Finanzen

Rohstoff-Schock: Kurze Erholung der Preise ist vorüber

Die Erholung an wichtigen Rohstoffmärkten gerät offenbar ins Stocken. Mittlerweile beginnen die Preise in einigen Bereichen – allen voran dem Ölsektor – wieder zu sinken an.
30.07.2016 22:54
Lesezeit: 4 min

Die Helaba analysiert die Entwicklung der Rohstoffpreise und konstatiert: Von einem Ende des Rohstoff-Schocks ist die Weltwirtschaft weit entfernt:

Nach Unterschreiten der 50-Tage-Linien haben die führenden Rohstoffindizes zumeist den seit Mitte Januar bestehenden kurzfristigen Aufwärtstrend gebrochen. Inzwischen steuern sie auf die 200-Tage-Linien zu. Der SPGSCI-TR-Index hat sie bereits leicht unterschritten. Insgesamt wirkt die Charttechnik mittlerweile eher labil. Gewinner beim 1M-Vergleich war zuletzt Nickel (+16,5 %), während US-Weizen (-14,6 %) das Schlusslicht darstellte.

Nachdem Schlüsselrohstoffe wohl erst einmal „abgegrast“ sind, scheint sich die Investmentnachfrage auf Nebenschauplätze mit „vermeintlichem Eigenleben“, wie Baumwolle, Nickel und Zink, zu richten. Rohstoffe konnten als Anlageklasse in jüngster Zeit nicht mehr von der wieder zunehmenden Risikofreude profitieren. In den kommenden Monaten könnten sich der noch vorherrschende physische Angebotsüberhang und weniger enthusiastische Finanzinvestoren noch als Bremsfaktor erweisen. Die Impulse aus dem Makroumfeld dürften selbst nach den Bekundungen zu einer Wachstumspolitik auf dem jüngsten G20-Gipfel der Finanzminister insgesamt eher gemischt ausfallen. Die Einkommensperspektiven bleiben vermutlich überwiegend verhalten, die Nachfrage rohstoffintensiver Güter begrenzt. Gleichzeitig könnte eine wieder weniger international abgestimmte Geldpolitik über die Währungsseite für Irritationen sorgen. Jedenfalls ist bei Rohstoffen zunächst wohl kaum mehr mit Rückenwind durch einen leichteren US-Dollar zu rechnen. Wenn auch keine massiven Preisrückgänge mehr zu erwarten sind, so ist der Aufstieg aus dem Tal vermutlich doch mühsamer als im ersten Halbjahr zeitweilig erhofft.

Überblick Rohstoffgruppen

Energie

Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf den Mineralölmärkten lässt wohl noch eine Weile auf sich warten. Bei Brent-Notierungen über 50 USD/Barrel scheint er schon gar nicht möglich zu sein, da in diesen Preisregionen die Förderung eher zusätzlich an Dynamik gewinnt. Inzwischen wird auch deutlich, dass nicht nur weiterhin außergewöhnlich viel Rohöl gebunkert ist, sondern auch „Downstream“ einiges an Material festhängt. Rund zwei Drittel der Öldestillate gehen in den Transportsektor. Gerade hier gibt es wohl mittlerweile eine weltweite Angebotsschwemme, die übrigens auch durch die Diesel-Exporte der Raffinerien in China verstärkt wird. Wachstumsunsicherheiten und der gedämpfte Welthandel sind auch nicht gerade die „Zutaten“ für kurzfristig deutlich steigende Mineralölnotierungen.

Edelmetalle

Angesichts des „Katz-und-Maus-Spiels“ der US-Notenbank könnte es bei Gold in den kommenden Monaten auch immer wieder zu Preisrücksetzern kommen. Allerdings dürfte es die Fed wie schon im letzten Sommer nicht darauf ankommen lassen, dass die Zinserwartungen der Marktteilnehmer zu sehr anziehen. So müssten sich die Realzinsen auch weiterhin auf einem für Gold günstigen Niveau bewegen. Die Ölpreiserwartungen werden sich vermutlich allmählich stabilisieren, so dass Deflationsszenarien zum Jahresende hin wieder an Bedeutung verlieren dürften. Jedenfalls liegt das Überraschungspotenzial bei den aktuellen (sehr niedrigen) Inflationserwartungen nicht wie während der Hausse in 2011 für Gold auf der falschen Seite. Das fundamentale Umfeld dürfte eher noch viele im gelben Metall unterinvestierte Anleger zu Käufen anregen.

