Deutschland

Nächtliche Griechen-Rettung kann Deutschland bis zu 11,5 Milliarden Euro kosten

Lesezeit: 2 min
27.11.2012 07:16
Der in der Nacht von Euro-Gruppe und IWF beschlossene „Deal“ ist eine Luftnummer: 43,7 Milliarden Euro werden ausgezahlt, um das europäische Bankensystem am Leben zu erhalten. Alle sogenannten „Maßnahmen“ sind vage Absichtserklärungen. Für Deutschland bedeutet der Deal: Der Verlust von 11,5 Milliarden Euro wird immer wahrscheinlicher. Dafür gibt es für die Spekulanten ein attraktives Weihnachts-Präsent.
Nächtliche Griechen-Rettung kann Deutschland bis zu 11,5 Milliarden Euro kosten

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Aktuell: Europäischer Gerichtshof bestätigt ESM

Die Euro-Gruppe hat, in völliger geistiger Frische, nach einer 12 Stunden-Verhandlung die erneute Griechenland-Rettung beschlossen: Das Ergebnis besteht aus einem Mix an Hoffnungen, Erwägungen und Gedankenanstößen. Das einzige, was kein Problem darstellen dürfte: Die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit einigem Pathos erbetene, rasche Zustimmung der Parlamente. Der Bundestag soll das „Paket“ am Freitag durchwinken. Wie bereits bei den bisherigen Abstimmungen ist zu erwarten, dass die meisten Abgeordneten nicht im Ansatz verstehen werden, worüber sie abstimmen.

De facto ist es allerdings ziemlich klar: Der EFSF soll 43,7 Milliarden Euro als nächste Tranche auszahlen. Der Hauptzweck ist die Rekapitalisierung der griechischen Banken: 23,6 Milliarden Euro gehen an die Banken. Auf Deutsch: Dieses Geld brauchen die griechischen Banken, um ihre Schulden bei der EZB und beim IWF zu begleichen. Dies ist sehr wichtig und überhaupt der Hauptzweck dieses Schneeballsystems Rettungskonzepts: Es werden immer mehr Schulden mit immer neuen Konstruktionen gemacht, damit das ganze Hütchen-Spiel Euro-System weiter für Frieden und Wohlstand in Europa sorgen kann.

Etwa 10 Milliarden Euro sollen in den griechischen Haushalt fließen – aber nicht sofort, denn die Tranche wird nun in weitere Tranchen unterteilt, die wiederum an weitere Bedingungen geknüpft ist. Die Auszahlungen sollen in den kommenden Monaten erfolgen.

Gegenfinanziert soll der ganze Spaß durch verschiedene technische Maßnahmen werden, die so klingen, als wären sie ausschließlich erfunden worden, um die armen Bundestagsabgeordneten zu verwirren. EZB und IWF wollen auf Zinsen verzichten, gewisse Kredite strecken, andere Überschüsse abziehen usw. Wir ersparen uns die Details (können hier in der Original-Mitteilung der Euro-Gruppe nachgelesen werden). Bemerkenswert ist, dass sich die Euro-Retter – offenbar weil es schon 4 Uhr morgens war – die griechische Schuldenquote in den 2020er Jahren einfach schön gerechnet haben. So konnte auf IWF-Chefin Christine Lagarde der Rettung zustimmen. Der IWF kann auf eine lange Tradition des Schönrechnens verweisen (mehr hier).

Die Nebelkerzen der Finanzierung bedeuten: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass der deutsche Steuerzahler 11,5 Milliarden Euro in den Wind schreiben kann. Diese Summe entspricht etwa dem Anteil der Deutschen am EFSF und den dort eingezahlten Mitteln. Für unsere österreichischen Leser: Sie können sich schon mal mit dem Gedanken anfreunden, 1,2 Milliarden Euro gespendet zu haben.

Interessant ist indes die Mitteilung, dass es zumindest für die Spekulanten ein opulentes Weihnachtspräsent geben wird: Ein Teil der Finanzierung soll über ein Rückkaufprogramm von griechischen Staatsanleihen an den Finanzmärkten finanziert werden. Diese Anleihen unterliegen britischem Recht. Das ist das Codewort für die internationalen Spekulanten: Denn die bisher nach britischen Recht gekauften Griechen-Bonds waren nicht Teil des Haircuts im Frühjahr. Daher haben die Hedgefonds im Grunde kein Risiko, dass sie ihren Wetteinsatz jemals komplett verlieren. Für normale Käufer wie Pensionsfonds scheiden diese Papiere selbstverständlich als Anlageform aus, weil sie immer noch ein Rating mit dem Status „Müll“ tragen. Bereits in den vergangenen Monaten haben die Spekulanten bestens daran verdient, dass die Euro-Gruppe ein verlässlicher Zahler bei hochriskanten Wetten ist (hier). Währungskommissar Olli Rehn sagte daher auch nach der Einigung stolz, die Euro-Gruppe habe „geliefert“.

Immerhin: Der „Deal“ ist so ehrlich, dass die Euro-Gruppe auch in das Papier schreibt, dass es gar keinen Deal gibt. Man hoffe, mit den vagen Vorstellungen für so viel Verunsicherung gesorgt zu haben, dass die Euro-Gruppe am 13. Dezember zu einer formellen Entscheidung werde kommen können. Danach sei der Weg frei für die Griechenland-Euro-Rettungen IV, V und VI.

Weitere Themen

Monti knallhart: Briten sollen EU-Referendum abhalten

Neuer Gouverneur der Bank of England kommt von Goldman Sachs

Griechenland: Berichte über massive Willkür der Polizei gegen Ausländer

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...