kirchen nicht gelungen sei, nämlich das Wort "Christlich" "wieder in die politische Debatte zu bringen", sagte Lehmann:

„Es gibt gewiss Versäumnisse, wovon die profitieren. Sie haben einiges genannt – ich würde zum Beispiel Heimat, Vaterland dazusetzen noch. Wir haben sicher auch vor lauter Blick auf Europa, Globalisierung und so fort manchmal die Verwurzelung der Leute in ihrer heimatlichen Kultur und so weiter etwas versäumt. Es gab vielleicht etwas unglückliche Dinge, etwa unter dem Stichwort der Leitkultur so etwas zu beleben, das ist halt nicht geglückt, und es geht ja bis in die 30er-Jahre hinein, mit der Berufung auf christliches Abendland und so weiter. Die Leute, die das vertreten haben, die waren natürlich in vielen anderen Fragen dann so unbeweglich, dass ich jedenfalls zum Beispiel das Wort nicht mehr gebraucht habe, obwohl ich eigentlich wirklich Europäer und Abendländer bin und auch bleibe.“

Daher spreche er lieber von "Europa" als vom christlichen "Abendland".

Die Frage der Christenverfolgungen durch die islamistischen Söldner-Truppen im Nahen Osten wurden in dem Gespräch nicht behandelt, ebenso wenig die Gewalt gegen christliche Flüchtlinge und Migranten in Deutschland.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Sondervermögen Infrastruktur: Wo gehen die 500 Milliarden Euro hin?
24.06.2025

Deutschland hat Infrastrukturprobleme. Das geplante Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Mrd. Euro soll in den nächsten zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Misserfolg bei Putins Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Die marode Kriegswirtschaft interessiert kaum jemanden
23.06.2025

Das Wirtschaftsforum in St. Petersburg sollte Russlands wirtschaftliche Stärke demonstrieren. Stattdessen offenbarte es die dramatische...

DWN
Politik
Politik Zwangslizenzen: EU hebelt den Patentschutz im Namen der Sicherheit aus
23.06.2025

Die EU will künftig zentral über die Vergabe von Zwangslizenzen entscheiden – ein tiefer Eingriff in das Patentrecht, der die...

DWN
Technologie
Technologie Umfrage: Zwei Drittel für europäischen Atom-Schutzschirm
23.06.2025

Eine Forsa-Umfrage zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Aufbau eines europäischen nuklearen Schutzschildes befürworten....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Internationale Anleger kehren der Wall Street den Rücken
23.06.2025

Ölpreise steigen, geopolitische Risiken nehmen zu – und Europas Aktienmärkte wirken plötzlich attraktiv. Während die US-Börsen ins...

DWN
Politik
Politik Personalmangel im öffentlichen Dienst - DGB fordert mehr Personal
23.06.2025

Milliardeninvestitionen sollen in Deutschland die Konjunktur ankurbeln. Doch Personalmangel in Behörden könnte den ehrgeizigen Plänen...

DWN
Politik
Politik Iran-Israel-Krieg: Internet überflutet mit Desinformation
23.06.2025

Falsche Videos, manipulierte Bilder, inszenierte Explosionen: Der Konflikt zwischen Iran und Israel spielt sich längst auch im Netz ab –...

DWN
Politik
Politik Aus Angst vor Trump: China lässt den Iran im Stich
23.06.2025

Chinas harsche Kritik an den US-Angriffen auf Iran täuscht über Pekings wahres Kalkül hinweg. Im Hintergrund geht es um knallharte...