Politik

Merkel gerät nach Wahl-Schlappe unter Druck in den eigenen Reihen

Bundeskanzlerin Merkel gerät nach der schweren Niederlage der CDU in Mecklenburg-Vorpommern in die Kritik der eigenen Leute: In CDU und CSU fürchtet man um die bisher unumstrittene Führungsposition der Union im Bund. Die CSU hält sich in der Frage, ob sie Merkel noch einmal unterstützt, sehr bedeckt.
05.09.2016 02:58
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die dpa berichtet aus der CDU-Parteizentrale: "Auch wenn die CDU-Anhänger in der Parteizentrale leise leiden: Eine Runde älterer Parteimitglieder, alle seit Jahrzehnten in der CDU, lässt den Frust raus. Von einem ,Schlag ins Kontor' ist die Rede. Und davon, dass Merkel nicht mehr ihre Kanzlerkandidatin sei. Sie habe sich nicht überlegt, welche Nachwirkungen ihre Flüchtlingsentscheidung von vor einem Jahr haben könnte, klagt eine ältere Dame. Es sei schlicht ,traurig, dass kein Parteivorsitzender mal an einen Nachfolgekandidaten denkt'. Auch wenn der komplette Dammbruch ausgeblieben ist - dass die AfD mit ihren Anti-Flüchtlingsparolen vor der Kanzlerinnenpartei liegt, ist ein erneutes Warnzeichen für Merkel, sozusagen ein Menetekel. Und das ausgerechnet an einem solch symbolhaften Datum: Genau vor einem Jahr, in der Nacht vom 4. auf den 5. September 2015, hatte Merkel Tausende in Ungarn festsitzende Flüchtlinge unbürokratisch und ohne große Kontrollen nach Deutschland einreisen lassen. Seither wächst die Kritik an Merkel, ihre Beliebtheitswerte brechen ein."

CDU-Generalsekretär Peter Tauber versucht erst gar nicht, die Lage schön zu reden. Die Menschen hätten Angst und das Gefühl, abgehängt zu sein. "Es ist uns nicht gelungen, diese Angst zu zerstreuen." Zwar habe man Asylpakete und Integrationsgesetze verabschiedet, und weniger Flüchtlinge kämen außerdem. Wahr sei aber auch, dass es Zeit brauche, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Die Partei müsse nun stärker ihre Politik erklären und deutlich machen, dass man bei der Problemlösung vorankomme.

Die dpa spricht von einer "Schlappe" für Merkel und spekuliert, ob die Kanzlerin wirklich noch einmal zur Bundestagswahl antreten werde: "Es gibt nur wenige, die darauf wetten, dass sie aufhören will. Denn sie wolle sich nicht nachsagen lassen, dass sie das Land ungeordnet zurückgelassen hat, heißt es intern. Doch manche, die Merkel sehr gut kennen, sagen, dass man sich nicht täuschen solle. Wenn sie das Gefühl habe, für das Land und die Partei nicht mehr die Richtige zu sein, werde sie verzichten."

Auch der CDU-Chef in Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, sparte nicht mit Kritik an der Bundespolitik, für die Merkel die Verantwortung trägt. Er sagte in der ARD, dass die Niederlage ein Ergebnis der Flüchtlingspolitik gewesen sei. Auch sei es nicht hilfreich gewesen, wenige Tage vor der Wahl mit einem Katastrophenschutzplan an die Öffentlichkeit zu gehen.

Nach deutlicher wird die CSU: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte dem Tagesspiegel: "Nach dem dramatischen Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern muss die Berliner Republik endlich die notwendigen Entscheidungen treffen." Die CSU gebe hier einen klaren Kurs vor. "Wir brauchen eine Obergrenze für Flüchtlinge,

schnellere Rückführungen, eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer und eine bessere Integration."

Nach dem schlechten Abschneiden der CDU bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern kommt aus der CSU massive Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) forderte einen härteren Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik. Das Ergebnis müsse "ein Weckruf für die Union sein", sagte er der "Bild" und den "Nürnberger Nachrichten" (Montagsausgaben).

"Die Stimmung der Bürger lässt sich nicht mehr ignorieren", sagte Söder. "Es braucht einen Kurswechsel in Berlin."

