Politik

Österreich: Nur noch knappe Mehrheit für EU-Verbleib

FPÖ-Chef Norbert Hofer hat einen EU-Austritt Österreichs ins Spiel gebracht. Ganz ohne Rückhalt in der Bevölkerung ist er dabei nicht. Einer aktuellen Umfrage zufolge wollen nur mehr 51 Prozent der Österreicher in der EU bleiben. EU-Kommissionspräsident Juncker hat diese Stimmung in den vergangenen Tagen kräftig angeheizt.
01.07.2016 00:37
Lesezeit: 2 min

Es ist kaum eine Woche her, dass sich die Briten in einem Referendum für einen Austritt aus der EU entschieden haben. Einen offiziellen Austritt haben die Briten noch nicht erklärt und dennoch hat sich bereits etwas in der EU geändert. Der Unmut über Institutionen wie die EU-Kommission ist groß, auch in Österreich.

Zwar hält jeder zweite Österreicher die Entscheidung der Briten für falsch, doch immerhin 45 Prozent sind der Meinung, dass es Österreich ohne die EU besser gehen würde. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Onlinemarktforschungsinstutes meinungsraum.at hervor. Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent möchte in der EU bleiben.

Die Umfrage zeigt aber auch, wie unterschiedlich die einzelnen Wählergruppen die Thematik beurteilen. Neben der Mehrheit der FPÖ-Wähler (82 %) denken immerhin auch 33 Prozent der ÖVP-Wähler, dass es dem Land ohne die EU besser gehen würde. Bei den SPÖ-Wählern und den NEOS sind es 24 und 17 Prozent. „Das Vertrauen in die EU ist auch in Österreich tief erschüttert und auch bei uns droht eine Spaltung des Landes. Es ist höchster Handlungsbedarf auch in der heimischen Politik gegeben“, sagt Christina Matzka, Studienleiterin bei meinungsraum.at

Wenn man die Weichen (in der EU) innerhalb eines Jahres mehr in Richtung Zentralismus stellt, anstatt sich auf die Grundwerte zu besinnen, dann müssen wir die Österreicher fragen, ob sie hier noch Mitglied sein wollen", sagte der stellvertretende FPÖ-Chef Norbert Hofer der Zeitung "Österreich". Parteichef Christian Strache hatte jüngst gesagt, ein "Öxit"-Referendum könnte dann zu einem FPÖ-Ziel werden, wenn sich die EU weiter unwillig bei der Einführung von Reformen zeige und wenn Länder wie die Türkei die Möglichkeit zum Beitritt in die EU bekämen.

Angesichts der letzten Amtshandlungen und Äußerungen der EU-Kommission zu CETA, Großbritannien und Glyphosat dürfte sich der Unmut gegenüber der EU in den kommenden Wochen in Österreich erst einmal weiter vergrößern. Trotz der Uneinigkeit der nationalen Regierung hinsichtlich einer Verlängerung der Glyphosat-Zulassung hatte die EU-Kommission beispielsweise die 18-monatige Verlängerung am Mittwoch im Alleingang beschlossen. Und hinsichtlich eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU kann man auf EU-Ebene den Eindruck gewinnen, man habe nur darauf gewartet, die Briten zu entlassen. Obwohl die Verträge eine Frist von zwei Jahren vorsehen, drücken Juncker und Tusk auf das Gaspedal.

Hinzu kommen die Äußerungen Junckers zum Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA). Im Zuge der TTIP-Verhandlungen war auch CETA in den vergangenen Monaten immer stärker in die Kritik geraten. Die Uneinigkeit zu Glyphosat lässt die EU-Kommission fürchten, dass CETA und TTIP auf den letzten Metern doch noch scheitern könnten. Und mit Großbritannien wird hier ein wichtiger Unterstützer bei der Überzeugungsarbeit fehlen. Und so nutzt Juncker trotz der Frage nach mehr Demokratie in der EU noch einmal die Gelegenheit, Kante zu zeigen, in der er eine Abstimmung der nationalen Parlamente bei CETA eine Absage erteilt.

Da die Bestimmungen des CETA-Abkommens allein unter die EU-Kompetenz fallen, wolle man keine Beteiligung nationaler Parlamente bei der Verabschiedung des Freihandelsabkommens CETA mit Kanada zulassen. Juncker hatte in der Sitzung der Regierungschefs nach Teilnehmerangaben angekündigt, er werde kommende Woche vorschlagen, dass CETA nur vom EU-Parlament ratifiziert zu lassen. „Wenn wir EU-Abkommen aus politischen Gründen zur gemischten Zuständigkeit erklären, ist das ein Rezept zur Lähmung der EU“, warnte er. „Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, überhaupt noch Handelsabkommen verhandeln zu können.“

Die Reaktion aus den EU-Ländern folgte prompt. „Im Interesse der EU darf man so was nicht tun“, sagte Österreichs Bundeskanzler Christian Kern. Das Vorgehen der Kommission koste die Europäischen Union viel Glaubwürdigkeit. Er räumte aber ein, dass es rechtlich schwierig werden könnte, dies noch zu ändern. Das „dumme Durchdrücken von Ceta“ werde alle Verschwörungstheorien zu den geplanten weiteren Freihandelsabkommen „explodieren“ lassen, sagte der deutsche Wirtschaftsminister Gabriel. Kein Mensch werde dann glauben, dass es beim umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP mit den USA nicht genauso laufen werde. „Wenn die EU-Kommission das bei Ceta macht, ist TTIP tot, warnte der Vizekanzler.

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