Politik

EZB bereitet sich auf Griechenlands Austritt aus dem Euro vor

Seit sich die Regierungsbildung in Griechenland immer mehr auf eine Neuwahl bewegt, wird immer häufiger über einen Austritt Griechenlands aus dem Euro spekuliert. Und selbst die Chefs der nationalen Zentralbanken diskutieren nun über die Folgen und die Herangehensweise in einem solchen Fall.
15.05.2012 01:04
Lesezeit: 2 min

Vor gut einem Jahr hätte sich vermutlich keiner der Chefs der europäischen Notenbanken und erst recht keiner der Ratsmitglieder der EZB zu einem Gedanken über das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone hinreißen lassen. Doch die Situation hat sich geändert. Die griechischen Bürger haben die linksradikale Syriza Partei mit ihrem Parteichef Alexis Tsipras zur zweitstärksten Partei gemacht. Eine Partei, die keine Koalition mit den etablierten Parteien eingehen will und das Sparpaket aufkündigen möchte. Nun, da weder die drei stärksten Parteien in der Lage waren, eine Regierung zu bilden, und auch die Gespräche zwischen dem griechischen Präsidenten und den griechischen Parteien bisher erfolglos verlaufen (hier), scheint sich Griechenland immer weiter von dem Euro zu entfernen.

Und genau diese Distanz spiegelt sich mittlerweile auch bei den Chefs der europäischen Zentralbanken wieder. Plötzlich ist ein Austritt Griechenlands kein Todesurteil mehr für die gemeinsame Währungsunion – und man kann und muss angesichts der politischen Lage in Griechenland nun offen darüber diskutieren. „Ich denke, eine einvernehmliche Trennung - wenn das überhaupt notwendig wäre - wäre das möglich, aber ich würde es immer noch bereuen“, sagte der Gouverneur der belgischen Zentralbank, Luc Coene, der FT. Ähnlich charmant drückte es auch Patrick Honohan von der irischen Zentralbank aus. „Es können Dinge vorkommen, die in den Verträgen nicht bedacht wurden“, erklärte er auf einer Konferenz in Estland, technisch könne ein Austritt Griechenlands bewältigt werden. Es sei nicht unbedingt „tödlich, aber es ist nicht attraktiv“.

Im Dezember vergangenen Jahres warte EZB-Chef Mario Draghi noch vor den „unabsehbaren Folgen“ für die Währungsunion und auch zurzeit lässt sich Mario Draghi zu keiner Diskussion über einen solchen Austritt hinreißen. Doch die Zentralbanker um ihn herum zeigen, dass sich die Meinung innerhalb der EZB doch zunehmend von der Mario Draghis abhebt. Bundesbankpräsident, Jens Weidmann, sagte am Wochenende, „die Folgen für Griechenland wären gravierender als für den Rest der Eurozone“. Zentralbanker in ganz Europa haben damit begonnen, die Möglichkeit eines Euro-Austritts Griechenlands und den Umgang mit den Konsequenzen daraus zu diskutieren, bestätigte Per Jansson von der Schwedischen Riksbank der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Doch auch auf rein politischer Ebene wird dies immer häufiger in Betracht gezogen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte vergangene Woche: „Wir haben in den letzten zwei Jahren viel gelernt und Schutzmechanismen eingebaut.“ Die Ansteckungsgefahren für andere Länder der Euro-Zone seien geringer geworden. EU-Währungskommissar Olli Rehn teilt diese Ansicht. In Tallinn erklärte er, dass die Region jetzt besser vorbereitet sei, als noch vor zwei Jahren. „Europa würde auch leiden, aber Griechenland würde mehr leiden“. Nichts desto trotz versucht man, Griechenland entgegenzukommen (mehr hier), denn interessanter Weise halten Analysten das Szenario eines Austritts noch immer für relativ gefährlich für die Eurozone. Die Ratingagentur Fitch erwägt sogar, in einem solchen Fall alle verbleibenden Länder der Eurozone herabzustufen (mehr hier) und auch Goldman Sachs warnt vor einem Austritt Griechenlands (hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Meta trainiert KI mit Ihren Daten – ohne Ihre Zustimmung. So stoppen Sie das jetzt!
09.05.2025

Ab dem 27. Mai analysiert Meta öffentlich sichtbare Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzern in Europa – zur Schulung seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume
08.05.2025

Während Europa auf seine Rezession zusteuert und China seine Wirtschaft auf staatlicher Kommandobasis stabilisiert, gibt es auch im sonst...

DWN
Panorama
Panorama Verkehrswende: Ariadne-Verkehrswendemonitor zeigt Entwicklung auf
08.05.2025

Wie sich die Verkehrswende in Deutschland aktuell entwickelt, ist nun auf einer neuen Onlineplattform des Potsdam-Instituts für...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation bewältigen: 7 Strategien für finanzielle Stabilität, weniger Belastung und einen nachhaltigeren Lebensstil
08.05.2025

Wer die eigenen Ausgaben kennt, kann gezielt handeln. So behalten Sie die Kontrolle über Ihr Geld. Mit Budgetplanung und klugem Konsum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Maschinenbau: Bedeuten die Trump-Zölle das Ende einer deutschen Schlüsselindustrie?
08.05.2025

Der Maschinenbau befindet sich seit Jahren im Dauerkrisenmodus. Nun droht die fatale Zollpolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump zum...

DWN
Politik
Politik Anti-Trump-Plan: Halbe Milliarde Euro für Forschungsfreiheit in Europa
08.05.2025

Während US-Präsident Trump den Druck auf Hochschulen erhöht, setzt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf gezielte Anreize...

DWN
Technologie
Technologie Bitkom-Umfrage: Deutsche kritisieren Abhängigkeit von KI-Anbietern aus dem Ausland
08.05.2025

Die Bevölkerung in Deutschland verwendet zunehmend Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig nimmt die Sorge über eine...

DWN
Politik
Politik Migrationspolitik: Wie die Neuausrichtung an den deutschen Außengrenzen aussehen könnte
08.05.2025

Das Thema illegale Migration und wer bei irregulärer Einreise an deutschen Landesgrenzen zurückgewiesen wird, beschäftigt die Union seit...