Die Turbulenzen nach dem Brexit-Votum werden nach Ansicht von Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard die Welt auf absehbare Zeit im Zinstief halten. „Bisher dachte ich an ein bis zwei Jahre, aber das geht wohl über diesen Zeitraum hinaus“, sagte der Chef des weltgrößten Rückversicherers am Dienstagabend in München. Die US-Notenbank werde es in diesem Jahr wohl bei einer Erhöhung belassen und die Europäische Zentralbank (EZB) habe keinen Grund, ihre Geldpolitik zu ändern. „Dazu passt ein schwaches britisches Pfund“, sagte von Bomhard. „Die Frage ist: Wie lange schauen die anderen zu?“
Politisch wertet von Bomhard die Entscheidung der Briten zum EU-Austritt als einen „Weckruf, den man nicht verstreichen lassen darf“. Die Europäische Union habe ein Demokratiedefizit. Der europäische Rat sei „demokratisch gesehen ein Unding“, die Kommission demokratisch „nicht wirklich legitimiert“. Um solche Mängel zu beheben, müsse die Politik die europäischen Verträge „noch einmal anfassen“. Dabei brauche es nach der Erfahrung mit Griechenland auch ein Insolvenzrecht für Staaten. Zudem müsse man den Wählern wieder klarmachen, für was die EU eigentlich gut sei.
Für sich selbst betrachtet die Munich Re den Brexit bisher nicht als großes Ereignis. „Der Kapitalmarkt hat eigentlich vernünftig reagiert“, sagte von Bomhard. Da der Rückversicherer stärker im Dollar engagiert sei, wirke sich die Schwächung des britischen Pfunds sogar leicht positiv aus. Sollte aus der Unsicherheit allerdings eine Finanzkrise entstehen, „dann sind auch wir betroffen“, räumte er ein.
Schon das Zinstief macht der Branche seit Jahren zu schaffen, vor allem in der Lebensversicherung. Dort fällt es den Unternehmen zunehmend schwerer, die in der Vergangenheit versprochenen hohen Garantiezinsen für ihre Kunden am Finanzmarkt zu erwirtschaften. Die Munich-Re-Tochter Ergo schickt ihre Vertragsbestände der klassischen Lebensversicherung daher in die Abwicklung und konzentriert sich wie andere Versicherer auf neuartige Verträge ohne Garantiezins.