Die Kurve der Print-Medien ist an sich dramatisch: Hier zeigt sich ein struktureller Einbruch, der schon bald an die Substanz einer ganzen Branche gehen kann. 2011 haben Printmedien weltweit 76 Milliarden Dollar über Werbeinnahmen erlöst. Das sind 41 Prozent weniger als noch vor vier Jahren, so die World Association of Newspapers. Und lediglich 2,2 Prozent der Werbeeinnahmen konnten die Printmedien online erzielen.
Google hat sich immer als Verbündeter der Zeitungen darzustellen versucht. Das Magazin Slate erinnert an einen Auftritt der damaligen Google-Frontfrau Marissa Mayer in Stanford, bei dem Mayer mit viel Pathos den unvergänglichen Wert der Zeitungen beschwor. Die Fakten sehen jedoch anders aus: Google hat eine Dominanz am Werbemarkt erreicht, gegen die die klassischen Medien nicht mehr ankönnen. Wie viel Umsatz Google in Deutschland macht, konnte Google-Sprecher Kay Oberbeck auf Anfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten nicht sagen. Google weise Umsätze nicht nach Ländern aus, solange sie nicht 10 Prozent des gesamten Umsatzes übersteigen. Dies sei außerhalb der USA nur in Großbritannien der Fall.
Oberbeck sagte aber etwas anderes, was eigentlich als Rechtfertigung gedacht war, aber den Zetungen noch mehr zu denken geben muss. Oberbeck: „In 2011 haben wir an unsere Publishing-Partner über das AdSense-Programm weltweit mehr als 7 Milliarden USD ausgeschüttet.“ (Update: Ganz klar ist nicht, wieviel die Zeitungen bekommen. Der Mediendienst Meedia schreibt: „Wie Google gegenüber Statistag jetzt verriet, fließen rund vier Milliarden Dollar der eigenen Werbeeinahmen zurück zu den Verlagen.“)
GoogleAdSense sind die Google-Anzeigen, mit denen heute viele Verlage auch Geld machen. Auch die Deutschen Wirtschafts Nachrichten profitieren von AdSense (wir sagen an dieser Stelle: Danke, Google!).
Die meisten Printmedien können sich über die Erlöse aus den Google-Anzeigen jedoch nur eingeschränkt freuen: Denn Google wird immer mehr zur Meta-Medienmarke, die in allen Bereichen eine dominierende Rolle spielt. Dies betrifft auch die Art, wie der Werbemarkt funktioniert. Der Chef der größen deutschen Media-Agentur GroupM, Jürgen Blomenkamp, hat im DWN-Interview schon vor einiger Zeit auf die Gefahren hingewiesen (Wortlaut hier). Google zeigt dabei im Alltag durchaus Praktiken, die nichts mehr mit dem schönen Motto „Don't be evil! “ zu tun haben, sondern als typisches Monopolisten-Verhalten gewertet werden kann. Wir werden darüber demnächst ausführlicher berichten.
Auch im inhatlichen Bereich geht Google immer weiter. Auch darüber in Kürze mehr.
Es wäre allerdings zu einfach, die Krise der Zeitungen mit Google allein zu erklären: Viele Zeitungen sind jahrzehntelang Monopolisten oder zumindest Oligopolisten gewesen. Sie haben ihre Marktdominanz dort ausgenutzt, wo es für sie von Vorteil war. Dass sie jetzt als Lobbyisten der Vielfalt auftreten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Der Versuch, die neuen Marktverhältnisse durch ein neues Leistungsschutzrecht zu regulieren, deutet auf eine gewisse Ratlosigkeit hin. Allerdings habe die Verleger hier ein valides Argument auf ihrer Seite: Der Spiegel beschreibt in seiner aktuellen Ausgabe, wie Google und die anderen US-Konzerne durch raffinierte Konstruktionen vermeiden, Steuern in den einzelnen Ländern zu zahlen (hier als kostenpflichtiger Artikel). In gewisser Weise erinnern die Versuche der Verlage, mit Hilfe der Politik ihre Interessen zu schützen, ein wenig an die Idee einer Finanztransaktionssteuer: In einem knallhart globalisierten Markt gibt es mehr Löcher, als Peer Steinbrück mit mehreren Kavallerie-Divisionen schließen könnte.
Grundlegend bleiben für die Printmedien jedoch zwei viel grundsätzlichere Probleme: Viele Verleger haben wenig Interesse an Journalismus. Sie wollen Geld verdienen und tun dies, indem sie auf andere Geschäfte ausweichen. Die Redaktionen werden ausgedünnt oder, wie eben am Beispiel der Frankfurter Rundschau gesehen, dicht gemacht (hier). Weil viele Verlags-Manager keinen blassen Schimmer vom Internet haben, müssen die Journalisten unter Umständen den Preis für jahrelanges Management-Versagen zahlen.
Aber auch die Journalisten selbst tun sich schwer mit der neuen Welt: Im Handelsblatt findet sich über dem Forum zur Zeitungskrise eine Zeichnung, die zeigt, wie sich das Blatt offenbart seinen imaginären Leser vorstellt. Die Zeichnung zeigt einen offenkundig Irren, der wie ein Besessener in die Tasten seines Computers haut. Einleitend zu den Kommentaren findet sich eine herablassende Belehrung über Trolle, die dem Leser klarmachen soll, wo der intellektuelle Bartl den Most holt.
Die elitäre Geringschätzung der Leser ist eine denkbar ungünstige Basis für eine gedeihliche Zukunft der eigenen Branche. Sie kann auch mit den raffiniertesten Geschäftsmodellen nicht wettgemacht werden.