Politik

Frankreichs Industrie: Verheerende Bilanz in der Ära Sarkozy

Die französische Industrie hat in den vergangenen fünf Jahren hunderttausende Jobs eliminiert. Für jedes zweite Unternehmen ist Innovation ein Fremdwort. Nun steht die Industrie vor einem Scherbenhaufen und bekennt: Man habe zwar die Finanzinvestoren glücklich gemacht, jedoch zu wenig für Frankreich getan.
09.04.2012 23:51
Lesezeit: 1 min

Mit der Eröffnung der heißen Phase des Wahlkampfs richten sich die Blicke auch auf die Industrie in Frankreich. Die Bilanz der Regentschaft von Nicolas Sarkozy fällt ernüchternd aus: 355.000 Jobs wurden eliminiert. 47 Prozent der Unternehmer sagen, dass es zwischen 2006 und 2008 keinerlei Innovationen durchgeführt haben.

Das Thema der De-Industrialisierung Frankreichs hängt auch mit der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft zusammen. Die Stundenlöhne der französischen Arbeiter sind in den vergangenen zehn Jahren um 31 Prozent gestiegen, während ihre deutschen Kollegen nur ein Plus von 19 Prozent verbuchen können. In der Slowakei zahlen die französischen Autobauer 10 Euro pro Stunde, in Frankreich sind es 35 Euro.

Obwohl viele französische Konzerne Weltgeltung haben, hat Frankreich ein Handelsbilanzdefizit von 70 Milliarden Euro und 10 Prozent Arbeitslosigkeit. Kein europäisches Land hat so viele Unternehmen in den Fortune 500 wie Frankreich. Firmen wie Schneider Electric, Saint-Gobain und Lafarge profitieren massiv von der Globalisierung. Frankreich dagegen profitiert nicht.

Jean-Louis Beffa, der mehr als 20 Jahre Chef von Saint-Gobain war, sieht die Ursachen nicht in erster Linie in den hohen Lohnstückkosten. Er sagte der FT, die französische Wirtschaft hätte sich, anders als die deutsche, in den vergangenen Jahren viel zu sehr nach den Wünschen der Märkte und von Finanzinvestoren gerichtet. Es hätte keine langfristigen Pläne gegeben, sondern kurzfristige Profitorientierung. Man könne ein erfolgreiches Unternehmen haben, das seine Profite außerhalb von Frankreich macht, aber nichts zu den Exporten beiträgt.

Dies muss die nächste Regierung ändern, wenn sie eine signifikante Schieflage in Frankreich verhindern will. Frankreich wird in jedem Fall mehr bieten müssen als nur den sozialen Kahlschlag. Gaëlle Monteiller von Peugeot empfiehlt, die Vorteile Frankreichs herauszustellen, um Innovatoren und Kreative anzuziehen – etwa die Lebenskultur. Ob diese jedoch in Zeiten der zu erwartenden harten Sparkurse ihre Attraktivität bewahren können, wird sich erst noch weisen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China frisst Tesla: Wie Elon Musk seine eigene Konkurrenz großzog
19.07.2025

Elon Musk wurde in China gefeiert, hofiert und mit Privilegien überschüttet – doch während Tesla half, Chinas E-Auto-Industrie...

DWN
Technologie
Technologie Lokale Rechenzentren: Auslaufmodell oder Bollwerk digitaler Souveränität?
19.07.2025

Cloud oder eigenes Rechenzentrum? Unternehmen stehen vor einem strategischen Wendepunkt. Lokale Infrastruktur ist teuer – aber oft die...

DWN
Panorama
Panorama Rentenvergleich: So groß ist der Unterschied zwischen Ost und West
19.07.2025

Im Osten der Republik erhalten Frauen im Schnitt deutlich mehr Rente als im Westen. Jahrzehntelange Unterschiede in der Erwerbsbiografie...

DWN
Finanzen
Finanzen Erbe aufteilen: So sichern Sie den Verbleib Ihres Partners im gemeinsamen Haus
19.07.2025

Sind Sie wiederverheiratet und haben Kinder aus früheren Beziehungen? Dann ist besondere Vorsicht geboten, wenn es darum geht, Ihr Erbe...

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Kapital und Kontrolle – wem gehört Deutschland?
19.07.2025

Deutschland ist reich – doch nicht alle profitieren. Kapital, Einfluss und Eigentum konzentrieren sich zunehmend. Wer bestimmt wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung: Wann Verspätungszuschläge unzulässig sind
19.07.2025

Viele Steuerzahler ärgern sich über Verspätungszuschläge, wenn sie ihre Steuererklärung zu spät abgeben. Doch nicht immer ist die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...