Politik

Das EU-Parlament beschließt: Autos müssen leiser fahren

Die Automobil-Lobby hat in den vergangenen Monaten versucht, strengere Regeln durch Einflussnahme zu verhindern. Doch letztlich fiel die Entscheidung knapp gegen sie aus: Autos müssen leiser werden, beschloß ein wegen der Weihnachtsferien stark dezimiertes EU-Parlament.
19.12.2012 15:16
Lesezeit: 2 min

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Am Dienstag hat der Ausschuss für EU-Parlament Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit strengere Lärmvorschriften für Autos zum Schutz der Bürger genehmigt. Mit 30 zu 27 Stimmen – bei zwei Enthaltungen - wurde die  Überarbeitung der Lärmvorschriften genehmigt. Ziel ist es, den Lärmpegel, dem die EU-Bürger täglich ausgesetzt sind, 55 db, zu reduzieren. Die „permanente Aussetzung von hohem Verkehrslärm kann die physischen Reserven erschöpfen, die Organfunktionen stören und zum Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen“, begründete der Ausschuss die Änderungsvorschläge.

Die Entscheidung, die Lärmvorschriften deutlich zu verschärfen, ist im Ausschuss äußerst umstritten. Im Dezember legte die EU-Kommission einen Vorschlag vor, der die Lärmgrenze in zwei Stufen um 25 Prozent reduzieren würde. Die existierenden Grenzwerte würden dann für Pkws, Vans, Busse bei Inkrafttreten zunächst um 2db und drei Jahre später noch einmal um 2db gesenkt werden. Die Werte für Lkws würden sofort um 1db und in einem zweiten Schritt um 2db fallen.

In Bezug auf den Vorschlag der Kommission hatte dann der Ausschuss im EU-Parlament zwei Varianten vorgeschlagen. Die Europäische Volkspartei (EVP), welche die größte Fraktion im EU-Parlament darstellt, und die Europäische Konservativen und Reformer (ECR) wollten bei der Änderung der Vorschriften den PS-starken Autos mehr Lärm durchgehen lassen. Die Gruppe um die Progressive Allianz der Sozialisten & Demokraten (S&D), die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) und die Grünen wollten jedoch noch strengere Maßgaben erwirken. Nach dem 30 für und 27 gegen eine Änderung des Kommissionsvorschlages gestimmt hatten, entschieden sich die Abgeordneten des Ausschusses am Dienstag mit 29 zu 28 (2 Enthaltungen) für die strengeren Vorschriften.

Eine herbe Enttäuschung für den Sprecher der Autoindustrie, den tschechischen Abgeordneten Miroslav Ouzký. Er sorgte bereits im Vorfeld der Abstimmungen für Kontroversen. Es stellte sich heraus, dass unter den Autoren seiner bei den Diskussionen über den Lärmschutz vorgelegten Ausführungen auch ein Porsche-Berater war (die Tabakindustrie versuchte ebenfalls kürzlich, Einfluss auf europäische Entscheidungen zu nehmen – hier). Ouzký bezeichnete den nun genehmigten strengeren Gesetzesentwurf als „zu ehrgeizig“. Dieser „werde der europäischen Autoindustrie schaden, da sie deren Wettbewerbsfähigkeit einschränke und vielleicht sogar zu deren Zerstörung beitragen wird“, wird Ouzký in der Pressemitteilung des Ausschusses zitiert.

Zudem forderte Ouzký trotz der gültigen Abstimmung, die Verhandlungen mit den EU-Rat noch nicht aufzunehmen, ohne „die Unterstützung des ganzen Hauses“ zu haben. Doch wie die Zahl der Abgeordneten, die an der Abstimmung teilgenommen haben, zeigt, ist das Interesse nicht ganz so groß. Von den insgesamt 70 Abgeordneten waren lediglich 59 zugegen. Die Ferien begannen am 19. Dezember - die meisten EU-Leute sind schon seit geraumer Zeit abwesend (hier).

Noch hat die Abstimmung keine direkten Folgen. Fest steht, dass die Reduktion des Lärms bei Pkws und Lastkraftwagen erst sechs Jahre nach Inkrafttreten der neuen Verordnung zum Greifen kommen. Zudem sollen die Auswirkungen neuer Grenzwerte auf die Automobilindustrie erst überprüft werden und lediglich Neufahrzeuge davon betroffen sein. Wie stark die Grenzwerte nun nach unten korrigiert werden sollen, dazu machte der Ausschuss keine Angaben. Er entschied nur, dass die Kommissionsvorgaben noch strenger gefasst werden sollten. Auch von Strafen bei Überschreitungen ist nicht die Rede. Darüber hinaus empfahl der Ausschuss, mittels einer Kennzeichnung die Verbaucher künftig über den Geräuschpegel eines Neuwagens zu informieren. Neue Standards für Hybrid- und Elektrofahrzeuge bezüglich der Hörbarkeit „für gefährdete Teilnehmer“ sollen ebenfalls eingeführt werden, so der Ausschuss. Eine Option wäre, mittels eines Acoustic Vehicle Alerting System (AVAS), das einen Dauerschall erzeugt, die Fahrzeuge besser hörbar zu machen.

Im März soll das Plenum über die neue Verschärfung der Lärmvorschriften entscheiden. Im Anschluss daran werden der EU-Rat und das gesamte EU-Parlament noch einmal darüber abstimmen. Dann dürften alle Gegner einer grünen Auto-Politik anreisen - wozu haben sie denn ihre SUVs.

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