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Stephan Mayer, sagte der "Huffington Post": "Das Ergebnis für die CDU ist katastrophal." Hauptursache für die Niederlage der CDU sei die Unzufriedenheit vieler Wähler mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. "Zwar hat die Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik seit 2015 viel verändert, doch bei vielen Wählern ist das offenbar nicht angekommen", sagte Mayer.

Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber forderte Kanzlerin Merkel zu einer ehrlichen Analyse der Landtagswahl auf. "Es ist sicherlich keine Stärkung, wenn im eigenen Land am Volksparteicharakter der CDU gekratzt wird", sagte Stoiber dem "Münchner Merkur". Die Kanzlerin hat ihren Bundestagswahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern.

Er hoffe, "dass nun in der CDU endlich eine ernsthaftere Wahlanalyse für die gravierenden Wahlverluste vorgenommen" werde als bei vorangegangenen Landtagswahlen, sagte Stoiber. Erneut forderte er eine Obergrenze für Flüchtlinge.

Das Endergebnis:

Die SPD ist mit 30,6 Prozent der Stimmen als stärkste politische Kraft aus der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern hervorgegangen. Laut dem von der Landeswahlleiterin am Montag veröffentlichten vorläufigen Endergebnis nach Auszählung aller 1896 Wahlbezirke erhielt die erstmals in dem Bundesland angetretene AfD 20,8 Prozent. Die CDU kam demnach auf 19,0 und die Linkspartei auf 13,2 Prozent.

Nicht mehr im Landtag vertreten sind die Grünen mit 4,8 Prozent und die NPD mit 3,0 Prozent. Die FDP verfehlte nach fünf Jahren Abwesenheit mit 3,0 Prozent die Rückkehr in den Landtag. Im neuen Landtag erhält die SPD 26 Sitze, die AfD 18, die CDU 16 und die Linkspartei elf Sitze.

Im Vergleich zur letzten Wahl vor fünf Jahren haben alle bislang im Landtag vertretenen Parteien Stimmenanteile verloren. Bei der SPD waren es 5,0 Prozentpunkte, bei der CDU 4,0 und bei der Linkspartei 5,2 Prozentpunkte. Die Grünen verzeichneten ein Minus von 3,9 und die NPD von 3,0 Prozentpunkten. Die Wahlbeteiligung lag bei 61,6 Prozent. Das waren 10,1 Prozentpunkte mehr als 2011.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

DWN
Politik
Politik Ehegattennachzug stagniert: Rechtliche Hürden beim Sprachnachweis
07.06.2025

Die Zahl der Visa für den Ehegattennachzug nach Deutschland ist rückläufig. Gleichzeitig bestehen weiterhin sprachliche und rechtliche...

DWN
Panorama
Panorama Ausweis, Ticket & Co.: Was Sie vor einem Urlaubsflug beachten sollten
07.06.2025

Check-in, Sicherheitscheck und Sprint zum Gate: Der Start in den Urlaubsflug kann am Flughafen schnell im Stress enden. Das lässt sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wertvollster Fußballer der Welt: Lamine Yamal knackt 400-Millionen-Marke
07.06.2025

Ein 17-Jähriger dominiert den globalen Fußballmarkt: Lamine Yamal ist mehr wert als ganze Bundesligateams – und verkörpert die extreme...

DWN
Politik
Politik Der Weltraum als nächstes Schlachtfeld – Europas Sicherheit steht auf dem Spiel
07.06.2025

Der Orbit wird zur neuen Frontlinie geopolitischer Machtspiele. Wie private Satelliten, militärische Strategien und neue Allianzen die...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Verteidigung der Zukunft: Hensoldt rüstet Europa mit Hightech auf
06.06.2025

Kaum ein Rüstungsunternehmen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren so grundlegend gewandelt wie Hensoldt. Aus einer ehemaligen...

DWN
Politik
Politik Trump gegen Europa: Ein ideologischer Feldzug beginnt
06.06.2025

Donald Trump hat Europa zum ideologischen Feind erklärt – und arbeitet systematisch daran, den Kontinent nach seinen Vorstellungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die wertvollsten Marken der Welt: Top 5 fest in US-Hand
06.06.2025

Während die Weltwirtschaft stagniert, explodieren die Markenwerte amerikanischer Konzerne. Apple regiert unangefochten – China und...