Finanzen

USA: Unternehmen bevorzugen Aktionäre auf Kosten der Rentner

Einem Bericht der Citibank zufolge sind die Betriebsrenten großer US-Unternehmen massiv unterfinanziert. Allein die 25 größten Firmen aus dem S&P 500-Index weisen demzufolge ein Defizit von 225 Milliarden Dollar auf. Verantwortlich für die extreme Schieflage sind nicht zuletzt die hohen Ausschüttungen an die Aktionäre, wegen denen kaum mehr Kapital für die Renten der Arbeiter übrig bleibt.
30.08.2016 02:33
Lesezeit: 2 min
USA: Unternehmen bevorzugen Aktionäre auf Kosten der Rentner
Seit acht Jahren sind die Rentensysteme der S&P 500-Firmen unterfinanziert. (Grafik: Citi)

Aus einem Bericht der US-Großbank Citigroup geht hervor, dass die Betriebsrenten vieler großer Unternehmen unterfinanziert sind. Bei den 500 Unternehmen des S&P-Index belaufe sich das Gesamtdefizit mittlerweile auf 375 Milliarden Dollar, zitiert der Finanzblog Zerohedge aus dem Papier der Citibank. Besonders bedenklich sei die Schieflage bei den 25 größten Unternehmen des Index – dazu gehören Konzerne wie General Electric, General Motors, Boeing und Exxon Mobil: hier fehlten 225 Milliarden Dollar an Einlagen zur Bezahlung künftiger Rentenansprüche der Arbeiter.

Der starke Anstieg der Aktienkurse dieser Unternehmen hatte offenbar keine positive Wirkung auf die Kapitalpolster der Unternehmen. In dem Bericht heißt es:

„Die Renten-Unterfinanzierung bleibt ein wichtiges Thema bei den Firmen aus dem S&P 500, weil sehr respektable Aktienkursgewinne in den vergangenen sieben Jahren den Druck auf die Rentensysteme nicht lindern konnten. Der S&P 500 lag Ende 2015 rund 200 Prozent höher als im März 2009 aber das Gesamtdefizit von 375 Milliarden Dollar liegt jetzt 22 Prozent verglichen mit dem letzten Höchststand im Dezember 2008, als es 308 Milliarden betrug.“

Die Unterfinanzierung der Betriebsrenten ist eine logische Folge der Ausschüttungs-Politik der meisten betroffenen Firmen. Diese hatten in den vergangenen Jahren nicht nur massiv Aktien zurückgekauft, sondern auch hohe Dividenden ausgeschüttet. Beides kommt den Aktionären der Unternehmen – meist Banken oder andere Großkonzerne zugute – vernachlässigt aber die Bildung von Rücklagen für die Betriebsrenten. Banken profitieren doppelt von Dividenden und Aktien-Rückkäufen, wenn das Kapital zu dessen Finanzierung aus Krediten der Bank stammt. In diesem Fall dienen die Unternehmen praktisch nur noch als Vehikel zur Selbstbedienung.

General Electric hielt die Ausschüttungen im laufenden Jahr mit 0,23 Dollar konstant zum Vorjahr. 2014 lagen diese allerdings mit 0,22 Dollar noch tiefer – ebenso wie in allen vorangegangenen Quartalen seit 2009, als 10 Cent an Dividende pro Aktie ausbezahlt wurden. Einem Bericht zufolge vollzieht das Unternehmen derzeit ein massives Aktien-Rückkaufprogramm, wobei alleine im laufenden Jahr Titel im Gesamtwert von 20 Milliarden Dollar zurückgekauft werden könnten.

Das 2015 beschlossene Rückkaufprogramm von General Motors soll bis Ende 2016 von 5 auf 9 Milliarden Dollar ausgeweitet werden, berichtet das Wall Street Journal. Außerdem sollen die Rückkäufe bis 2017 noch ausgeweitet werden. Die Dividenden an die Aktionäre stiegen von 0,30 Dollar im Jahr 2014 auf aktuell 0,38 Dollar an, wie aus Veröffentlichungen des Autobauers hervorgeht.

