Politik

Union und SPD einigen sich über Erbschaftsteuer-Reform

Nach monatelangem Streit hat sich die Regierung auf eine Reform der Erbschaftsteuer geeinigt. Nach dem Kompromiss werden Firmen-Erben wie bisher von der Erbschaftsteuer weitgehend befreit, wenn sie das Unternehmen längere Zeit fortführen und Arbeitsplätze erhalten.
20.06.2016 11:08
Lesezeit: 2 min

Die Regierung hat sich auf eine Reform der Erbschaftssteuer geeinigt, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Der Einigung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen. Angestrebt wird ein Beschluss bis zur parlamentarischen Sommerpause am 8. Juli. Offen ist, ob die Grünen im Bundesrat die Pläne mittragen. Sie könnten sie verzögern. Die obersten Richter hatten bis Ende Juni ein Neuregelung gefordert. Die Verhandlungen hatten sich eineinhalb Jahre lang hingezogen.

Bisher müssen Unternehmensnachfolger generell kaum Steuern zahlen, wenn sie den Betrieb lange genug weiterführen und die Beschäftigung halten. Unabhängig vom Unternehmenswert werden Firmenerben bei der Erbschaftsteuer zu 85 oder 100 Prozent verschont, wenn sie das Unternehmen fünf beziehungsweise sieben Jahre fortführen. Die Verfassungsrichter hatten Ende 2014 eine Begünstigung generell für zulässig erklärt, aber schärfere Vorgaben verlangt.

Künftig sollen bei größeren Unternehmen Firmenerben nur verschont werden, wenn sie nachweisen, dass sie die Steuer nicht verkraften. Für Kleinbetriebe soll die Bagatellgrenze strenger gefasst werden. Die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer von rund sechs Milliarden Euro könnten etwas steigen. Nachfolgend die neuen Verschonungsregeln:

GROßVERMÖGEN: Ab Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall soll es eine „Bedürfnisprüfung“ geben. Der Erbe muss nachweisen, dass ihn die Zahlung der Erbschaftsteuer finanziell überfordern würde. Unterhalb der Grenzen werden weiter Steuervorteile gewährt. Lässt sich der Erbe auf die Bedürfnisprüfung ein, muss er sein Privatvermögen offenlegen. Das kann zur Hälfte zur Besteuerung herangezogen werden. Wird die Steuer aus dem Privatvermögen gezahlt, kann sie zehn Jahre lang zinslos gestundet werden - allerdings nur im Erbfall und nicht bei einer Schenkung.

ABSCHMELZMODELL: Soll das Privatvermögen privat bleiben, greift ein Abschlagsmodell: Mit wachsendem Unternehmensvermögen muss ein größerer Teil des Betriebsvermögens versteuert werden. Die Verschonung sinkt schneller mit der Größe des Unternehmensvermögens - bis auf null. Es würde im Extremfall also keine Verschonung geben. Keine Verschonung wird gewährt ab einem Erwerb von 90 Millionen Euro.

FAMILIENUNTERNEHMEN: Für Familienunternehmen mit Kapitalbindung beziehungsweise Verfügungsbeschränkung - der Erbe kann nicht frei über Gewinne oder Verkäufe entscheiden - ist ein Steuerabschlag auf den Firmenwert geplant. Der darf maximal 30 Prozent betragen.

KLEINBETRIEBE: Bisher sind Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern vom Nachweis des Arbeitsplatzerhalts befreit. Da ein Großteil der Firmen weniger als 20 Beschäftigte hat, haben die Richter die Verschonung unverhältnismäßig genannt. Künftig sollen nur Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern von der Nachweispflicht ausgenommen werden.

BETRIEBS- und VERWALTUNGSVERMÖGEN: Es soll bei der Abgrenzung zwischen „verschonungswürdigem“ und „nichtverschonungswürdigem“ Vermögen bleiben. Anders als Betriebsgrundstücke und Maschinen wird Verwaltungsvermögen besteuert und nicht „verschont“. 10 Prozent des Verwaltungsvermögens bleiben pauschal steuerfrei, auch Tatbestände wie die betriebliche Altersvorsorge oder verpachtete Grundstücke.

INVESTITIONSKLAUSEL: Mittel aus einem Erbe, die gemäß dem vorgefassten Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach seinem Tod für Investitionen in das Unternehmen getätigt

werden, sollen steuerrechtlich begünstigt werden.

UNTERNEHMENSWERT: Für das vereinfachte Ertragswertverfahren gibt es eine neue Berechnung. Das jetzige Verfahren führt angesichts der Niedrigzinsen zu unrealistisch hohen Firmenwerten. Bisher werden diese ermittelt, indem ein Kapitalisierungsfaktor von rund 18 mit dem Gewinn multipliziert wird. Künftig soll sich dieser Faktor zwischen 10 und maximal 12,5 bewegen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.

DWN
Finanzen
Finanzen Warren Buffett: Was wir von seinem Rückzug wirklich lernen müssen
10.05.2025

Nach sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway verabschiedet sich Warren Buffett aus dem aktiven Management – und mit ihm...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber kaufen: Was Sie über Silber als Geldanlage wissen sollten
10.05.2025

Als Sachwert ist Silber nicht beliebig vermehrbar, kann nicht entwertet werden und verfügt über einen realen Gegenwert. Warum Silber als...

DWN
Technologie
Technologie Technologieinvestitionen schützen die Welt vor einer Rezession
10.05.2025

Trotz der weltweiten Handelskonflikte und der anhaltenden geopolitischen Spannungen bleibt die Nachfrage nach Technologieinvestitionen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Starbucks dreht den Spieß um: Mehr Baristas statt mehr Maschinen
10.05.2025

Starbucks gibt auf die Maschinen auf: Statt weiter in teure Technik zu investieren, stellt das Unternehmen 3.000 Baristas ein. Nach...