Politik

Wegen Vernetzung: Schon die Schieflage einer Bank kann globalen Crash auslösen

Eine Studie der ETH Zürich zeigt: Die internationalen Finanzinstitutionen haben die Krise genutzt, um sich noch stärker zu vernetzen. Durch die wechselseitige Abhängigkeit müssten daher auch kleinere Banken von den Notenbanken gerettet werden, weil heute praktisch jede Bank den totalen Crash auslösen könnte. Die Banken betreiben diese Strategie offenbar ganz bewusst, um auf jeden Fall durch einen Bailout abgesichert zu sein.
12.08.2012 01:53
Lesezeit: 2 min

Die ETH Zürich hat in einer bemerkenswerten Studie (hier das Original auf Nature) festgestellt, dass die internationalen Großbanken und Finanzinstitute bei Crash-Gefahr auf jeden Fall von den Notenbanken gerettet würden. Der Grund: Die Banken haben die Auflagen zur Erhöhung der Eigenkapitalquote genutzt, um sich untereinander noch stärker zu vernetzen. Das bedeutet, dass die wechselseitigen Abhängigkeiten so groß sind, dass auch schon der Crash eines vergleichsweise kleinen Instituts das gesamte System zum Kollabieren bringen würde. War es bisher eher die "too big too fail" Theorie, die bei den offiziellen Stresstests berücksichtigt wurde, zeigt sich nun: Der hohe Vernetzungsgrad würden dazu führen, dass die Schieflage einer einzigen Bank das ganze Finanzsystem zum Eisturz bringt.

Die Forscher haben als Grundlage ihrer Theorie die Kreditvergabe durch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) an internationale Banken untersucht. Dabei zeigt sich, dass die 1.200 Milliarden Dollar, die an Rettungskrediten von der Fed zwischen 2008 und 2010 in Anspruch genommen wurden, zu dreiviertel an 22 internationale Banken gegangen sind. Unter ihnen finden sich die Commerzbank, die Deutsche Bank, die Unicredit (Hypo-Vereinsbank), aber auch die Schweizer UBS und die Credit Suisse.

Das Fazit der ETH: „Die Größe einer Bank ist jedoch nur ein Indikator für ihre Bedeutung für das Finanzsystem. Solche ,Systemische Risiken‘ können auch von kleinen Banken ausgehen, wenn diese so stark mit anderen Finanzinstituten vernetzt sind, dass ihr Zusammenbruch eine Kettenreaktion auslöst, die auch die anderen Banken gefährdet.“ (Zusammenfasssung der ETH - hier)

Als Berechnungsgrundlage haben die Forscher, deren Arbeit lobenswerterweise auch von der EU-Kommission gefördert wurde, einen Algorithmus entwickelt, der dem Google PageRank ähnlich ist. Mit dem DebtRank kann im Grund nun in real time ermittelt werden, wie sich die Abhängigkeiten der Banken entwickeln.

Allerdings hat die Berechnungsmethode einen Schönheitsfehler: Der ETH-Wissenschaftler Stefano Battiston sagte der Schweizer Zeitung Der Sonntag, „dass die aktuelle Studie nur das prinzipielle Funktionieren des DebtRank belege. Für exakte Analysen fehlten schlicht die Daten, denn die meisten gegenseitigen Geschäftsverbindungen der Finanzinstitute seien heute auch den Regulatoren nicht bekannt.“

Weil die Regulatoren aber nicht willens oder nicht imstande sind, alle Marktteilnehmer dazu zu bringen, ihre Zahlen auf den Tisch zu legen, werden diese gefährlichen Abhängigkeiten nicht reduziert, sondern im Gegenteil: Die nun verlangten Kapitalerhöhungen werden, so Der Sonntag, „viel mehr genutzt, um sich noch stärker zu vernetzen“. Das Beispiel der Credit Suisse zeige dies: „Die Investoren, die das frische Geld einschiessen – wie die Qatar Investment Authority, die saudische Olayan-Gruppe, der Staatsfonds von Singapur oder der Vermögensverwalter Blackrock – sind selber Teil eines etwa 150 Unternehmen umfassenden, eng verknüpften Kerns der Weltwirtschaft.“ (gesamte Analyse - hier)

Die Folge: Weil die Banken wissen, dass sie praktisch die Gewissheit auf Rettung haben, wenn sie nur ausreichend vernetzt sind, wirkt als Einladung an die Banken, noch mehr Risiko zu gehen, um sich selbst unter diesen unsichtbaren Rettungsschirm zu bringen. Für die Banken ist die Vernetzung das Auffangnetz für ihre immer riskanten Geschäfte: Wenn sie erreichen, dass die Notenbanken gar nicht mehr anders können, als jede einzelne Bank zu retten, haben sie für sich quasi ein hundertprozentig risikofreies Geschäftsmodell etabliert. Damit verbunden ist jedoch die Konsequenz, dass am Ende in einem Crash Fall die internationalen Notenbanken – und damit die Steuerzahler aller Länder – die Rechnung bezahlen müssen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Erbe aufteilen: So sichern Sie den Verbleib Ihres Partners im gemeinsamen Haus
19.07.2025

Sind Sie wiederverheiratet und haben Kinder aus früheren Beziehungen? Dann ist besondere Vorsicht geboten, wenn es darum geht, Ihr Erbe...

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Kapital und Kontrolle – wem gehört Deutschland?
19.07.2025

Deutschland ist reich – doch nicht alle profitieren. Kapital, Einfluss und Eigentum konzentrieren sich zunehmend. Wer bestimmt wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung: Wann Verspätungszuschläge unzulässig sind
19.07.2025

Viele Steuerzahler ärgern sich über Verspätungszuschläge, wenn sie ihre Steuererklärung zu spät abgeben. Doch nicht immer ist die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...