Francois Hollande hob den Mindestlohn für bestimmte Arbeitnehmer an und will die Steuern für Unternehmen und Reiche anheben. Doch mit genau diesen Maßnahmen sind die Top-Ökonomen Frankreichs und die Unternehmen des Landes alles andere als einverstanden. Das Problem sei die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der französischen Unternehmen, es bedürfe einer „Schock-Therapie“, so die Ökonomen.
Bei einer von dem französischen Präsidenten einberufenen Konferenz, in der Minister, Beamte, Gewerkschaften, Ökonomen und Unternehmer über wirtschaftliche und soziale Fragen diskutieren sollten, kam es zu heftiger Kritik an Francois Hollande. Der „Economist’s Circle“, eine überparteiliche Gruppe, deren Mitglieder beispielsweise auch in Institutionen wie der EZB arbeiten, forderte eine „massive Umverteilung“ von Frankreichs hohen Sozialabgaben, die die Arbeitgeber leisten müssten, hin zu einer Erhöhung der direkten Steuern.
„Es gibt ein massives Vertrauensproblem in den Köpfen unserer Unternehmer“, sagte Louis Gallois, der frühere Leiter des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS. „Ich glaube, wir brauchen einen Wettbewerbsfähigkeits-Schock“, fügte er hinzu. Ähnlich sieht es Laurence Parisot, der Leiter des MEDEF Arbeitgeberverband. Wir „müssen uns der alarmierenden und kontinuierlich in den vergangenen 12 Jahren fortschreitenden Erosion der Wettbewerbsfähigkeit in Frankreich stellen“, sagte er in einem Interview mit dem Journal du Dimanche.
Sowohl die Ökonomen als auch die Unternehmer sind zutiefst besorgt über den Verlust des französischen Anteils am internationalen Markt. Schuld an der Wettbewerbsfähigkeit seien vor allem die hohen Lohnkosten. Die durchschnittlichen Lohnkosten je Stunde lägen in Frankreich bei 34 Euro, in Deutschland bei 30 Euro und in Spanien und Großbritannien bei 20 Euro, so der Chef der französischen Elektrizitätsgesellschaft EDF.
„Die unmittelbare Schwierigkeit ist vor allem die schwache Rentabilität der großen Mehrheit der Unternehmen, die ihre Fähigkeit zur Innovation hemmt: zu exportieren, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen", gab der „Economist’s Circle“ zu bedenken. Man müsse die „Profitabilität durch einen massiven Transfer von Sozialabgaben auf direkte Steuern verbessern."
Bisher hat die französische Regierung diesen Aufforderungen widerstanden und betont, dass die Bekämpfung der französischen Schulden Vorrang habe. Darüber hinaus geht die Regierung davon aus, dass die Förderung von Investitionen, Innovation und Forschung sowie die Unterstützung kleiner Unternehmen der wichtigste Weg hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit sei. Einen Schritt bei der Verlagerung von sozialen Abgaben auf die Mehrwertsteuer, den die vorherige Regierung eingelenkt hatte, hat die Regierung unter Francois Hollande sogar wieder rückgängig gemacht.
Der Druck der Unternehmer und Ökonomen scheint jedoch langsam Wirkung zu zeigen. Der französische Finanzminister, Pierre Moscovici, sagte am Wochenende bei der Konferenz, dass die Bekämpfung der Lohnkosten durch die Verringerung der sozialen Kosten „kein Tabu“ sei. Wenn in den Gesprächen mit den Sozialversicherungen und Krankenkassen ein Konsens erreicht werden kann, könnten einige Maßnahmen ergriffen werden, fügte er hinzu.