Politik

Russland appelliert an die Türkei: Blutvergießen vermeiden!

Lesezeit: 2 min
16.07.2016 00:24
Russlands Außenminister Lawrow fordert Armee und Politiker in der Türkei auf, ein Blutvergießen zu vermeiden. US-Außenminister Kerry, der gerade in Moskau weilt, hat ebenfalls zur Ruhe gemahnt. Es ist unklar, ob Russen und Amerikaner vorher Hinweise auf den Putsch gehabt hatten. Kerry war überraschend nach Moskau gereist.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Türkei  

Die türkische Armee hat die Übernahme der Macht in der Türkei verkündet sowie das Kriegsrecht und eine Ausgangssperre verhängt. "Die Macht im Land ist in ihrer Gesamtheit übernommen", hieß es in einer im Fernsehsender NTV am Freitagabend verlesenen Erklärung des Militärs. Vor dem Istanbuler Atatürk-Flughafen fuhren laut NTV Panzer auf. Präsident Recep Tayyip Erdogan rief die Türken auf, gegen die Putschisten auf die Straße zu gehen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, jedes Blutvergießen müsse vermieden werden. Es ist in diesem Zusammenhang bekmerkenswert, dass sich US-Außenminister Kerry gerade in Moskau aufhält. Den ganzen Tag über hatten Journalisten und Beobachter in Washington über den Zweck des Besuchs gerätselt. Es ist zur Stunde unklar, ob Russland und die USA im voraus Informationen über den Putsch gehabt hatten. Die Türkei ist ein Nato-Staat - es ist unklar, ob die Putschisten besonders Nato-treu sind und dementsprechend die Nato über ihre Pläne auf dem laufenden gehalten haben.

Sollte dies der Fall gewesen sein, ist es naheliegend, dass Kerry nach Moskau gereist ist, um Putin über die bevorstehenden Entwicklungen zu informieren. Dies ist unerlässlich, weil es sonst zu einer globalen Konfrontation hätte kommen können. Erdogan hatte zuletzt versucht, mit Russland wieder eine Gesprächsbasis zu etablieren. Russland und die USA arbeiten in Syrien eng zusammen, um den außer Kontrolle geratenen Söldner-Krieg zu beenden. Erdogan hatte bis zuletzt seine eigene Agenda in Syrien verfolgt.

US-Außenminister John Kerry äußerte die Hoffnung auf Frieden, Stabilität und "Kontinuität" in der Türkei. Von Moskau aus sagte er, noch versuche er, sich eine Übersicht über die sich schnell entwickelnden Ereignisse zu verschaffen. US-Präsident Barack Obama wurde von seinen Beratern über die Entwicklung in der Türkei auf dem Laufenden gehalten, wie der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats mitteilte.

Von griechischer Regierungsseite hieß es, die Lage in der Türkei werde "aufmerksam und mit kühlem Kopf" verfolgt. Griechenland und die Türkei sind beide Nato-Mitgliedsstaaten, gelten aus historischen Gründen aber als Rivalen.

Die regierungsnahe Nachrichtenagentur Anadolu meldete unter Berufung auf "glaubhafte Quellen", der Generalstabschef Hulusi Akar sei in Ankara eine Geisel der Putschisten. In einer im Staatssender TRT verlesenen Erklärung des "Rats für den Frieden im Land" verkündeten die Putschisten, sie würden "nicht erlauben, dass die öffentliche Ordnung in der Türkei gestört werde".

Zuvor hatte Ministerpräsident Binali Yildirim einen "illegalen Versuch" von Teilen des Militärs verurteilt. Die Beteiligten an dem "illegalen Akt" würden "den höchsten Preis" zahlen, sagte Yildirim NTV am Telefon. Die Regierung werde "den Versuch" nicht zulassen. Es sei aber nicht richtig, von einem "Putsch" zu sprechen. Die türkischen Nachrichtensender sprachen dagegen von einem "versuchten Staatsstreich".

Der türkische Präsident Erdogan verurteilte einen "Aufstand einer Minderheit in der Armee". Der Staatschef rief die Bevölkerung am späten Freitagabend im Nachrichtensender CNN-Türk auf, sich auf öffentlichen Plätzen und an den Flughäfen zu versammeln, um sich der versuchten Machtübernahme entgegenzustellen. Die "Putschisten" würden keinen Erfolg haben, sagte Erdogan dem Sender per Telefon.

Aus dem Umfeld der Präsidentschaft verlautete, Erdogan sei an einem sicheren Ort. In Ankara war eine heftige Explosion zu hören. Der Grund war zunächst unklar. Kampfflugzeuge und Militärhelikopter waren am Himmel über der Hauptstadt zu hören.

CNN-Türk berichtete über eine außergewöhnliche Mobilisierung von Sicherheitskräften vor dem Sitz des Generalstabs in Ankara. Zuvor waren die beiden Bosporus-Brücken in Istanbul teilweise gesperrt worden. Die Sicherheitskräfte schlossen die beiden Bosporus-Brücken in Istanbul für sämtlichen Verkehr von der asiatischen Seite der Millionenmetropole in Richtung der europäischen Seite, wie NTV berichtete.

Zuletzt hatte es in der Türkei 1997 einen sogenannten kalten Militärputsch gegeben, bei dem eine Machtdemonstration der Armee die damalige Regierung zum Rücktritt gezwungen hatte. Die Armee, die sich als Garant und Verteidiger der säkularen türkischen Republik sieht, hatte zuvor bereits 1960, 1971 und 1980 geputscht.

Die derzeitige islamisch-konservative Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan, dessen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) seinerzeit aus der politischen Bewegung des islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan hervorging, kämpft seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2002 darum, den politischen Einfluss der Armee zu beschneiden.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Immobilien
Immobilien Haus & Grund rät zu Geduld: Bei Grundsteuer auf neuen Bescheid warten
21.12.2024

Im Durchschnitt sollte es nicht teurer werden, das war das Versprechen der Grundsteuer-Reform. Doch noch immer wissen viele nicht, wie viel...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...

DWN
Finanzen
Finanzen Nach Trumps missglücktem Finanztrick: Stillstand der US-Regierung doch noch abgewendet
21.12.2024

Der US-Kongress hat einen drohenden Stillstand der Regierungsgeschäfte im letzten Moment abgewendet. Nach dem Repräsentantenhaus...