Die Schweizer haben die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in einem Referendum mit großer Mehrheit abgelehnt: Nach einer Hochrechnung des Instituts gfs.bern stimmten 78 Prozent der Wähler bei dem Referendum am Sonntag gegen die Pläne. Endgültige Ergebnisse wurden für den frühen Abend erwartet.
Das Grundeinkommen sollte nach der Vorstellung der Initiatoren allen Schweizern sowie Ausländern, die seit mindestens fünf Jahren in der Schweiz leben, ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen, ohne dass dafür ein fester Job nötig ist.
Die Gesetzesinitiative hatte keinen Betrag für das bedingungslose Grundeinkommen festgelegt, die Initiatoren empfahlen aber ein Einkommen in Höhe von 2500 Schweizer Franken (2260 Euro) für jeden Erwachsenen und 650 Franken für jeden Minderjährigen. Die Schweiz ist eines der Länder mit den höchsten Lebenshaltungskosten der Welt.
Die Schweizer Regierung sowie nahezu alle Parteien hatten die Bevölkerung dazu aufgerufen, das bedingungslose Grundeinkommen abzulehnen. Sie hielten die Initiative für zu teuer und befürchteten Nachteile für die Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Die Befürworter argumentierten hingegen, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde dem Staat durch die Abschaffung von Sozialleistungen Milliardeneinsparungen bringen.
Hintergrund ist auch die Sorge, dass angesichts der fortschreitenden Automatisierung vieler Arbeitsbereiche mittelfristig zahlreiche Stellen verschwinden könnten. Die Regierung warnte dagegen vor Kosten von 208 Milliarden Franken jährlich. Mit Ausnahme der Grünen lehnten alle großen Parteien den Vorstoß ab.
Die Ablehnung sei auf Unklarheiten und Zweifel bei der Finanzierung des Grundeinkommens zurückzuführen, erklärte Claude Longchamp, der Leiter des Institus gfs.bern im Schweizer Fernsehen SRF.
Die Wahllokale hatten am Vormittag geöffnet und ihre Türen bereits wenige Stunden später wieder geschlossen. Ein Großteil der Schweizer hatte bereits per Briefwahl gewählt. In Genf etwa gaben 47,4 Prozent der Wähler vor dem Sonntag ihre Stimme ab. Schon im Vorfeld hatte sich eine breite Ablehnung der Initiative abgezeichnet.
Auch in Deutschland wird immer wieder über ein bedingungsloses Grundeinkommen debattiert, das unter anderem von Teilen der Linkspartei befürwortet wird. Die Initiative "Mein Grundeinkommen" sammelt über das Internet Spenden, um Ausgewählten eine solche Absicherung zu ermöglichen.
Auch in einer zweiten Abstimmung entschieden die Schweizer gegen die Vorlage: Schweizer Staatsunternehmen wie der Telekom-Konzern Swisscom, die Post und die Bahn SBB können weiterhin Gewinne an Aktionäre und die Staatskasse abführen. Die Wähler des Landes lehnten am Sonntag einen Vorschlag ab, wonach die Konzerne ihr Geschäft auf eine landesweite Grundversorgung mit sehr gutem Service fokussieren sollten und nicht auf die Gewinnerwirtschaftung. Überschüsse sollten nach den Vorstellungen der Initiatoren der Abstimmung reinvestiert und nicht ausgeschüttet werden.
Hochrechnungen zufolge sprachen sich 67 Prozent der Schweizer Wähler gegen diesen Vorstoß von Verbraucherschützern aus, der zudem die Jahresgehälter der Top-Manager in den Unternehmen auf rund eine halbe Million Franken begrenzt hätte. Die Unternehmen lehnten die Initiative genauso ab wie die Schweizer Regierung und alle großen Parteien des Landes.
Ein "Ja" zu dem Gesetzesvorschlag hätte beispielsweise das Geschäftsmodell des Swisscom-Konzerns infrage gestellt. In dem Fall hätte die Regierung Analysten zufolge möglicherweise die Privatisierung des Unternehmens ins Auge gefasst. Zurzeit besitzt die Eidgenossenschaft gut 51 Prozent der Swisscom.