Industrierohstoffe

Zink ist neben Silber der Ausnahmerohstoff im bisherigen Jahresverlauf. Unter den Primärmetallen vollzog zuletzt zudem Nickel aufgrund politisch veränderter Angebotsbedingungen einen Preissprung. Nach Indonesien planen auch die Philippinen Verkaufsbeschränkungen bei Nickelerzen. Angesichts extrem hoher Lagerbestände, Substitutionsmöglichkeiten und einem zuletzt positiven Weltnickelsaldo ist allerdings fraglich, ob der Preisanstieg nachhaltig sein wird. Ohne die spezielle Situation (niedrige Lagerbestände, enge Kapazitäten) und die damit verbundene Dynamik bei Zink hätten Primärmetalle als Gruppe bislang wesentlich schlechter abgeschnitten. Während die Nachfrageimpulse aus dem Immobilien- und Automobilsektor eher nachlassen dürften und der Investitionsgüterbereich eher weiter dämpft, richten sich die Hoffnungen nach dem jüngsten G20-Gipfel der Finanzminister einmal mehr auf große öffentliche Infrastrukturmaßnahmen.

Getreide

Die Produktionsbedingungen sind bei Getreide in diesem Jahr extrem unterschiedlich und in einzelnen Regionen, wie Frankreich und Deutschland, so von schlechter Wetterlage geprägt, dass der Abwärtstrend der Notierungen trotz Rekordernten im Schwarzmeerraum wohl nicht einfach fortgeschrieben werden kann. So scheint selbst das international wohl am meisten handelbare zeitweilige Sorgenkind Weizen inzwischen einen Boden zu bilden. Gleichwohl bleibt abzuwarten, wie die Ernten ausfallen. Sofern keine nachhaltigen Wetterprobleme eintreten, wovon wir ausgehen, dürfte die Preisnormalisierung anhalten. Sojabohnen dürften ihren Sonderstatus aufgrund der Angebots-/Nachfragebedingungen aber wohl eher behaupten. Insgesamt bleibt damit ein im historischen Vergleich erhöhtes Preisniveau wahrscheinlich doch erhalten.

Genussmittel

Die weltweiten Lager bei Genussmitteln sind keineswegs leer und der Wetterzyklus dürfte in der nächsten Saison 2016/17 die Ernten eher wieder höher ausfallen lassen. Das Augenmerk richtet sich auf Brasilien und Westafrika, wahrscheinlich immer weniger auf Asien. Gleichwohl dürften die Spekulationen über unvorteilhafte Wetterbedingungen die Notierungen zunächst noch in Spannung halten. Sollten aber die nichtkommerziellen Marktteilnehmer dann doch umfangreiche Positionen liquidieren, stünde auch schnell wieder eine spürbare Preisdämpfung ins Haus. Die Notierungen sind bei Zucker (mit 21 $¢/lb), Kaffee (mit 150 $¢/lb) und Kakao (mit 3.200 $/t) scheinbar erst einmal an die Decke gestoßen. In der westlichen Welt kommt hinzu, dass in der Verarbeitung von Genussmitteln zunehmend auch „unter gesundheitlichen Aspekten“ die Portionen und damit der Input immer kleiner ausfallen. Weniger offensive Szenarien scheinen angebracht zu sein.

Tierprodukte

Das US-Fleischangebot ist trotz saisonal nicht gerade geringer Nachfrage offenbar immer noch üppig. US-Lebendrind steuert vor diesem Hintergrund inzwischen auf die 100 $¢/lb-Marke zu. US-Magerschwein bewegt sich nach einem lokalen Hoch bei reichlichem Angebot wieder zielstrebig in Richtung Süden. Auch angesichts deutlich niedrigerer Futtermittelkosten sind die Schweineherden in diesem Jahr massiv angewachsen. Der Bestand ist vor allem saisonal betrachtet recht hoch. Allerdings dürfte die Volatilität bei Tierprodukten noch zunehmen. Die Hitzewelle im mittleren Westen der USA mag zwar kurzfristig noch zu mehr Schlachtungen führen, mittelfristig dürfte sie aber zusammen mit angebotszerstörenden Preisen zu einem für die Produzenten wieder annehmbaren Gleichgewicht führen.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...