Politik

Unaufhaltsam: Google macht die Zeitungen platt

Im ersten Halbjahr hat Google in den USA erstmals mehr Werbeerlöse erzielt als alle Printmedien zusammen. Die Entwicklung ist dramatisch. Denn mittlerweile werden die Zeitungen von Google nicht mehr nur abgehängt: Über die Google-Anzeigen leben sie sogar schon ein Stück weit von Googles Gnaden. Durch ihre eigene Arroganz gegenüber den Lesern tragen sie im Übrigen selbst am meisten zu ihrem Niedergang bei.
14.11.2012 01:07
Lesezeit: 2 min

Die Kurve der Print-Medien ist an sich dramatisch: Hier zeigt sich ein struktureller Einbruch, der schon bald an die Substanz einer ganzen Branche gehen kann. 2011 haben Printmedien weltweit 76 Milliarden Dollar über Werbeinnahmen erlöst. Das sind 41 Prozent weniger als noch vor vier Jahren, so die World Association of Newspapers. Und lediglich 2,2 Prozent der Werbeeinnahmen konnten die Printmedien online erzielen.

Google hat sich immer als Verbündeter der Zeitungen darzustellen versucht. Das Magazin Slate erinnert an einen Auftritt der damaligen Google-Frontfrau Marissa Mayer in Stanford, bei dem Mayer mit viel Pathos den unvergänglichen Wert der Zeitungen beschwor. Die Fakten sehen jedoch anders aus: Google hat eine Dominanz am Werbemarkt erreicht, gegen die die klassischen Medien nicht mehr ankönnen. Wie viel Umsatz Google in Deutschland macht, konnte Google-Sprecher Kay Oberbeck auf Anfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten nicht sagen. Google weise Umsätze nicht nach Ländern aus, solange sie nicht 10 Prozent des gesamten Umsatzes übersteigen. Dies sei außerhalb der USA nur in Großbritannien der Fall.

Oberbeck sagte aber etwas anderes, was eigentlich als Rechtfertigung gedacht war, aber den Zetungen noch mehr zu denken geben muss. Oberbeck: „In 2011 haben wir an unsere Publishing-Partner über das AdSense-Programm weltweit mehr als 7 Milliarden USD ausgeschüttet.“ (Update: Ganz klar ist nicht, wieviel die Zeitungen bekommen. Der Mediendienst Meedia schreibt: „Wie Google gegenüber Statistag jetzt verriet, fließen rund vier Milliarden Dollar der eigenen Werbeeinahmen zurück zu den Verlagen.“)

GoogleAdSense sind die Google-Anzeigen, mit denen heute viele Verlage auch Geld machen. Auch die Deutschen Wirtschafts Nachrichten profitieren von AdSense (wir sagen an dieser Stelle: Danke, Google!).

Die meisten Printmedien können sich über die Erlöse aus den Google-Anzeigen jedoch nur eingeschränkt freuen: Denn Google wird immer mehr zur Meta-Medienmarke, die in allen Bereichen eine dominierende Rolle spielt. Dies betrifft auch die Art, wie der Werbemarkt funktioniert. Der Chef der größen deutschen Media-Agentur GroupM, Jürgen Blomenkamp, hat im DWN-Interview schon vor einiger Zeit auf die Gefahren hingewiesen (Wortlaut hier). Google zeigt dabei im Alltag durchaus Praktiken, die nichts mehr mit dem schönen Motto „Don't be evil! zu tun haben, sondern als typisches Monopolisten-Verhalten gewertet werden kann. Wir werden darüber demnächst ausführlicher berichten.

Auch im inhatlichen Bereich geht Google immer weiter. Auch darüber in Kürze mehr.

Es wäre allerdings zu einfach, die Krise der Zeitungen mit Google allein zu erklären: Viele Zeitungen sind jahrzehntelang Monopolisten oder zumindest Oligopolisten gewesen. Sie haben ihre Marktdominanz dort ausgenutzt, wo es für sie von Vorteil war. Dass sie jetzt als Lobbyisten der Vielfalt auftreten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Der Versuch, die neuen Marktverhältnisse durch ein neues Leistungsschutzrecht zu regulieren, deutet auf eine gewisse Ratlosigkeit hin. Allerdings habe die Verleger hier ein valides Argument auf ihrer Seite: Der Spiegel beschreibt in seiner aktuellen Ausgabe, wie Google und die anderen US-Konzerne durch raffinierte Konstruktionen vermeiden, Steuern in den einzelnen Ländern zu zahlen (hier als kostenpflichtiger Artikel). In gewisser Weise erinnern die Versuche der Verlage, mit Hilfe der Politik ihre Interessen zu schützen, ein wenig an die Idee einer Finanztransaktionssteuer: In einem knallhart globalisierten Markt gibt es mehr Löcher, als Peer Steinbrück mit mehreren Kavallerie-Divisionen schließen könnte.

