Politik

Zentralbanken ändern Kurs und wollen höhere Inflation zulassen

Mit der Ankunft des Goldman-Bankers Mark Carney als Chef der Bank of England dürfte sich die Strategie der Zentralbanken ändern: Schatzkanzler George Osborne kündigte an, dass man sich vom bisherigen Inflationsziel verabschieden und stattdessen lieber auf Wachstum setzen wolle.
14.12.2012 00:32
Lesezeit: 2 min

George Osborne sagte am Donnerstag bei einem Parlamentshearing in London, dass er mit Freude die Ankunft von Mark Carney als neuem Chef der Bank of England erwarte. Carney, bis Juli noch Gouverneur der kanadischen Zentralbank, sei ein anerkannter Experte und werde die „internationale Sichtweise und Meinung über innovative Ziele der Zentralbanken“ vorantreiben. Dazu gehöre auch, dass das derzeitige Inflationsziel von 2 Prozent aufgegeben werden sollte. Die Zentralbanken sollten sich nicht mehr nur als Hüter der Währungsstabilität verstehen, sondern vor allem dafür sorgen, dass den „nominalen Wachstumszielen Priorität“ verliehen werden solle. Zwar habe die bisher begrenzte Inflations-Marke dem Land gute Dienste geleistet und ein Abgehen von der Marke müsse gute Gründe vorweisen können – doch diese wird Carney nach Osbornes Einschätzung schon finden.

Am Mittwoch hatte die US-Notenbank Fed erstmals die Koppelung ihrer Entscheidungen an die Arbeitslosenzahlen bekanntgegeben (hier). Beobachter sehen in Osbornes Erklärung ein Eingeständnis, dass die bisherige Strategie der Notenbanken nicht funktioniert habe. Eben erst hatte die Ratingagentur Standard&Poor’s den Ausblick für Großbritannien auf negativ gesetzt –wegen schlechter Wachstumsaussichten.

Osbornes Ankündigung einer höheren Inflation zeigt ebenso wie die Maßnahmen von Ben Bernanke, dass die Zentralbanken mit ihrer Strategie des Gelddruckens nicht mehr weiterkommen. Denn bisher war die Geldvermehrung stets damit gerechtfertigt worden, dass das Geld ohnehin niemals in der Realwirtschaft ankomme. Das stimmt auch: Die zusätzlichen Mittel haben diverse Blasen verursacht und den Banken geholfen, ihre Bilanzen vor dem Kollaps zu bewahren. Arbeitsplätze wurden durch die Segnungen keine geschaffen.

Es könnte also sein, dass die Zentralbanken nach all dem theoretischen „financial engineering“ nun zur archaischen Methode der Schulden-Beseitigung durch Inflation übergehen wollen. Für die Europäische Zentralbank (EZB) ist die neue Strategie aus dem angelsächsischen Raum eine spezielle Herausforderung. Ihre Rolle ist bisher ausschließlich die der Sicherung der Geldwertstabilität gewesen. EZB-Chef Mario Draghi ist daher darauf erpicht, die Bankenunion im Euro-Raum voranzutreiben. Er sagte am Donnerstag, dass die Beschlüsse der EU ein erster Schritt seien (man kann sie auch eher als Rohrkrepierer sehen – hier). Nun müssen die Banken aber unter das Dach der EZB-Kontrolle schlüpfen, mit wirksamen Sanktionen auch gegenüber nationalen Banken-Sündern.

Das klingt gut, bedeutet aber im Klartext: Weil die radikalen Sparpläne in den meisten Staaten nicht durchsetzbar sind, muss es zur Beendigung der Schuldenkrise zu einer Zusammenlegung der Schulden kommen. Daher sehen die deutschen Finanzexperten wie der Wirtschaftsweise Bofinger auch einen gemeinsamen Schuldentilgungsfonds als unausweichlich an (hier). Bei Bloomberg setzen sich mehrere deutsche Regierungsberater für eine rasche Einführung dieses Fonds ein und äußerten die Zuversicht, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Wahl im Herbst 2013 einlenken und dieser Lösung zustimmen werde.

Eine Zusammenlegung der Schulden ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Hinweg-Inflationieren der Schulden auch europaweit funktioniert. Denn nur so können die deutschen Sparer adäquat an einer Beseitigung der europäischen Schuldenlast durch eine höhere Inflation beteiligt werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Sparen für Kinder: Welche Anlagen sich wirklich lohnen
04.07.2025

Eltern wollen ihre Kinder finanziell absichern, doch viele verschenken Chancen. Statt renditestarker Anlagen dominiert Vorsicht, oft ohne...

DWN
Technologie
Technologie KI im Jobmarkt: Die große Lüge von der Objektivität
04.07.2025

Algorithmen sollen neutral entscheiden – doch KI entlarvt sich im Personalbereich als versteckter Türsteher: Diskriminierung,...

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drogeriehandel: Wie dm, Rossmann und Müller den Lebensmittelmarkt verändern
03.07.2025

Drogeriemärkte verkaufen längst nicht mehr nur Shampoo und Zahnpasta. Sie werden für Millionen Deutsche zur Einkaufsquelle für...

DWN
Technologie
Technologie KI-Gesetz: Bundesnetzagentur startet Beratungsservice für Unternehmen
03.07.2025

Die neuen EU-Regeln zur Künstlichen Intelligenz verunsichern viele Firmen. Die Bundesnetzagentur will mit einem Beratungsangebot...

DWN
Panorama
Panorama Sprit ist 40 Cent teurer an der Autobahn
03.07.2025

Tanken an der Autobahn kann teuer werden – und das oft völlig unnötig. Eine aktuelle ADAC-Stichprobe deckt auf, wie groß die...