Der deutsche Steuerzahler weiß nicht, ob er sich über diese Meldung freuen oder ärgern soll: Durch das Schönrechnen von Verlusten im Derivate-Bereich soll die Deutsche Bank in der Finanzkrise erfolgreich versucht haben, einen Bailout durch die Bundesregierung zu verhindern. In getrennten Meldungen an die amerikanische Behördenaufsicht SEC behaupten drei ehemalige Mitarbeiter, dass die wahren Verluste aus den fraglichen Geschäften bis zu 12 Milliarden Euro betragen hätten. Wenn die Verluste in dieser Höhe bilanziert worden wären, hätte die Deutsche Bank vermutlich wegen des schwachen Eigenkapitals um eine Rettung bei Bundeskanzlerin Angela Merkel ansuchen müssen. Der damalige Chef, Josef Ackermann, verwiese nach der Finanzkrise mehrfach mit Stolz darauf, dass sein Institut ohne staatliche Hilfe durch die Krise gekommen sein.
Die Deutsche Bank widerspricht dem Bericht der FT entschieden: Die Anschuldigungen seien seit 2011 bekannt. Die ehemaligen Mitarbeiter hätten weder verantwortliche Positionen in der Bank bekleidet, noch hätten sie die Sachkenntnis, um die Fakten richtig zu beurteilen. Die Bank sagte weiters, die Anschuldigungen seien völlig haltlos und im Jahr 2011 von einer internen Untersuchung als grundlos eingestuft worden. Die Untersuchung war von der US-Rechtsanwaltskanzlei Fried Frank im Auftrag der Deutschen Bank durchgeführt worden. Die Bank sagte, man werde weiter mit der SEC bei den Ermittlungen kooperieren.
Einer der Whistleblower, der ehemalige Risk-Manager Eric Ben-Artzi, sagte allerdings, dass er drei Tage, nachdem er seine Meldung bei der SEC erstattet habe, von der Deutschen Bank gefeuert worden sei. In einer getrennten Klage gegen seine Entlassung beim US Department of Labor behauptet Ben-Artzi, sein Rauswurf sei die Rache der Bank über die Meldung bei der SEC gewesen.
Pikantes Detail am Rande: Einer der mit der Untersuchung beauftragten SEC-Kontrolleure zog sich aus der Untersuchung wegen Befangenheit zurück: Robert Khuzami hatte con 2004 bis 2009 als General Counsel für die Deutschen Bank in den USA gearbeitet.
Auch wenn dem deutschen Steuerzahler in der jüngsten Finanzkrise die Rettung der Deutschen Bank erspart blieb, wirft der Vorfall ein grelles Licht auf jenen Bereich, der der Deutschen Bank – wie auch den meisten anderen Großbanken – noch einigen Ärger bereiten kann: Das Derivaten-Geschäft ist der öffentlichen Kontrolle weitgehend entzogen. Die Banken stellen in eigenen Bewertungen fest, welchen Wert die undurchsichtigen und hochkomplexen Papiere haben. Diese Bewertungen sind dann die Grundlage für die Bilanz-Zahlen.
Wie bei den meisten Schrottpapieren läßt sich der Wert jedoch nicht dauerhaft manipulieren: Irgendwann kommt heraus, ob bestimmte hochspekulative Geschäfte Totalverluste bescheren oder nicht. Wenn dieser Fall eintritt, dürfte die Griechenland-Krise als eine im Vergleich unbedeutende Marginalie erscheinen. Die potentiellen Verluste können nämlich derart hoch sein, dass auch das gesamte Vermögen der europäischen Steuerzahler nicht ausreichen wird, um den Crash zu verhindern.