Grundlegend bleiben für die Printmedien jedoch zwei viel grundsätzlichere Probleme: Viele Verleger haben wenig Interesse an Journalismus. Sie wollen Geld verdienen und tun dies, indem sie auf andere Geschäfte ausweichen. Die Redaktionen werden ausgedünnt oder, wie eben am Beispiel der Frankfurter Rundschau gesehen, dicht gemacht (hier). Weil viele Verlags-Manager keinen blassen Schimmer vom Internet haben, müssen die Journalisten unter Umständen den Preis für jahrelanges Management-Versagen zahlen.

Aber auch die Journalisten selbst tun sich schwer mit der neuen Welt: Im Handelsblatt findet sich über dem Forum zur Zeitungskrise eine Zeichnung, die zeigt, wie sich das Blatt offenbart seinen imaginären Leser vorstellt. Die Zeichnung zeigt einen offenkundig Irren, der wie ein Besessener in die Tasten seines Computers haut. Einleitend zu den Kommentaren findet sich eine herablassende Belehrung über Trolle, die dem Leser klarmachen soll, wo der intellektuelle Bartl den Most holt.

Die elitäre Geringschätzung der Leser ist eine denkbar ungünstige Basis für eine gedeihliche Zukunft der eigenen Branche. Sie kann auch mit den raffiniertesten Geschäftsmodellen nicht wettgemacht werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt "Aufstehen, hingehen, machen": Thomas Hintsche verkauft seit 30 Jahren gegrillte Würstchen auf dem Markt
08.08.2025

Seit 30 Jahren verkauft Thomas Hintsche Bratwurst, Steak, Buletten und mehr auf dem Markt. Seine Grillskills hat er perfektioniert, kennt...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis bleibt stabil: USA verhängen Zölle auf Goldimporte – Schweiz im Fokus
08.08.2025

US-Zölle auf Goldimporte versetzen den Markt in Aufruhr. Besonders die Schweiz könnte hart getroffen werden. Während der Goldpreis in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kreditprogramme für den Mittelstand: Neue KfW-Digitalförderung für KMU, Kritik an „Made for Germany“
08.08.2025

Zwei neue KfW-Kreditprogramme unterstützen KMU seit Juli gezielt bei Digitalisierung und Innovation. Unterdessen sorgt die fehlende...

DWN
Finanzen
Finanzen Munich Re-Aktie fällt: Rückversicherer spürt Preisdruck trotz Rekordgewinn
08.08.2025

Die Munich Re-Aktie erlebt nach einem Rekordgewinn überraschend Gegenwind. Trotz starker Halbjahreszahlen dämpfen sinkende Preise und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verhandeln lernen: Mit Strategie zum Erfolg – jeder kann es mit den richtigen Methoden
08.08.2025

Erfolgreich verhandeln kann jeder – mit den richtigen Methoden. Erfahren Sie, wie Sie mit Strategie, Künstlicher Intelligenz und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bechtle-Aktie hebt ab: Starker Quartalsverlauf beflügelt Anleger
08.08.2025

Die Bechtle-Aktie überrascht Anleger im Börsenhandel am Freitag mit einem kräftigen Kurssprung. Nach Monaten der Flaute deutet vieles...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo: Auftragsmangel hemmt deutsche Wirtschaft weiterhin
08.08.2025

Das Ifo-Institut meldet: Der Auftragsmangel bleibt eine Bremse für die deutsche Wirtschaft. Trotz vereinzelter Lichtblicke in einigen...

DWN
Finanzen
Finanzen Novo Nordisk-Aktie: Ist der Krisenmodus vorbei? Neuer CEO Doustdar will Vertrauen zurückgewinnen
08.08.2025

Die Novo Nordisk-Aktie braucht neue Impulse, um Wachstum und Anlegervertrauen zurückzugewinnen. „Dass ich anders bin, ist die halbe...