Politik

Griechenland: Justiz steht vor dem Kollaps

Die Sparmaßnahmen der Regierung haben das Gerichtssystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Um alle offenen Verfahren zu beenden, würde es zehn Jahre brauchen.
09.06.2016 23:09
Lesezeit: 1 min

Das Gerichtssystem in Griechenland droht zu kollabieren: Weil Rechtsanwälte und Juristen seit Monaten gegen Steuererhöhungen und die jüngst verabschiedete Rentenreform streiken, haben sich mittlerweile mehr als 320.000 unbearbeitete Fälle angehäuft – zusätzlich zu rund 380.000 Verfahren, die vorher schon liefen.

Als „Armageddon“, also als biblische Schlacht, bezeichnete die Athener Tageszeitung Kathimerini den Zustand am Donnerstag in einem Bericht – insgesamt seien rund 700.000 Verfahren offen.

Um all diese Fälle zu bearbeiten, bräuchten die Juristen bis zu zehn Jahre. Betroffen von dem Ausstand der Juristen sind nach dem Bericht nicht nur Zivilklagen, sondern auch große Fälle von Wirtschaftskriminalität, die Geld in die Staatskassen spülen könnten.

Die griechischen Juristen befinden sich bereits im fünften Monat im Ausstand. Sie protestieren gegen die Sparmaßnahmen der griechischen Regierung, von denen sie sich besonders betroffen sehen. Nach einer Rechnung des Athener Anwaltsverbands müsste ein junger Rechtsanwalt, der 20.000 Euro im Jahr verdient, nach den neuen Gesetzen 14.000 Euro Rentenbeiträge, Krankenversicherung und Steuern zahlen. Nach Angaben des Dachverbandes griechischer Rechtsanwälte erhöhen sich durch die neuen Sparmaßnahmen die Renten- und Krankenkassenbeiträge aller Freischaffenden um 223 Prozent.

Die Sanierung Griechenlands zeigt noch keine Erfolge

Im Frühjahr 2010 startete die EU die Sanierung Griechenlands. Heute hat das Land eine um fast 30 Prozent geringere Wirtschaftsleistung. Erfolgreiche Sanierungen sehen anders aus. Denn die Experten kennen nur ein Rezept: Vor allem muss das Land sparen, also das Defizit reduzieren. Dann werde sich alles zum Besten wenden. Vor einigen Monaten gab sogar der Währungsfonds in einer Analyse zu, dass diese Politik nicht erfolgreich ist. Die entscheidende Ursache für das Scheitern der Griechenland-Sanierung ist die falsch verstandene Sparpolitik und das Fehlen einer Wachstumsstrategie, die dem Land eine Perspektive geben sollte.

Tatsächlich wurde bislang nur den europäischen Großbanken geholfen, die Griechenland gigantische Summen geborgt hatten und bei einem Ausfall in arge Turbulenzen geraten wären. Somit „half“ man Griechenland mit Milliarden, die bei den Banken in Deutschland, Frankreich und anderswo als Tilgung der Schulden landeten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Algen auf dem Rechenzentrum: Die Revolution der Datenabwärme
09.06.2025

Server produzieren nicht nur Daten – sondern auch wertvolle Wärme. Ein französisches Rechenzentrum verwandelt diese jetzt in grüne...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Studie: Jedes zweite Unternehmen plant KI-Strategie mit Startups
09.06.2025

Der Open Innovation Report 2025 zeigt: 51 Prozent der deutschen Unternehmen setzen für ihre KI-Zukunft auf Startup-Kooperationen. Doch der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Bike war gestern: Wasserstoff-Fahrradmarkt kommt ins Rollen
09.06.2025

Polens Industrie schlägt neue Wege ein: Mit dem ersten Wasserstoff-Fahrrad für Unternehmen will Groclin die Mobilitätswelt verändern....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Sozialabgaben steigen ins Unermessliche - Bürokratie allein verschlingt 25 Milliarden Euro
09.06.2025

Sozialversicherungen kosten Arbeitnehmer und Unternehmen aktuell schon 42 Prozent des Bruttogehalts, Tendenz steigend. Die Bürokratie...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich mit 50? Nur, wenn Sie jetzt aufhören, Fehler zu machen
08.06.2025

Mit 50 ist es Zeit umzudenken: Zwei Finanzveteranen erklären, warum Schuldenabbau, kluge Rücklagen und langfristiges Denken entscheidend...

DWN
Politik
Politik Margrethe Vestager war eine der mächtigsten Personen Europas – jetzt sagt sie das „goldene Zeitalter“ voraus
08.06.2025

Margrethe Vestager gehörte zu den mächtigsten Frauen Europas. Jetzt zeichnet sie ein Bild der EU ohne USA – und sieht darin die große...

DWN
Immobilien
Immobilien Vermieter-Mieter-Verhältnis: Wie Sie Streit vermeiden
08.06.2025

Eine aktuelle Befragung vom Wissens- und Plattformunternehmen AktivBo zur Mieterzufriedenheit in Deutschland zeigt, dass die Mehrheit an...

DWN
Politik
Politik Trumps Politik führt zu 500 Millionen Dollar Investition in das Textilrecycling in Europa
08.06.2025

Während Donald Trump grüne Technologien im eigenen Land abwürgt, fließen halbe Milliardenbeträge nach Europa. Ein Unternehmen macht...