Boeings Aktienrückkäufe besaßen einen beträchtlichen Umfang von insgesamt 19 Milliarden Dollar in den vergangenen drei Jahren. Auch die Dividenden liegen derzeit so hoch wie mindestens seit dem Jahr 2000 nicht mehr, wie aus einer Auflistung von Nasdaq hervorgeht.

Das wohl umfangreichste Rückkaufprogramm startete Exxon Mobil vor zehn Jahren. 210 Milliarden Dollar wurden seitdem reinvestiert. Im Februar mussten die Rückkäufe aufgrund des Ölpreisverfalls erstmals seit Langem drastisch eingestampft werden, wie Reuters berichtet. Exxon schüttet zudem von Jahr zu Jahr höhere Dividenden aus. Wie das Unternehmen selbst angibt, waren die Ausschüttungen in den vergangenen drei Quartalen des laufenden Jahres höher als in allen vergleichbaren Quartalen seit 2008.

Verantwortlich für die Situation ist aus Sicht der Citigroup letztendlich auch die Zentralbank Fed, deren Niedrigzinspolitik dazu geführt habe, dass Rentenfonds kaum noch Rendite erwirtschaften und Vorsorge für die Zukunft betreiben könnten. „Die Renten des S&P 500 entwickelten sich vom Status einer Voll-Finanzierung hin zu einem Defizit von 375 Milliarden Dollar in nur acht Jahren. Das Hauptproblem ist natürlich die Niedrigzinspolitik der Fed, welche beide Seiten der Rentengleichung belastet. Renteneinlagen haben seit 2007 praktisch stagniert, weil Fonds keine Renditen mehr finden. Dagegen haben die niedrigen Renditen der Unternehmensanleihen dazu geführt, dass die Verpflichtungen in der gleichen Periode um über 40 Prozent angestiegen sind.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump-Zölle könnten Preiskarussell, Zinserhöhungen und Insolvenzen anheizen - die EU bereitet sich vor
02.04.2025

Die Regierungen weltweit bereiten sich auf die massive Einführung von Zöllen durch US-Präsident Donald Trump vor, die, so sein Plan,...

DWN
Finanzen
Finanzen Tesla-Aktie stürzt ab: Miese Tesla-Auslieferungen belasten - was das für Anleger bedeutet
02.04.2025

Die weltweiten Auslieferungen des US-Autobauers Tesla sind im vergangenen Quartal um 13 Prozent auf 336.681 Fahrzeuge zurückgegangen....

DWN
Panorama
Panorama Polizei: Kriminalstatistik 2024 zeigt Ausländeranteil bei Gewaltdelikten in Deutschland steigt deutlich
02.04.2025

Die Kriminalstatistik der Polizei offenbart ein besorgniserregendes Bild: Die Zahl der erfassten Gewalttaten ist 2024 um 1,5 Prozent...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mercedes-Benz erwägt Ausstieg aus dem Billigsegment in den USA aufgrund von Trump-Zöllen
02.04.2025

Die Mercedes-Benz Group prüft derzeit, ob sie ihre günstigsten Fahrzeugmodelle in den USA aus dem Sortiment nimmt. Hintergrund sind die...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Volatile Märkte vor Trumps Zollerklärung
02.04.2025

Die US-Börsen dürften überwiegend mit Verlusten in den Mittwochshandel starten, vorbörslich stecken die Technologieindizes an der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen DWS-Aktie unter Druck: Deutsche-Bank-Tochter muss Millionenstrafe wegen Greenwashing zahlen
02.04.2025

Die DWS, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bank, wurde in Deutschland zu einer Millionenstrafe wegen "Greenwashing"-Vorwürfen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kurzarbeit statt Massenarbeitslosigkeit? Verlängerung des Kurzarbeitergeldes steht in der Kritik
02.04.2025

Die Wirtschaft steckt fest in einer Strukturkrise: seit 5 Jahren kein Wachstum. Die Folge: Immer mehr Unternehmen bauen Stellen ganz ab...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Wirtschaft: Verbände fordern dringenden Kurswechsel der Koalition
02.04.2025

Bitte kein "Weiter-so"! Mit Unmut blicken deutsche Wirtschafts- und Industrieverbände auf das, was die noch namenlose Koalition aus Union...